Nina:
Ich konnte es spüren. Ich spürte es so deutlich, als wäre es ein Rufen meines Namens. Meine Zeit hier, bei den Menschen, war bald vorbei. Es war wirklich eigenartig, wie ich mich nicht mehr als Mensch bezeichnete. Ich fühlte gleich, ich dachte so gleich aber...ich war kein Mensch mehr. Ich hatte keinen Herzschlag mehr, ich hatte weder Durst noch Hunger, nur fühlen konnte ich. Ich fühlte und hörte zu viel, aber ich verstand endlich alles, was mit mir geschehen war. Als Mensch, da hatte mich die Angst so oft beherrscht. Als ich noch lebte, habe ich mir so oft selbst im Weg gestanden. Ich habe die schönen und die wichtigen Dinge nicht gesehen, mich selbst nicht verstanden. Als ich es dann aber endlich tat, dann hatte ich zu kompliziert und zu ängstlich gedacht. Jetzt, wo ich hier auf der Ranch, mitten in der Nacht, am Herumgeistern war, hatte ich keine Angst mehr. Heute war mein erster Todestag gewesen, und ich war dankbar, hatten ihn alle vergessen. Besser gesagt, sie hatten ihm keine Beachtung geschenkt, und das war gut so. Jetzt schliefen sie alle friedlich, mein Pitbull träumte schön, meine Söhne hatten weniger Kummer in ihrem Herzen und mein Baby...mein Baby hatte alles. Er schlief friedlich neben seinem Vater, hatte einen kräftigen Herzschlag, atmete regelmässig und auch er träumte. Ich nahm mir die Freiheit heraus, und spazierte wie früher als Mensch, durch die warme Nacht. Es war eigenartig, denn ich konnte die Wärme nur erfühlen, aber meine Körperfunktion blieb die Gleiche. Meine Temperatur stieg nicht an, ich hatte keinen Herzschlag, ich war einfach da und konnte verschwinden, binnen Sekunden, unsichtbar sein. Das war zwar praktisch, nur eben einfach eigenartig. Mit meinen Gedanken konnte ich viel, sehr viel! Ich konnte mir Kleidung vorstellen und hatte sie dann an. Das tat ich jetzt gerne, denn es war mein Wille. Unweigerlich dachte ich auch an mein früheres Leben, an meine Jugend, an Sergej und an das Leben mit ihm. Ich konnte ihn jetzt auch verstehen, so vieles war mir klar, nur konnten mich, wie immer, viele Menschen hier nicht verstehen. Ausser Lazar, ihn liess ich in meine Gedanken, ausnahmslos. Diesen, sagen wir mal Mechanismus, konnte ich noch immer nicht abstellen. Es wäre leicht gewesen, Nada und die Anderen, in meine Gedanken zu lassen aber...ich tat es nicht. Wie früher, schützte ich, auf eine unkontrollierbare Art und Weise, meine Gedanken. Dabei waren sie gar nicht so interessant, nur eben anders. Als ich jetzt so halb schwebend, halb spazierend, zum Himmel sah, konnte ich nur an die Schönheit der Nacht denken. Ich dachte, wie schön der Vollmond schien, ich bewunderte die Sterne, wie sie um die Wette leuchteten. Ich roch gerne den warmen, leisen Wind. Diese Sinne hatte ich. Ich konnte ertasten und riechen, aber ich konnte nichts schmecken. Das vermisste ich, musste ich mir eingestehen. Ich vermisste den Geschmack von Erdbeeren, von gutem Kaffee, eisklater Cola, Zigaretten und Keksen. Erstaunlich, was man so als Geist vermisste. Ich vermisste auch meine Beautytage. Es war ulkig, dass Nada solche Sachen als ermüdend empfand, doch ich vermisste es. Ich hatte mich gerne früher gepflegt,nur eben auf meine Art und Weise. Ich hatte meiner Haut gerne etwas Gutes getan, ich hatte Gesichtsmasken und Erdbeer Hautpeelings geliebt. Wenn ich es für mich tat, da hatte ich es geliebt! Es war ein grosser Unterschied, ob man sich für sich alleine schön machte, oder ob man dazu gezwungen wurde. Oft war ich einfach in diese Rolle gezwungen worden, in die Rolle der schönen und reichen Gattin des gefürchteten Sergej. Das hatte ich nicht gemocht, das war einfach nur anstrengend gewesen. Die teuren Kleider, der exquisite Schmuck, die überteuerten Schuhe, das luxus Make Up...es hatte sich wie ein Käfig angefühlt, wie eine Maske. Wenn man dazu praktisch gezwungen wurde, dann war das nicht schön, aber wenn man es freiwillig tat...dann war es ein süsses Gefühl der Freiheit. Ich hatte mich gerne, einfach aus Jux, geschminkt, meine Zehennägel in verschiedenen Farben lackiert, Schlammpackungen auf mein Gesicht geklatscht, meine Haare verwöhnt und lange gebürstet. Allerdings hatte sich alles in mir gesträubt, wenn ich wie eine Schaufensterpuppe ausstaffiert worden war! Und trotzdem habe ich geschwiegen und es geschehen lassen. Zuerst, weil ich gedacht hatte, es müsse halt sein, und später dann, war es zur Gewohnheit geworden. Ich liess es einfach geschehen, weil ich keine Lust auf Streit mit Sergej hatte. Ich liess die Stylistin mein Gesicht vollkleistern, liess es zu, dass man an mir herumwerkelte, und bei all diesen Prozeduren, war ich in meiner Welt, meinen Gedanken und Erinnerungen. Wann immer ein Anlass oder ein Bankett stattgefunden hatte, liess ich die Stylistin ihre Arbeit tun, und im Stillen erinnerte ich mich, wie ich als 12 Jährige meinen ersten, rosa, Nagellack gekauft hatte. Ich erinnerte mich, wie sehr ich Lipgloss mit Schokoladen oder Erdbeergeschmack geliebt hatte. Als 15 Jährige, hatte ich mir vor dem Spiegel mein Gesicht als eine Leinwand vorgestellt, sie in zwei Teile geteilt, und diese dann verschieden geschminkt. Mein Vater hatte das süss gefunden, Gesichtskunst hatte er es genannt, aber für mich war es wie eine Therapie gewesen. Es hatte mir auch gezeigt, wie einfach man sein wahres Ich verstecken konnte. Unter den Schichten der Schminke, konnte man sich gut verstecken, und das war, jedenfalls an Sergej's Seite bei diesen blöden Anlässen damals, sehr hilfreich gewesen. So hatte die Stylistin mir oft geholfen, ohne dass es ihr bewusst gewesen war. Hinter der gestylten Maske, hatte ich meine Angst und Unsicherheit verstecken können. Unter den teuren Kleidern und den Diamanten, sah niemand für wen mein Herz geschlagen hatte, niemand sah, wo die blauen Flecken von den Schlägen waren. Für Sergej's Geschäftspartner und ihre Ehefrauen, sah ich einfach aus wie eine perfekt gestylte und schöne Frau. Nach mehreren Stunden auf so einer Veranstaltung, hatte ich dann angefangen, mich dreckig zu fühlen. Ich war eine Lügnerin gewesen, hatte mich selbst belogen und diese Welt, die Welt der Reichen und Schönen, nur als ermüdend empfunden. Solche Gefühle hatten andauernd an mir gezerrt! Ich hatte im Geheimen geliebt, gehofft und geträumt aber in der wirklichen Welt, war ich für mich eine Lügnerin gewesen. Von den überteurten Menüs an wohltätigen Veranstaltungen war mir oft schlecht geworden, von den falschen Lächeln der Menschen, hatte ich Magenschmerzen bekommen, und dennoch hatte auch ich gelächelt, genickt und mich innerlich dafür gehasst. Ich hatte mir oft Flügel gewünscht um weg zu fliegen, um frei zu sein, diese Maske ablegen zu können und einfach frei zu atmen. Doch das war nicht möglich gewesen, so viel war nicht möglich gewesen. Also hatte ich wieder gelächelt, mich mit Menschen unterhalten und war dankbar, denn genau wie man unter meiner Haut die gebrochenen Kochen nicht sehen konnte, so sah niemand unter den luxuriösen Kleidern und dem Schmuck, wie es mir ging. Die Welt der Reichen und Schönen, war eigentlich nur eine Täuschung. Sie täuschten sich und auch alle um sich herum...und auch ich hatte das getan. Hinter jedem Reichtum, jedem abgeschlossenem Geschäft, steckte so viel Böses und Abscheuliches. So war meine Welt der Reichen und Schönen gewesen. Glamour und Luxus den jeder sehen konnte, doch hinter dem Ganzen steckte sehr viel Blut und ich zählte im Stillen die Toten. Es waren so viele Tote gewesen, die ich hinter meinem Lächeln versteckt hatte und dafür habe ich mich immer gehasst. Eine Veranstaltung hatte besonders an meinen Nerven gezerrt, die vierte Wohltätigkeitsgala für misshandelte Frauen und Kinder. Ich hatte neben Sergej gesessen, Sonja und Lazar sassen uns gegenüber, die Kinder hatten sich gelangweilt, der trockene Lachs war serviert worden und ich...ich hätte am liebsten gelacht über die ganze Szenerie, dann geweint, weil ich das Schauspiel fast nicht mehr ausgehalten hatte. Ich hatte bemerkt, wie mein Nikola und Stefan sich unwohl gefühlt hatten, und dann hatte ich Sergej gesagt, dass ich schlimme Kopfschmerzen hätte. Ich wollte dort raus und meine Söhne auch, das hatte ich ihnen angesehen. Sergej musste aber bleiben wegen seiner Geschäfte und ich...ich konnte endlich mit meinen Söhnen alleine sein, nur ein paar Stunden. Nenad hatte uns nach Hause gefahren, ich machte den Jungs Schokomilch und Popcorn, und setzte mich einfach mit ihnen vor den Fernseher. Wir hatten uns George der aus dem Dschungel kam angesehen, hatten gelacht, mein teures Kleid mit Butterpopcorn und Schokomilch eingesaut und dann waren sie eingeschlafen. Ich hatte sie im Fernsehzimmer schlafen lassen, sie gut zugedeckt und Musik für sie spielen lassen. Danach war ich in mein Badezimmer gegangen und hatte mich im grossen Spiegel angesehen. Lügnerin, nur das hatte ich gedacht, bevor ich unter die Dusche ging. Du bist eine Lügnerin Nina, hatte mich mein Gehirn verhöhnt. Ich hatte mir die Haut fast blutig geschrubbt unter der Dusche, hatte aus Verzweiflung geweint, mich dann wieder im Spiegel betrachtet und nur noch geseufzt. Ja, hatte ich gedacht, unter der teuren Kleidung sah man den misshandelten Körper nicht. Man sah die Wunden auf der Seele nicht, alles was man sah, war Geld. Mit diesen Gedanken hatte ich meine nassen Haare zu einem Zopf geflochten, meine Unterwäsche und meinen Bademantel angezogen und war in die Küche gegangen. Wie als junges Mädchen, hatte ich dann angefangen meine Zehennägel zu lackieren, las in meinem Lieblingsbuch, rauchte und trank eiskalte Cola. So fand mich dann auch Lazar. Er sagte nichts, nahm sich auch eine Cola, und setzte sich zu mir. Er hatte das Jackett nicht mehr an, sein weisses Hemd war etwas aufgeknöpft, die Ärmel hatte er nach oben zusammengerollt und er lächelte...er sass einfach da, sah mir zu, lächelte und trank seine Cola. Das tat er so lange, bis er das Schweigen nicht mehr aushielt. "Heute sind es 10 Farben? Und wieder Nora Roberts?" hatte er leise gefragt. Er würde nicht hier sitzen, wäre Sergej auch bald da, das war mir klar gewesen. "Ja, 10 Farben für 10 Zehen. Nenn es eine Art von Beautytherapie Lazo" hatte ich geantwortet und mit meinen Zehen gewackelt "und Nora...ich mag ihre Bücher. Es gibt immer ein Happy End. Die Liebenden finden sich immer irgendwie, die Bösen werden bestraft und selten sterben die Guten. Irgendwie mag ich das Lazo, ich mag es, wenn es ein Happy End gibt. So sollte es auch im wahren Leben sein." Er hatte mich schmunzelnd angesehen und genickt. "Ja Jagodo, so sollte es sein." Nur er hatte mich so genannt und mein Herz war ihm immer zugeflogen, auch an diesem Abend damals. In meinen Gedanken, wollte ich mich auf seinen Schoss setzen, ich wollte mich in seiner Umarmung verstecken und mich geborgen und sicher fühlen. Ich wollte sein Grübchen am Kinn berühren und ihn einfach nur, ohne Scham, betrachten und liebkosen. Doch natürlich hatte ich das nicht getan, es durfte nicht sein. Also hatte ich ihn, so liebevoll wie ich konnte angelächelt, und leicht genickt. Wie gerne hätte ich es ihm gesagt, wie gerne hätte ich ihn geküsst und umarmt, wie gerne..." wo sind Sonja, Danijela und Jovan?" hatte ich stattdessen gefragt. Er hatte kurz geblinzelt und sich geräuspert. "Die Zwei sind im Bett und Sonja wollte noch ein Bad nehmen" hatte er gesagt "ich wollte nur nach dir sehen und mich vergewissern, dass es dir und den Jungs gut geht. Sergej kommt in ein paar Stunden nach, der Veranstalter hatte ihn zugequatscht und will über ein Bauprojekt reden." DER Veranstalter, war ein netter Mann, der nicht offen zeigen durfte, dass er Homosexuell war. Er war mit einer lieben Frau seit 30 Jahren verheiratet, aber glücklich war keiner von Beiden. Nur war das eben ihre Welt der Reichen und Schönen, der Lügen und des Scheins. Jeder versteckte etwas, jeder von ihnen hatte Geheimnisse, die Sergej für seine Zwecke nutzte, wann immer er etwas brauchte. Das war Sergej's Welt gewesen. "Ich mag diesen Mann, den Veranstalter, Lazo. Ich mag seinen Holländischen Akzent und auch, dass er so freundliche Augen hat. Ich würde ihm gerne helfen" hatte ich gemurmelt, Lazar wieder angesehen und, wie so oft, mit den Schultern gezuckt. Lazar wusste genau, was ich meinte, er nickte kurz und seufzte laut. "Man kann nicht jedem helfen Nina, das ist unmöglich, leider. Er ist ein netter Kerl, in einem Alter, wo man sich eigentlich auf seinen Ruhestand freuen sollte. Vielleicht...weisst du Nina, vielleicht kann er ja dann glücklich werden. Wenn er nicht dauernd in der Presse ist, nicht immer von Prominenten und Reichen umgeben, vielleicht kann er dann ein Leben haben, wie er es möchte. Seine Frau verdient auch ein glückliches Leben" hatte er nachdenklich vor sich hin gemurmelt. Ach Lazo, mein Pitbull, hatte ich gedacht. So war er, er glaubte an das Gute auf dieser Welt und wollte manchmal nicht sehen, wie die Welt war. "Oder er outet sich einfach Nina, das wäre viel leichter. Homosexualität wird nicht mehr so verurteilt wie früher und er wäre frei. Seine Frau auch, sie könnten einfach leben." Hm, einfach outen, die Bombe platzen lassen... "ich glaube nicht, dass er das kann Lazo. Er lebt viel zu lange in diesem Lügenmärchen, er hat Kinder und Enkelkinder, er ist der Vorzeigemann dieser blöden politischen Partei. Würde es nur um ihn gehen, dann wäre es ihm sicherlich egal, aber so? Seine Frau würde vor der Presse blossgestellt werden, seine ganze Familie müsste unter den Reportern leiden, und das will er sicherlich nicht. Manchmal Lazo, kommt man aus einem Lügennetz nicht mehr raus" hatte ich geflüstert, mein Herz hatte wie verrückt geschlagen bei diesen Worten. Lazar hatte mich dann, sehr überrascht und auch irgendwie traurig, angesehen. Ja Lazo,wollte ich sagen, ich weiss wie das ist, aber ich hielt den Mund und blickte ihn schweigend an. Ich hatte mir gewünscht, dass er meine Gedanken lesen konnte, doch auch das konnte nicht geschehen. Also schwieg ich weiter und zündete uns eine Zigarette an. Nach längerem Schweigen, hatte er sich wieder geräuspert. "Du hast recht jagodo, du hast recht. Manchmal, muss man einfach die Lüge leben" kam es wie ein Flüstern über seine Lippen. Er war dann aufgestanden, hatte meine Stirn geküsst und meine Nase angestupst. "Ich gehe rüber Kleines, ist das in Ordnung? Brauchst du villeicht noch etwas?" Ich hatte schnell den Kopf geschüttelt und gelächelt, ihm eine gute Nacht gewünscht, um nicht laut zu schreien NEIN GEH NICHT, ICH BRAUHE DICH, ICH LIEBE DICH. Er war dann gegangen, ich hatte die Coladosen entsorgt, hatte den Aschenbecher geleert, meine Nagellacke und mein Buch genommen, und war in das Schlafzimmer gegangen. Dort tat ich dann das, was ich immer tat. Ich stand im Dunkeln am Fenster, so das man mich nicht sah, und hoffte, er würde noch einmal auf seinen Balkon gehen. Nur für eine Minute, nur für 10 Sekunden. An diesem Abend ging er zwar nicht auf den Balkon, aber er stand in der Balkontür. Er hatte sein Hemd nicht mehr an, schaute lange zum Mond hoch und dann in die Richtung unseres Hausteiles. "Ich liebe dich" hatte ich dann, wie so oft geflüstert "ich liebe dich so sehr, dass es mich alles Schlimme vergessen lässt. Gute Nacht Lazare." So war das damals oft gewesen und ich hatte nicht gesehen, was vor meiner Nase war. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass auch Lazar eine Lüge lebte. Wir alle hatten irgendwie, auf die eine oder andere Weise, eine Lüge gelebt. Wir hatten uns, ich am meisten, in den Lügen und dem Schweigen verfangen, und fanden nicht mehr raus. So war das immer mit Lügen. Entweder man beendete sie oder sie nahmen kein Ende...oder sie nahmen dann ein böses Ende. Mein Tot war so ein Ende gewesen. Zwar war es nicht mein böses Ende, aber es hatte sehr vielen Menschen weh getan. Dann hatte ihnen die Wahrheit weh getan, dann kamen die Emotionen hoch, dann starb Sergej, mein Baby kam auf die Welt, Danijela....ach, so viel konnte in einem Jahr geschehen und obwohl ich kein Mensch mehr war, war es doch noch immer verwirrend. So viel geschah, und würde noch geschehen, auch wenn meine Zeit hier um war. Das würde bald geschehen und es würde mir sehr, sehr weh tun. Meine Familie würde Trost finden, sie würden immer füreinander da sein, aber ich...ich würde gehen müssen und alleine warten. Ich würde auf meinen Lazar, in meinem Himmel warten, und egal wie sehr es schmerzen würde, es wäre es wert. Ich würde den Schmerz und die Trauer hinnehmen, in meinen Erinnerungen versunken sein, und auf ihn warten. Er lebte nun keine Lüge mehr, er würde keinen Grund haben, seine ewige Ruhe nicht antreten zu können. Bei ihm würde es nicht so sein wie bei mir. So schön diese uns geschenkte Zeit auch war, war sie auch traurig, schmerzhaft und beängstigend, denn es konnte jeden Moment vorbei sein und ich wäre weg. Es war aber schön, waren fast alle Lügen aufgeklärt, es war schön, wussten so viele aus der Familie, dass ich noch irgendwie da war, aber was genau hatte es mit Lea auf sich? Mir erschien es, als wäre sie eine Art Schlüssel, wie ein Puzzleteil, der einfach seinen Platz in dieser Familie haben musste. Aber wieso? War es ihre Bestimmung? Mein Geistsein zeigte, dass es keine Zufälle gab, und Lea war auch kein Zufall. Sie war nicht Lazar's oder Dejan's Tochter, das spürte ich. Auch Bogdan hatte sie nicht gezeugt und ihre Mutter war nicht mehr am Leben. Wer war der Erzeuger des Mädchens, wer hatte ihre Mutter damals geschwängert? Ihre roten Haare, ihre Augen- und Hautfarbe...so hatte ihre Mutter nicht ausgesehen. Doch auch hier, merkte ich, wie ich blockiert wurde. Gewisse Dinge durfte ich nicht wissen, das war mir bewusst, und das spürte ich auch wieder. "Bitte, nimm sie ihnen nicht weg Herr, ich bitte dich" flüsterte ich zum Himmel hinauf. Eigentlich musste ich ja nicht laut sprechen oder flüstern, nur war es etwas, an das ich mich als Mensch gewöhnt hatte. Auch jetzt, mit dem Blick auf die Sterne, sah ich sie anders als die Menschen. Ich konnte ihre genaue Form sehen, ich verstand wieso die Sternbilder so angerichtet waren, und doch...sah ich sie mir einfach gerne an. Ich spürte auch Bogdan, ich konnte seine Gedanken bis zu mir hören und ich fand es herzerwärmend, dass es ihm nichts ausmachte, was ich alles hörte. Um genau zu sein, war es Bogdan einfach egal! Er sagte immer was er wollte und dachte auch so. Seine Gedankengänge waren faszinierend, etwas angsteinflössend manchmal, sehr ehrlich und, obwohl er das nicht wusste, waren sie rein. Für viele Menschen hätten seine Gedanken keine Logik gehabt oder sie wären vor Angst gestorben, aber für ihn ergaben sie Sinn. Er dachte, um es einfach zu formulieren, wie ein Racheengel. Sein Gewissen war rein, denn er wusste, wen er alles getötet hatte. Jedes Gesicht, jeden Namen hatte er sich gemerkt. Anders als bei mir damals, machte ihm das keine Angst. Die Gesichter der Toten ängstigten ihn nicht, nein, er hatte einfach seine Liste im Kopf. In all diesen Toten, hatte er etwas von Milan erkannt und sie getötet. Er hatte das Böse gesehen und die Welt davon befreit. Ob das der richtige Weg war? Das konnte ich wirklich nicht sagen, aber für Bogdan war er es gewesen. Manchmal war es faszinierend, wie Neven ihn genau beobachtete. Trotz Neven's Intelligenz, wurde er nicht richtig schlau aus Bogdan. Er kannte ihn nun schon eine lange Zeit, aber gewisse Verhaltensweisen von Bogdan und auch seine Art, alles zu beobachten, verstand Neven nicht. Das war auch gut so, denn Neven konnte das gar nicht begreifen, würde es nie können. Bogdan hatte, für all seine Gefühlsregungen...also, als hätte er immer eine passende Persönlichkeit dazu. Wenn er mordete, dann kam diese Seite seiner Persönlichkeit ans Licht. Wenn seine Arbeit dann getan war, kam der Mann hervor, der seine Familie liebte und beschützen wollte. Wenn er mit seinen Kindern spielte und Ausritte organisierte, kam der Mann hervor, der gerne Verantwortung übernahm und anderen eine Freude machen wollte. Bogdan hatte nicht nur gelernt, sich von seinen Taten zu distanzieren, er hatte auch gelernt, eine andere Person zu sein, wann immer es nötig war. So hatte er gelernt, seinen Verstand und seine Seele zu schützen, so konnte er perfekt funktionieren und lieben. Das war es, was Neven nicht greifen und verstehen konnte. Bogdan liebte und fühlte mehr als die Meisten, denn jeder Teil von ihm, jede antrainierte Persönlichkeit, liebte. Alle seine antrainierten Persönlichkeiten liebten Nada und seine Kinder. Er liebte die Menschen auf der Ranch, sah sie als seine Familie, er liebte und hatte die grösste Hochachtung vor Lazar, doch sein ganzes Wesen war nur auf Nada ausgerichtet. Alle seine Sinne waren mit ihrem Geist und ihrer Seele verbunden. Es gab eben keine Zufälle, das wusste ich. Ich wusste genau, wie Bogdan fühlte, ich wusste wie es sich anfühlte und ich wusste, wie schwer es war. Mein halbes menschliches Leben, hatte ich genau so gefühlt, genau so geliebt und war für diese Liebe gestorben. Das war mein Schicksal gewesen, meine Bestimmung. "Wieso geisterst du hier herum und starrst zum Himmel?" seine Frage brachte mich zum Schmunzeln. Er wusste es doch eigentlich. "Wieso bist du wach und redest mit einem Geist, während der Geist zum Himmel sieht?" fragte ich zurück, was ihn dann zum Grinsen brachte. "Ich spüre es irgendwie, nur verstehe ich es nicht. Du musst bald gehen, nicht wahr?" Ich nickte leicht und sah dann zu ihm. Ein sehr schöner Mann war Bogdan, das konnte keiner bestreiten, nur sah ich mehr als die fleischliche Hülle. Ich konnte die verschiedenen Farben seiner Seele sehen, ich konnte sehen, wie sie sich abgespaltet hatten und um ihn herum brannten. Seine Seele war aus vier Farben zusammengesetzt, genau wie sein Wesen vier Teile hatte. Er war anders, denn eigentlich hatten Menschen nur eine Seelenfarbe. Der Herr hatte bei Bogdan von Anfang an seine Pläne gehabt, so sah ich das. Die dunkelste Farbe aber, wurde immer schwächer, und das fand ich schön. Bogdan's Wesen heilte Stück für Stück, jedes Jahr, jeden Tag. Der Mörder war nicht mehr so präsent, wie er es früher war. "Du hast recht Bogdane, bald muss ich gehen und du willst es nicht verstehen. Du könntest, aber du weigerst dich. Du weigerst dich, zu verstehen, dass ich nicht in diese Welt gehöre, nicht mehr" sprach ich seine Gedanken aus. "Das stimmt. Was soll es denn bringen, wenn du wieder gehst? Sie werden alle traurig sein, sie werden dich vermissen, sie werden...Nina, wird Lazar das aushalten können?" fragte er direkt und sehr besorgt. Das war die vierte Seite seines Wesens, dachte ich seufzend. Das verlassene Kind, dass sich Sorgen machte und die Angst zu verdrängen versuchte. "Unser Lazar, wird das verkraften. Er weiss, dass es so sein muss und er weiss, dass er seinen Platz neben mir nie verlieren wird. Das weisst du doch Bogdane, du weisst, dass er alles aushalten kann. Nicht das bedrückt dich, nicht wahr?" fragte ich sanft und sah, wie er leicht nickte. Armer Junge, nur das konnte ich denken. Ich musste es ihm leichter machen, denn es tat auch mir weh, diesen Kummer zu spüren, der gerade auf ihm lastete. "Es tut mir leid Bogdane, wahnsinnig leid. Ich weiss, wie sehr du dir immer eine richtige Familie gewünscht hast. Ich weiss, wie sehr du es geliebt hast, einen Bruder zu haben. Ich weiss, wie schlimm es für dich war, als du alles über ihn erfahren hast. Es kam dir damals vor, als hätte er dich auch verlassen, denn du fühltest dich getäuscht. Es tut mir leid" flüsterte ich, beobachtete wie sich seine Augen kurz weiteten und wie er dann laut schluckte. "Nicht durch seinen Tod hat er dich verlassen, du denkst, er hat es schon vorher getan, denn er hat dich verraten. Verrat schmerzt, das weiss ich, nur kannst du nichts dafür Bogdane. Sergej's Seele war einfach krank und auch er, konnte nichts dafür. Hasse ihn nicht, bitte. Du darfst deinen Bruder vermissen Bogdane. Den Bruder, der er für kurze Zeit war. Den witzigen, intelligenten, arroganten und verletzten Bruder. Den haben alle gemocht, wenn er es zeigte. Das war eine Seite von ihm, eine gute und schöne Seite, die leider von der Schlechten übernommen wurde. Du bist nicht so Bogdane, glaub mir bitte. Bei dir geht es in die andere Richtung, du entwickelst dich anders." Ich sah den Zweifel in seinen Augen, aber ich konnte auch Hoffnung sehen. "Dann...willst du damit sagen, dass ich nicht so ein Mistkerl werden werde? Denkst du, das Böse in mir, wird mal verschwinden?" Ich rechnete ihm diese Frage hoch an, denn das war seine grösste Angst. Ich stellte mich genau vor ihn, fixierte ihn mit meinem Blick so gut ich konnte und schüttelte langsam den Kopf. "Nein, niemals Bogdane. Du fühlst und denkst anders, du liebst so tief, dass er dir weh tut und, das ist das Wichtigste, du willst niemandem schaden. Du brauchst das Töten nicht, es ist nicht ein Teil von dir. Bitte glaub mir das, denn das sehe ich und habe es immer gesehen. Ich...weisst du, ich habe die Menschen schon immer anders gesehen. Ich dachte, ich wäre verrückt, doch dem war nicht so. Ich konnte sehen, dass sie etwas umgibt, nur konnte ich es mir nicht erklären. Mit der Zeit habe ich es dann begriffen. Ich konnte schon immer, die Aura der Menschen sehen und habe es bei dir auch gesehen. Es ist ähnlich wie bei dir Bogdane, nur siehst du das Böse in ihnen. So einfach ist das. Das ist ein Instinkt, der dir das Leben leichter gemacht hat und auch, der dir das Töten einfach gemacht hat. Du hast es ihnen angesehen, hast es fast schon gerochen, und deshalb konntest du sie ohne schlechtes Gewissen töten." Er runzelte kurz die Stirn und zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. Ich hob meine Hand und legte sie auf seinen Herzschlag. Warm war seine Haut unter der Kleidung, sein Herzschlag kräftig, seine Seele verängstigt. "Du bist nicht schlecht, du bist nicht böse und auch nicht abscheulich. Du hast, jedenfalls sehe ich das, eine schöne und traurige Seele. Du hast ein gutes Herz, das musst du mir glauben. Jemand ohne eine gutes Herz, könnte nicht so lieben wie du. Ein böser Mensch, würde Kinder nicht retten." Ich umarmte ihn fest, denn ich wollte so gerne, dass er mir glaubt. Bogdan erwiderte diese Umarmung und atmete leise aus. "Verzeih mir bitte, dass ich bald gehen muss Bogdane" sprach ich aus, was noch auf ihm lastete. Er wollte nicht, dass ich ging. Das Kind in ihm, weinte schon jetzt. "Ich bin nicht sauer, dass du gehen wirst, nur tut es weh. Das nervt, ehrlich, es ist beschissen Nina. Du hast mich so viel sehen lassen, du hast uns allen so geholfen und du... dank dir weiss ich, dass ich in Liebe gezeugt wurde. Ich will einfach nicht, dass du gehst. Du gehörst zu uns, du bist ein Teil dieses komischen Haufens und..." er konnte nicht alles aussprechen, denn es tat ihm weh. Er suchte verzweifelt nach Worten, damit ich ihn nicht falsch verstehe. "Bogdane, es ist in Ordnung. Es ist nicht falsch, dass du mich lieb hast. Das darfst du, ehrlich. Du bist nicht verrückt, weil eine Tote dir viel bedeutet" witzelte ich und brachte ihn damit zum Grinsen. Er atmete laut aus und sah mich dann lächelnd an. "Darf ich dir etwas anvertrauen Nina?" flüsterte er. "Natürlich. Geheimnisse sind bei Toten gut aufgehoben." Er verdrehte die Augen und lachte leise. Er wusste, ich würde schweigen, egal um was es ging. " Damals hielt ich Sergej für pervers, als er dich kennenlernte. Gleichzeitig kapierte ich nicht, wieso er so besessen von dir war. Dann aber...in Kanada. Ich wusste nicht, wieso ich mich so neben dir fühlte, es war eigenartig und fremd. Ich fand dich schön, ja, nur kapierte ich...ich verstand nicht, wieso ich herzklopfen neben dir hatte. Es tat fast weh, als du mir in die Augen gesehen hast und mich dann traurig angelächelt hast. Dann habe ich Lazar und dich beobachtet, aber erst als du gestorben bist, habe ich es verstanden. Ich habe mich einfach wohl gefühlt damals. Du wusstest alles über mich, du hattest keine Angst vor mir und du...eigentlich hast du mich wie ein Kleinkind behandelt. So warst du, immer. Das ist es, was so anziehend an dir war Nina. Du hast allen immer das Gefühl gegeben, dass sie willkommen sind. Man fühlte sich in deiner Nähe einfach wohl, weil du einfach nicht hassen kannst. Du verurteilst nie, hast es nie getan. Du hast einem immer ein Gefühl von Geborgenheit vermittelt, und das war es, was mich so nervös gemacht hat. Das habe ich nicht gekannt und es hat mich verwirrt. So warst du, und bist es auch jetzt noch. Ich fühle mich gut, wenn du da bist, denn das strahlst du aus, hast du immer schon. Deine Nähe...naja, es ist, als hättest du die Geborgenheit erfunden" sagte er ehrlich und überraschte mich dann doch etwas damit. Geborgenheit? Das vermittelte ich? "Es ist fast so, als würdest du das Schlechte verschwinden lassen. Es ist sehr leicht, sich neben dir zu entspannen, nur habe ich das damals nicht einordnen können. Es war schön und beängstigend zugleich. Das Nina, hat dich immer ausgemacht. Nicht deine Schönheit war so anziehend, es war dein Wesen, dein Verständnis und deine Intelligenz, die du immer versteckt hast. Es ist fast schon gruselig, wie liebevoll du bist und es warst. Das hat Sergej angezogen, das wurde zu seiner Besessenheit, das hat dich getötet. Du warst, deine Reinheit in deinem Wesen, war zu gut für diese Welt. Nicht wegen der Liebe bist du gestorben, sondern weil du zu gut warst. Du hättest ihn vergiften, erschiessen, ertränken oder verbrennen können. Du wärst frei gewesen, Lazar hätte dich und die Kinder dann verschleppt und du wärst glücklich geworden. Doch du hast das nicht getan, nichts davon. Dein reines und gutes Herz Nina, das hat dich getötet und dafür hasse ich das Schicksal" sagte er traurig und streichelte vorsichtig meine rechte Wange. Ich konnte ihm lange nicht antworten, zu überrascht war ich. "Vor vielen Jahren, hat mir Miloš's Vater gesagt, ich wäre ein viel zu gutes Mädchen und soll mich von Sergej's Welt fernhalten. Als Milan dann gestorben ist, sagte Lazar das Selbe wie du eben. Mich würde mein gutes Herz einmal umbringen...nur, ich wusste nicht, wie ich hätte anders sein können. Vielleicht hat es mich ja umgebracht, aber ich konnte doch nicht...er war Stefan's Vater. Er hat mir ein Leben ermöglicht, er hat mir Stefan geschenkt und...Bogdane, ich konnte und ich kann ihn nicht hassen. Ich werde es nie können, denn ich bin einfach dankbar, für 17 Jahre Sicherheit. So sehe ich das" mehr konnte ich nicht erklären, denn es wäre zu verwirrend für ihn. "Ja, so bist du, und weil du so bist, muss ich dich um etwas bitten. Lea...sie hat Fragen, wichtige Fragen, aber sie traut sich nicht, Lazar anzusprechen. Kannst du ihr...zeigen? Keine Ahnung wie ich das nennen soll, aber kannst du dich in ihren Kopf schmuggeln und sie...naja, träumen lassen, damit sie irgendeine Erklärung für so vieles hat. Sie will verstehen, wen Pitbull geliebt hat, was es mit Stefan und Danijela...ach Nina, hilf mir! Ich habe keine Ahnung, was ich meiner Lea sagen darf. Also wirst du das tun denn du bist tot und Gott mag dich anscheinend!" So bockig und verzweifelt wie er klang, hätte man auch annehmen können, er wäre ein nervöres Teenie! Das war wirklich witzig! "Klar Bogdane, das mache ich" sagte ich lachend, während der Arme erleichtert ausatmete. Nur....was genau sollte ich Lea alles zeigen? Tja, ich musste mit meinem Pitbull sprechen, jetzt! Ich konnte noch sehen, wie Bogdan zusammen zuckte, als ich plötzlich weg war. Es war wirklich praktisch ein Geist zu sein.

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Hope Hoffnung Nada
RomansaKurze Info: vielleicht solltet ihr zuerst das andere Buch lesen. Es heisst: My Destiny In diesem Buch werden die Hauptcharaktere aus My Destiny, öfter vorkommen und Nina's Geschichte wird sich hier klären. !!!Achtung!!! In dieser Geschichte kommt de...