Kapitel 54.3

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Als wir das Polizeiboot sich uns nähern sahen, sprach Bogdan wieder und riss mich aus meiner Lethargie. Wie lange sassen wir überhaupt schon im nassen Sand?
"Ich habe Neven vorhin angerufen. Er ist schon unterwegs nach London zu Maja und wird ihr eine Geschichte auftischen. Der Polizei sagst du, er hätte dich einfach nur bis zum Steg begleitet und kehrte dann um, weil sich deine Cousine grosse Sorgen macht. Hast du das verstanden? Lass mich so viele Fragen wie möglich beantworten und rede so wenig wie es geht Nado. Hast du mich verstanden?" fragte er noch einmal leise und ich nickte. Natürlich hatte ich das verstanden aber ich brachte kein Wort raus. Eigentlich wollte ich nur kotzen und zum ersten Mal im Leben wollte ich mich bis zur Bewusstlosigkeit betrinken. Ich hatte geahnt, dass es schwer werden würde aber dass ich so schlimme Schuldgefühle haben würde, das überraschte mich wahnsinnig.
Bogdan erhob sich, begrüsste die Polizisten mit einem Nicken und zog mich auf die Beine. Eine Polizistin lächelte mich mitleidig an und wieder fing ich an zu weinen. Diesen mitleidigen Blick verdiente ich nicht, ich war eine Mörderin und fühlte mich abscheulich.
"Ihre Frau hat ihn also gefunden?" fragte ein älterer Polizist und gähnte gleichzeitig.
"Ja. Ich war leider zu spät da, mein Flugzeug hatte eine Verspätung beim Start aus New York. Meine Frau hat ihn hier draussen gefunden, bekam Panik und rief mich an. Ich war dann nach einer halben Stunde hier  und fand meine Frau im Sand sitzend und weinend vor. Sie sagte kein Wort, weinte nur. Dann habe ich meinen Bruder gesehen und sie sofort angerufen" hörte ich Bogdan sagen. Seine Stimme klang sehr belegt. Seine Haltung machte einen müden Eindruck und er fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Ich konnte nicht glauben was ich hörte. An diesem Morgen hatte ich seinen Bruder getötet doch er stand hier und belog die Polizei für mich und machte das ausgezeichnet.
"Wir würden gerne kurz mit ihrer Frau sprechen. Wir verstehen ihre Sorge aber das muss sein" meldete sich die Polizisten in einem angenehmen Englisch zu Wort und ich blickte automatisch zu ihr. Sie lächelte mitfühlend und sah mir direkt in die Augen.
"Was haben sie gesehen?" Was ich gesehen hatte? Wenn du wüsstest, was ich alles gesehen, gehört und getan hatte, dann würdest du mich nicht so mitfühlend ansehen, dachte ich für mich.
"Die Flaschen, das Glas und ihn. Er hat nichts gesagt" antwortete ich schleppend und fühlte mich beschissen, diese nette Frau so anzulügen. Sie war sehr nett und hatte freundliche Augen, das konnte sie einfach nicht verstecken oder sich verstellen. So war sie einfach. Das glaubte ich zumindest sehen zu können. Und ich, Mörderin, stand vor ihr und log sie an.
"Wo ist ihr Handy?" fragte sie mich und dabei runzelte ich die Stirn. Tja, das würde ihr auch nicht gefallen.
"Es ist ins Meer gefallen als sie sich Übergeben musste, ich kann es für sie suchen gehen. Es sollte irgendwo dort sein, wo wir auf sie gewartet haben" antwortete Bogdan für mich und die Polizistin nickte mitfühlend.
"Das wäre sehr freundlich und würde uns Zeit ersparen, danke" sagte sie zu Bogdan, der sich sofort auf den Weg machte.
"Mein herzliches Beileid für ihren Verlust, bitte verzeihen sie diese Fragerei" sagte sie noch leise und ich umarmte mich selbst, spürte wie meine Hände zitterten.
"Mir tut es leid, dass sie jetzt so viel zu tun haben. Bitte verzeihen sie" flüsterte ich ihr zu. Ich wusste nicht was ich sonst sagen sollte, denn die Wahrheit kam nicht Infrage. Zu viele Menschen würden in das alles verwickelt werden, zu viele Dinge würden aufgerollt werden und mein Bogdan wäre sehr verdächtig. Das durfte nicht geschehen.
"Das ist unsere Arbeit. Bitte setzen sie sich, sie sehen sehr mitgenommen aus" bat sie mich und ich tat augenblicklich was sie wollte. Ich wollte auch nicht mehr stehen.
Eigentlich wollte ich mir nur die Haut blutig schrubben um mich nicht mehr so dreckig und schuldig zu fühlen. Doch auch das konnte ich jetzt nicht, nichts konnte ich jetzt tun, also setzte ich mich in den feuchten Sand und hielt die Klappe.
"Das Display ist zebrochen, tut mir leid. Keine Ahnung ob es noch funktioniert, entschuldigen sie. Darauf habe ich nicht geachtet" hörte ich Bogdan sagen. Die Polizistin verzog leicht die Lippen als sie das Handy sah und wollte es eintüten.
"Das wird nicht nötig sein Kollegin. Ich war gerade im Bungalow, alles riecht nach Alkohol und drinnen sind sieben leere Flaschen. Eigentlich ist der Fall klar. Der Beamte für plötzliche Todesfälle sagt das Selbe. Eine Autopsie wird gleich Heute noch gemacht und die Spurensicherung ist ja auch schon da. Die Schwägerin des Toten hat wohl genug gesehen, sie ist ja kaum ansprechbar. Hr. Milenković" wandte er sich wieder an Bogdan "ich nehme an, sie werden nicht hier bleiben?"
"Nein wir kommen mit ihnen mit auf das Festland. Sie muss hier weg. Wir werden in einem Hotel auf weitere Nachrichten von ihnen warten, geht das?" fragte Bogdan mit müder Stimme. Der Polizist nickte und sagte ihm auch gleich, welches Hotel in der Nähe der Polizeistation sei. Das wäre am besten, sollten wir noch einmal mit ihnen reden müssen. Die Polizistin reichte mir das kaputte Handy und sofort spürte ich, wie Bogdan mich hochhob. Er trug mich Richtung des Polizeibootes und sagte kein Wort mehr. Er hielt mich nur fest an sich gedrückt, während wir auf die Wellen und das Meer sahen.
Genau in diesem Moment verabscheute ich mich und fragte mich, wie Bogdan das Morden nur ausgehalten hatte. Es fühlte sich widerlich an.




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