Kapitel 1

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"Nada, mach doch Feierabend. Das war ja unser letzter Patient für Heute."
Sagte Dr.Samuels mit diesem gütigen Lächeln.
Er war ein sehr lieber Mann, 55 Jahre alt und benahm sich mir gegenüber sehr Väterlich.
"Ich bin gleich fertig Dr.Samuels. Ich muss nur noch die Termine für Montag überprüfen." Antwortete ich ihm leise und lächelte.
Dr.Samuels nickte und sah mich nachdenklich an.
"Nada du arbeitest fast zwei Jahre in meiner Praxis. Wieso nennst du mich nicht James? Das habe ich dir doch mindestens 50 Mal gesagt" meinte er schmunzelnd.
Was sollte ich da schon sagen?
Sie sind ein netter Mann, ein toller Arzt aber ich könnte kotzen wenn mir ein Mann zu Nahe kommt oder wenn ich ihn dutzen soll?
Das wäre keine gute Antwort.
"Tut mir leid Doc. Irgendwie erscheint es mir respektlos. Sie sind mein Chef und ein ganz toller noch dazu" redete ich mich irgendwie heraus und versuchte meinen Herzschlag zu kontrollieren.
"Dann nenn mich Doc, tut meine Frau auch. Vorallem wenn sie sauer auf mich ist" witzelte er fröhlich und lachte dann über seine eigenen Worte.
Wenn er lachte dann strahlte sein ganzes Gesicht und seine Brille hüpfte auf seiner Nase.
Ja, der Doc war ein sehr lieber Mann.
Nicht alle Männer sind Monster Nada, zickte mich mein Gehirn an.
"Okay Doc. Ich wäre dann fertig." sagte ich leise und freundlich und setzte dieses freundliche Lächeln auf.
Darin war ich echt gut geworden.
Lächeln und nichts von den eigenen Gedanken verraten.
"Du bist die beste Praxisassistentin die ich je hatte! Wärst du vorletzten Sommer nicht aufgetaucht, dann hätte ich grosse Probleme bekommen."
Das brachte mich tatsächlich zum Schmunzeln.
"Sie Doc, sind der beste Chef den man sich wünschen kann. Vielleicht habe ich ihnen das noch nie gesagt aber... ich danke ihnen. Danke für diese Chance!" Es fiel mir schwer meine Gedanken und Gefühle richtig zu formulieren und ich wollte nie zu viel verraten.
"Meine Frau hatte recht, wie immer. Sie sagte, du würdest toll zu uns passen."
Er strahlte immer wenn er von seiner Frau sprach.
Ja so etwas gibt es...oder gab es mal.
"Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Doc, bis Montag!" verabschiedete ich mich und griff nach meiner Jacke.
Es war Mai aber noch immer sehr kalt.
Naja, kalt für mich.
Ich hatte immer kalt.
"Machst du denn etwas dieses Wochenende? Möchtest du zu uns zum Abendessen kommen?" der Doc sah auf seine Uhr und schnappte sich seine Tasche "weisst du Nada, du bist so ein hübsches Mädchen. Gehst du auch mal aus? Du wohnst ja sehr abgelegen, das bereitet mir etwas Sorgen." sagte der Doc mit diesem forschenden Blick.
"Ich bin gerne für mich allein Doc und gehe nicht gerne aus. So, bis Montag!" rief ich ihm noch zu und verschwand eilig.
Ich wollte keine Fragen beantworten.
Der Doc war ein lieber Mann, seine Frau die einzige Hebamme in diesem Städtchen.
Mit mir waren es knapp 1600 Einwohner nur wohnte ich nicht im Zentrum und würde es auch nie tun.
Ich wohnte in einem kleinen Häuschen in der Mitte zwischen der Stadt und irgendwelchen Farmen oder Ranch's.
Mit dem Auto brauchte ich bei viel Schnee 45 Minuten bis zur Arbeit aber genau das wollte ich.
Irgendwo hinter dem kleinen Wäldchen nach dem Fluss, gab es einige Farmen und sonst nichts.
Mein Häuschen hatte eine kleine Wohnküche, ein schönes altmodisches Bad und ein Schlafzimmer.
Mehr brauchte ich nicht.
Der Doc hatte es mir sehr günstig vermietet, weil es so klein war und niemand es wollte.
Es war ein süsses Häuschen und ich durfte streichen wie ich wollte.
Die Holzschränke hatte ich in einem schönen Eierschalen Ton gestrichen damit es heller aussah.
Ich hatte einen kleinen weissen, runden Tisch und zwei Stühle gefunden und sie auch lackiert.
Sie sahen aus wie in den Bistros in Paris und mir genügte es.
Ich ass immer allein.
Mein Ecksofa war eisgrau, davor stand ein runder Couchtisch auch in Eierschale und ein kleiner roter Teppich ergänzte den schönen, alten Parkettboden.
Einen Fernseher hatte ich nicht und wollte ich nicht aber dafür waren meine Wände voll mit Büchern.
Alle die ich mitnehmen konnte und alle die ich mir hier ergatterte.
Ja, ich mochte mein Häuschen. Es waren zwar nur knapp 50m2 aber mehr brauchte ich nicht für mich allein und für meinen kleinen Yorkshire Terrier.
Als mein kleiner Max auf mich zusprang, lachte ich richtig.
Er liebte mich und ich ihn.
Er war ein toller kleiner Hund, mutig und mit einem abstehenden Ohr.
Ich durfte ihn auch in die Praxis mitnehmen und dafür war ich dem Doc sehr dankbar!
Nur wenn wie heute, Misses Miller einen Termin hatte, dann blieb er Zuhause.
Misses Miller hatte eine Bakterienphobie und machte den Doc wahnsinnig mit ihren Getue aber mich störte das nicht.
Eigentlich störte mich nichts, mir war sehr viel egal.
Ich mochte meine Arbeit und den Doc, ich liebte meinen Max und meine Bücher aber sonst...war mir alles egal!
Ich lebte schon lange in meiner Gleichgültigkeit und vermied es, mich mit jemanden anzufreunden.
Von Männern hielt ich mich fern, ich ging nie aus und blieb nur für mich.
Das war gut für mich, das tat meiner Seele gut.
Aber ich vermisste meinen Vater sehr.
Sein dritter Todestag war schon vorbei und das machte mich immer sehr traurig.
Mein Papa war ein wundervoller, grosser Mann gewesen mit freundlichen grünen Augen und sehr vielen schwarzen Haaren.
Die Augen habe ich von meinem Papa geerbt aber sonst?
Ich war blond, sehr blass und knapp 1.65 und wog 70kg.
Schon lustig, früher hatte mich das gestört.
Ich wollte immer brauner sein aber jetzt?
Nichts störte mich, ich wollte mur meinen Frieden und sah mich seit Jahren nicht mehr richtig an.
Früher, als etwas arrogante 16 Jährige, hatte ich mich hübsch gefunden und meinen Busen vergöttert.
Jetzt war mir das egal.
Ich war nicht mehr eitel und würde es nie wieder sein.
Wäre ich damals anders gewesen...dann wäre ich jetzt wohl nicht hier, komplett alleine mit 21 und einem Hund als besten Freund.
Während ich meinen Max Futter gab und mir dann einen Kaffee machte, konnte ich nur meinen Kopf über mein früheres Ich schütteln.
Wie dumm und eitel ich doch war!
Mit meinen Winstons ging ich auf meine kleine Terrasse und sah mir die grüne Landschaft an.
Würde ich mich jemals an diese Weite und diese Kälte gewöhnen?
West Yellowstine lag auf einer Höhe von etwas mehr als 2000m und Nachts hatten wir gerade mal 3° im Mai.
Von November bis ende März war es hier eiskalt. Im Januar waren es -23° gewesen.
Vielleicht aber weigerte ich mich nur diese Landschaft schön zu finden oder ich hatte vergessen was schön ist.
Seufzend sah ich auf den 50 Meter entfernten kalten Fluss.
Ich war das Problem, niemand und nichts sonst!
Genau wie damals...
Damals war auch ich das Problem gewesen.
Wäre ich nicht so dämlich gewesen, dann hätte ich mich nicht in ihn verliebt.
Alles wäre anders gewesen, hätte ich meine Eitelkeit unter Kontrolle gehabt und auf meinen Vater gehört.
Auch mein Vater wäre noch am Leben, wenn ich normal gewesen wäre.
Egal was die Polizei gesagt hatte, egal was der Psycho Doc sagte.
Ich war schuld an seinem Tod und niemand konnte mich vom Gegenteil überzeugen.
So bin ich auch hier gelandet. Eigentlich war ich geflohen, hatte meinen Nachnamen zuerst ändern lassen und dank der Lebensversicherung meines Vaters floh ich Hals über Kopf in die USA.
Eigentlich stimmte das nicht.
Ich hatte es sechs Monate geplant und aus Angst war ich geflüchtet.
Ich hatte nur die Gerichtsverhandlung abgewartet und bin dann geflohen.
Die Gesetze waren schon komisch...
Für all das was er angerichtet hatte, bekam er nur 8 Jahre...
Aber eigentlich war ich an dem Ganzen schuld.
Mich hätte man auch einsperren sollen.
Seufzend wischte ich mir die Tränen weg und nahm meinen Max auf den Arm.
Wenigstens hatte ich meine Ausbildung abgeschlossen, nur das hatte mir geholfen und war meine Rettung gewesen.
Sonst hätte ich nie beim Doc arbeiten können.
"Komm Max, gehen wir etwas kochen und dann lesen."
Der süsse Max hechelte und leckte mir über mein Kinn.
Ja, er verstand und liebte mich.

Hope Hoffnung NadaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt