Kapitel 34

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Es dauerte wirklich lange, bis ich einigermassen normal laufen konnte.
Die Brandwunden an den Zehen waren nach sechs Wochen komplett abgeheilt.
Meine Finger auch aber meine Schulter tat mir noch weh. Die Nerven heilten und genau das, tat auch so weh.
Nach sechs Wochen, liess Bogdan den Doc zu mir und ich erfand eine Geschichte.
"Mein Gott Nada, was Menschen nicht alles aus Eifersucht tun. Nur weil ihr wohlhabend seid. Unglaublich!"
Der Doc untersuchte mich gründlich und als ich wieder angezogen war, setzte er sich neben mich.
"Die Schulter heilt sehr gut, die Muskeln in den Oberschenkeln sind komplett verheilt, der Arzt und Lazar haben das gut gemacht" fing er an und räusperte sich "Lazar erzählte mir, dass du starke Unterleibsblutungen hattest. Der Arzt hat nur die Eierstöcke drinnen gelassen. Es tut mir leid Nada" sagte er bedauernd.
Ja, das hatte ich schon vermutet.
"Das ist okay James, ich habe doch drei wundervolle Kinder. Ich bin nur froh, dass ich am Leben bin."
Das entsprach der Wahrheit, ich wollte nur ganz gesund werden.
Ich wollte meine Kinder richtig umarmen können und Maja mit ihren Babys helfen.
"Du bist sehr stark, ich bewundere dich. Und mit dieser grossen Familie, wirst du Kinder auch nicht vermissen. Alleine Lazar und Sonja, könnten einen Kontinent bevölkern" kicherte er vergnügt.
"James ist der HIV Test wirklich sicher?" Nur das bereitete mir Sorgen.
"Wir haben vor drei Tagen einen gemacht und machen ihn in drei Wochen noch einmal. Er ist sicher und der Erste war negativ. Hat er dich vergewaltigt?" fragte der Doc leise und mitfühlend.
"Nein, aber ich habe keine Ahnung wo die Messer oder dieser widerliche Katheter vorher waren."
James schloss traurig die Augen und schüttelte seinen Kopf.
"Menschen sind die schlimmsten Tiere Nada. Es tut mir so leid meine Kleine."
Ich umarmte ihn und drückte ihn fest an mich.
"Er ist tot James, das erfreut mich mit grosser Freude" flüsterte ich ihm zu.
Er sah mir dann nachdenklich in die Augen und nickte.
"Mich auch, wenn ich ehrlich bin. So ein Ekel im Gefängnis, mit unseren Steuern, aushalten zu müssen, ergibt keinen Sinn" sagte er leise und räusperte sich "pass mit der Schulter noch auf. Ich lasse dir die passenden Schmerzmittel da. Und du darfst die Schiene für's Duschen abziehen" erklärte er ruhig " ach, wer hat euer Wohnzimmer umgestaltet? Ein Innendekorateur?  Das sieht grossartig aus Nada. Eli will unbedingt den Namen der Person."
Ich lachte vergnügt auf.
"Sergej, das war Sergej James."
Seine Kinnlade fiel ihm runter und er bekam Augen, so gross wie Untertassen.
"Frag ihn ruhig, er wird es gerne machen. Nur musst du dich auf eine enorme Summe gefasst machen" sagte ich kichernd.
Er nickte grüblerisch und lächelte dann.
"Das werde ich tun, der Mann hat einen ausgezeichneten Geschmack! Dein Wohnzimmer sieht wie aus einem Märchen aus. Wahnsinn, was er da gemacht hat. Diese Pastelltöne, die neuen Wandfarben und diese gigantische, eisgraue Wohnlandschaft" murmelte er schwärmerisch.
"Ja Sergej hat einen ausgezeichneten und sehr teuren Geschmack" bestätigte ich stolz.
Er nickte, verabschiedete sich und liess mich allein.
Ich war sehr stolz auf Sergej. Er hatte sich auch eines der Gästezimmer so eingerichtet, wie er wollte, mit der Begründung, seine beste Freundin regelmässig besuchen zu wollen.
"Sie ist deine Schwägerin du Idiot" hatte Bogdan ihm gesagt aber Sergej hatte ihn nur arrogant angesehen.
"Kleiner, die Familie kann man sich leider nicht aussuchen. Man muss sie gerne haben, oder zumindest sollte man sie nicht töten. Aber Freunde, die man von Herzen liebt, die sind etwas Besonderes. Sie ist vielleicht meine Schwägerin aber gleichzeitig ist sie auch meine beste Freundin."
Bei seinen Worten hatte ich ihn angestrahlt.
"Wenn dir das nicht passt Bruderherz, dann musst du dir ein anderes Haus suchen, denn ich werde oft hier sein."
"So wie ein Hausgeist" hatte ich lachend gesagt und er hatte vergnügt gelacht.
"Genau. Ich bin doch auch dein bester Freund, oder?"
Das war er tatsächlich, musste ich mir dann eingestehen.
"Das bist du. Du versorgst mich mit den besten Zigaretten die es gibt, das tut nur ein bester Freund."
Bogdan hatte uns angesehen, als wären wir verrückt.
Tatsache war aber, dass Sergej mich am Besten verstehen konnte und ich ihn.
Nach so einem Vorfall, nach so vielen ähnlichen Erfahrungen, entstand einfach ein Band.
Komisch, dachte ich.
Das Leben spielte nach seinen eigenen Regeln und verband uns mit Menschen, wie es wollte.
Lächelnd stand ich langsam auf und bewegte meine Oberschenkelmuskeln.
Langsam ging ich in das Badezimmer, nahm die riesige Schiene vorsichtig ab und zog mich aus.
Ich brauchte unbedingt eine Dusche.
Das warme Wasser tat so gut, es fühlte sich fast wie eine Massage an.
Vorsichtig bewegte ich meine Schulter und bemerkte erleichtert, dass es schon viel besser ging.
Danach zwang ich mich, mich im Spiegel anzusehen.
Die Blutergüsse waren alle verschwunden aber die Narben auf meinen Oberschenkeln und auf meinem Bauch leuchteten noch immer rot.
Sie würden mit der Zeit verblassen aber die Narbe auf meinem Bauch, sah nicht schön aus.
Sie hatte eine Einbuchtung, sah irgendwie Sternförmig aus.
Ja, ich verstand Sergej sehr gut und er mich auch.
Man konnte seine Gefühle abschütteln, die Erinnerungen verblassten mit der Zeit aber jedes Mal, wenn man seinen Körper ansah, erwachten die Erinnerungen wieder und die Narben liessen einem nicht vergessen.
Mein Bodgan hatte auch Narben aber er war stolz darauf.
Bei mir und Sergej war das anders, die Narben ermüdeten uns irgendwie.
Seufzend nahm ich ein flauschiges Tuch und wollte mich irgendwie einwickeln, als mein Bogdan neben mir auftauchte.
"Ich mache das. Ich trockne dich ab und stecke dich in eines meiner Shirts, dann ziehe ich dir die Schiene an."
Er sah mich liebevoll an und ich fragte mich, mit was ich diesen Mann nur verdient hatte.
Halb angezogen ging ich zu meinen Schrank und suchte mir eine Jogginghose.
Ich musste raus aus dem Schlafzimmer.
"Wo willst du hin?" fragte mich mein Bogdan.
"Zu unseren Kindern und zu unserer Familie. Ich muss meine Muskeln bewegen, mich wieder an das Laufen gewöhnen und die Treppe alleine meistern" erklärte ich ihm sachlich "und, das Wichtigste, ich will nicht mehr eine Gefangene in unserem Schlafzimmer sein."
Bei diesen Worten riss er erschrocken die Augen auf.
"Gefangene? Nein, das wollte ich nicht. Ich wollte nur, dass du dich erholst."
Mein Schöner, dachte ich nur.
"Das weiss ich mein Dämon aber das Leben geht weiter und ich werde mich nicht hier verstecken."
Er nickte bestätigend und lächelte stolz.
"Bogdane, ich kann nicht beschreiben wie sehr ich dich liebe. Es tut mir leid wie ich aussehe und es tut mir auch leid, muss ich noch einen Aidstest machen. Auch dass ich keine Kinder mehr kriegen kann, tut mir leid" ich seufzte leise "ich wollte nur, dass du weisst, wie viel mir deine Fürsorge bedeutet. Danke."
Stirnrunzelnd kam er näher und nahm mein Gesicht im seine Hände.
"Mir ist nur wichtig, dass du am Leben bist und ich werde mich immer um dich kümmern. Du bist das Wertvollste in meinem Leben. Du hast bestimmt auch kein Aids und selbst wenn, es gibt gute Medikamente. Sollte es so sein und sollte dich diese Krankheit Bettlägerig machen, dann werde ich unser Leben gleichzeitig beenden. Du wirst nicht in Qualen sterben, das verspreche ich dir. Wir haben drei Kinder und auch wenn wir keine hätten, wäre mir das egal. Das weisst du, du weisst wie sehr ich dich liebe und du weisst, dass ich ohne dich nicht leben kann. Für mich bist du das Wertvollste und Schönste auf Erden" er streichelte mein Gesicht und küsste mich innig "lass und nach Unten gehen. Sergej kocht, er hat das gesamte Geschirr erneuert" informierte er mich und ich lachte fröhlich "ausserdem hat der Doc ihn gefragt, ob er seine Einrichtung ändern würde."
Belustigt verdrehte mein Bogdan die Augen und folgte mir aus dem Schlafzimmer.
Er passte sich meinen langsamen Schritten an, war bereit mich aufzufangen falls ich nicht mehr konnte, hielt meine Hand als ich die schmerzhaften Schritte auf der Treppe macht und wich nicht von meiner Seite.
Ich konnte mein Glück kaum fassen.



Hope Hoffnung NadaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt