Hope Hoffnung Nada

Kapitel 54.4

Die Beerdigung war, um es beim Namen zu nennen, grauenhaft. Bogdan stand vor dem Grab mit ausdruckslosem Gesicht und machte einen eher gelangweilten Eindruck. Ich starrte bekümmert auf den Sarg als er in die Erde gelassen wurde, fühlte mich schlecht aber sonst...irgendwie war ich einfach nur erschöpft vom Gedanken, dass ich nun eine Mörderin war.
Als das Grab mit Erde bedeckt war, konnte ich endlich mit Bogdan reden.
"Eine Woche zuvor gekommen? Was hattest du vor?" flüsterte ich. Meine Kehle war ganz trocken, ich hatte über 10 Stunden nicht richtig gesprochen. Nahrung oder Getränke konnte ich auch nicht zu mir nehmen, es ging einfach nicht.
"Genau so wie ich es gesagt habe. Ich wollte es nächste Woche erledigen. Nado moja, er war ein Widerling. Ein verdammter Frauenschläger, Vergewaltiger und ein Monster. Er wollte die Jungs auf seine Bahn bringen, er wollte Lazar umbringen, er wollte mit dir SPASS haben, er..." knurrte er und brach ab. Er atmete tief durch und sah mich dann ernst an.
"Er war das Übel, ganz einfach. Wieso hätte er ein langes Leben verdient, während Nina tot ist? Während Lazar trauert und mit ihrem Geist spricht? Als Nina mir im Traum erschien, sah ich sie wohl zum ersten Mal neutral an. Sie war so jung, so lieb, ihre Augen so unschuldig. So war sie auch nur hat es mich damals nicht interessiert. Ich war einfach ein Arsch und sah sie nicht mit den Augen von Heute. Lazar aber sah sie wie sie war. Das liebte er an ihr, verstehst du? Nicht ihr Aussehen, er liebte sie. Das was Sergej angezogen hat und zu seiner Besessenheit wurde, das hat Lazar ehrlich geliebt. Und nie hat er aufgehört ihre Intelligenz, ihr Lachen oder ihren Humor zu lieben. Nicht als sie Schwanger war, nicht als sie depressiv wurde, nicht als sie wegen Sergej in eine Magersucht glitt. Nie hat er aufgehört sie zu lieben, egal wie sie aussah. Für Sergej war sie nur sein Besitz und sein Boxsack, so war das leider. Das hat er ja auch zugegeben. Sie hat alles ausgehalten aus Liebe, hat sich wie ein Stück Dreck behandeln lassen aber sie liebte und war damit zufrieden. Sag mir also weshalb mein verdammter Bruder den Tod nicht verdient hat? Das hat er, mehr als jeder andere. Er hätte uns alle ausgelöscht aus Wut und Eifersucht und es hätte ihn nicht gekümmert! Deshalb wollte ich ihn nächste Woche umbringen, ich wollte uns alle von diesem Monster erlösen. Leider warst du schneller und das tut mir leid. Es tut mir leid, dass du dich jetzt so schmutzig fühlst, denn das musst du nicht. Du hast der Menschheit einen grossen Dienst erwiesen mein Engel und du hast ihm einen wunderschönen Tod beschert. So gnädig wäre ich nicht gewesen, nicht eine Sekunde lang. Ich wollte ihn Köpfen, ich wollte ihm die Kehle rausreissen und ich wollte ihn und diesem Bungalow abfackeln. Das hätte er verdient für all das Leid, welches er verursacht hat. Er kannte keine Gnade und hat sie auch nicht verdient."  Bogdan seufzte tief und verschränkte seine Finger in meine.
Seine Worte ergaben Sinn und irgendwie hatte er auch recht, nur wollte ich an die Gnade glauben. Vielleicht war Gott ja zu Sergej gnädig und seine Seele fand nun Ruhe. Ich räusperte mich und atmete erst tief durch bevor ich sprach.
"Ich hoffe er hat seinen Frieden mit Gott gemacht und hat nun Ruhe, das wünsche ich ihm. Ich bin zwar an seinem Tod schuld aber ich wünsche ihm das von ganzem Herzen."
Bogdan schnaubte kurz auf und sah mich wieder an. Sein Blick war liebevoll und unendlich zärtlich.
"Ich hoffe er schmort in der Hölle. Das hätte er verdient, aber das ist nun auch egal. Lass uns von dieser verdammten Insel verschwinden. Maja wartet schon auf uns und ich will nach Hause. Ausserdem musst du essen und trinken, du hast nichts zu dir genommen. Ich werde nicht zulassen, dass du daran zerbrichst, verstanden? Du wirst nicht wegen dem Tod des Monsters zugrunde gehen, nicht solange ich leben" sagte er bestimmt und zog mich mit sich. Ich  blickte noch ein letztes Mal auf das frische Grab, bat um Vergebung und folgte meinem Mann. Egal wohin, ich würde ihm folgen.

Wir trafen eine böse verkaterte Maja an, die nicht zu begreifen schien. Neven erklärte ihr zum wohl 20igsten Mal, dass Sergej tot war aber sie starrte ihn nur bekloppt an. Das konnte nicht an den Tabletten liegen oder dem Wein. Maja war ehrlich schockiert und wusste, zum ersten Mal im Leben, nicht was sie sagen sollte. Sie sass lange stumm da, massierte sich die Schläfen und hörte dann auch Bogdan zu. Ich hielt den Mund und ass brav das englische Frühstück.
"Majo schluck ein paar Aspirin gegen die Kopfschmerzen und tu bitte nicht so schockiert. Mir persönlich ist es vollkommen egal, dass er tot ist. Dir sollte es am Arsch vorbei gehen aber nein, du sitzt hier wie eine Statue und sagst kein Wort. Das ist gruselig, ehrlich. Sonst hörst du ja nie auf mit deinem Gequatsche" sagte Bogdan genervt. Er drückte ihr eine Packung Aspirin in die Hand und hielt ihr ein Glas Wasser hin. Maja blinzelte verwirrt bei seinen Worten aber tat was er verlangte, während Neven mich nicht aus den Augen liess.
"Alles in Ordnung Nada? Kann ich etwas für dich tun?" fragte er leise. Ich schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck von meinem Tee. Nie im Leben würde ich begreifen, was Engländer an dieser Teetrinkerei fanden. Kaffee war mir eindeutig lieber.
"Mir geht es gut Nevene, danke. Danke für alles" murmelte ich. Maja räusperte sich laut und massierte weiter ihre Schläfen.
"Bogi ist das dein Ernst? Sein Tod nimmt dich kein Bisschen mit?" fragte sie mit müder Stimme. Mein Bogdan verdrehte genervt die Augen und nickte entschieden.
"Mir ist es vollkommen egal Majo. Er war das Übel und jetzt ist die Menschheit von dieser Seuche befreit. Stefan und Danijela können in Ruhe heiraten, Lazar kann sein und Nina's Kind aufwachsen sehen, ich muss mich nicht mehr um seinen Scheiss kümmern und du...tja, keine Ahnung, du kannst einfach so weiter machen wie bisher. Nur hör auf mit deiner geheuchelten Trauer, oder was immer das sein soll. Das nimmt dir keiner ab Majo also lass das. Wenn dein Schädel nicht mehr brummt, fliegen wir nach Hause. Meine Nada kann die Augen kaum noch offen halten, sie muss sich ausruhen. Neven und ich werden eure Einkäufe zum Jet bringen und danach verschwinden wir aus diesem verdammten Nebel" knurrte er entschieden. Für viele war seine direkte Art anstrengend aber ich liebte sie. Wenn ihm etwas auf die Nerven ging, dann sagte er das sofort und es war ihm egal, wen das störte.
"Weisst du Bogi nicht sein Tod hat mich schockiert, sondern meine Gedanken. Ich wollte vorschlagen, dass wir eine Party machen und dafür schäme ich mich. Ich wollte vorschlagen, dass wir die gute Nachricht feiern. Entschuldigt bitte, das ist ein furchtbarer Gedanke von mir" murmelte sie geknickt und ausgerechnet Neven prustete los. Wir waren wirklich alle Psychisch gestört!
"Majo" gluckste Neven "dafür musst du dich nicht schämen. Du bist ganz sicher nicht die Einzige die so denkt." Er lachte weiter und zündete sich eine Zigarette an. Stirnrunzelnd betrachtete ich sein Tun. Hier durfte man doch gar nicht rauchen, oder?
"Ach ja?" krächzte Maja unsicher.
"Mir persönlich ist es egal Majo. Sein Tod nimmt mich nicht mit und ich schäme mich nicht. Er war mir immer egal. Allerdings erleichtert sein Ableben uns allen die Zukunft und du Nado, sieh mich nicht so an. Das ist die VIP Suite, kein Schwein wird es kümmern, ob wir rauchen" schloss er ab. Mal wieder hatte er meine Gedanken gelesen und brachte mich zum Schmunzeln. Wo er recht hat, hat er recht. Diese dämliche Suite kostete 8000 Euro pro Nacht, also durften wir auch rauchen.
"Meine Fresse Majo du denkst echt an blödes Zeug. Feiere wenn du willst, mir egal. Ich will nur hier weg" sagte Bogdan und rauchte auch. Er sah mitfühlend zu mir und reichte mir eine Zigarette. Komisch, der Tod seines Bruders war ihm egal aber der Mörderin seines Bruders gab er eine Zigarette und kümmerte sich um meine Gefühle. Nina's Worte schossen mir durch den Kopf. Liebe, was Liebe alles aushält und vermag.
"Ich muss unter die Dusche Cousinchen, danach können wir los." Maja flitzte ins Bad und als wir die Dusche hörten, sprach Neven wieder.
"Ich habe die ganze Aufnahme mehrmals gehört und ich habe es live mitgehört, wage es nicht dich schuldig zu fühlen Nado. Was er erzählt hat, was er vorhatte...dafür gibt es keine Worte. So etwas verdient es nicht zu leben, verstehst du? Selbstjustiz ist vielleicht verboten aber es gibt immer Ausnahmen von der Regel und das war eine Ausnahme" erklärte er schlicht. Bogdan nickte zustimmend und setzte sich neben mich.
"Ausserdem war das ein geradezu lächerlich gnädiger Tod den du ihm beschert hast. Unser Auftragsmörder hier wäre nicht so gnädig gewesen." Neven nahm einen Schluck Tee und verzog das Gesicht. Auch er mochte Tee nicht aber trank ihn, weil wir den Kaffee vergessen hatten zu bestellen. Dann waren wir alle zu faul gewesen, noch einmal eine Bestellung aufzugeben. Irgendwie wurden wir uns alle immer ähnlicher.
"Das stimmt, ich hatte andere Pläne. Du warst viel zu Human, das hat der Mistkerl nicht verdient. Ich kann noch immer nicht fassen, was er alles noch tun wollte. Verdammtes Monster" knurrte Bogdan und kaute auf dem Speck herum. Wenn das nur so leicht wäre, dachte ich.
"Jetzt aber zu was Anderem. Ist diese Unterwäsche deine Nado moja? Soll das eine Leine sein? Was soll denn das darstellen? Du bist doch kein Hund" ereiferte sich mein Bogdan und brachte Neven und mich damit zum Lachen. Sein Gesichtsausdruck war köstlich, er sah wahnsinnig verwirrt aus.
"Nein das gehört nicht mir" lachte ich leise vor mich hin.
"Aha. So viel wollte ich über Maja und Dejan nicht wissen. Was sollen denn diese Bänder bitte? Kommen da die Brüste rein? Wieso kaufen sich Frauen diesen Mist?" fragte er weiter und dieses Mal antwortete Neven.
"Naja, vielleicht soll das anturnend wirken? Menschen haben verschiedene Vorlieben Bogi, ist doch nicht schlimm und tut niemandem weh. Allerdings sieht dieses Halsband sehr unbequem aus. Mag Maja es denn, wenn ihr die Luft abgeschnürt wird?" fragte er interessiert.
Abgeschnürt? Was?
"Das nimmt mich auch wunder. So wie das verbunden ist, ist das Halsband dafür konstruiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unser Dejan darauf steht, Maja in Ohnmacht durch Luftabschnürung zu versetzen" murmelte Bogdan und zog an der dickeren Schnur.
Ach dafür war das lange Ding!
"Was hast du da gesagt?" kreischte Maja plötzlich laut auf. Sie war knallrot und sah uns bestürzt an.
"Wenn du so Sachen kaufst Majo, dann solltest du dir auch eine Bedienungsanleitung holen. Wusstest du das denn nicht?" fragte Neven belustigt. Er amüsierte sich köstlich über ihre knallroten Wangen.
"Natürlich nicht! Luft abschnüren? Wieso sagte die Verkäuferin das denn nicht? Sollte denn das nicht in einer anderen Abteilung sein? Das ist ja dann wie gewürgt werden und das kann ich nicht! Wer will denn schon fast zu Tode gewürgt werden? Ich bin eindeutig zu dumm für diese Welt, ich wollte doch nur heisse Unterwäsche!" stammelte sie panisch und blickte peinlich berührt auf das Teil. Wir hätten wirklich fragen sollen für was das Halsband genau gedacht ist. Nur wäre uns dann das hier entgangen und das wäre schade gewesen, denn ich lachte Tränen wegen Maja's Wangenfarbe.
"Wenn ich bedenke was du für eine Klugscheisserin bist Majo, weisst du verblüffend wenig über viele Dinge" zog Bogdan sie auf. Das brachte Neven endgültig zum Lachen und ich hielt mir nur noch den Bauch. Die arme Maja knurrte Bogdan an und streckte ihm die Zunge raus.
"Klugscheisserin? Ich? Du kannst mich mal Bogi, ich geh mich jetzt anziehen" zickte sie und stolzierte an mir vorbei.
"Du bist eine Klugscheisserin aber wir haben dich trotzdem lieb" rief Neven ihr lachend nach. Ich wischte mir die Lachtränen weg, nahm einen Schluck des grässlichen Tees und sah dann Bogdan's spitzbübischen Blick. Er führte etwas im Schilde, das sah man ihm sofort an.
"Was hast du vor Bogdane?" flüsterte ich.
"Das werde ich Dejan schenken, mit der Anleitung und ihm sagen, Maja traue sich nicht es ihm zu geben" sagte er grinsend, seine Augen waren voller Schalk.
"Das musst du dann aber auf Video aufnehmen, das muss ich sehen Bogi! Das werden lustige Frühlingsferien werden" grinste Neven. Schon die blosse Vorstellung brachte mich wieder zum Lachen. Wir waren alle nicht mehr richtig im Kopf, das war definitiv klar.