Kapitel 54.1

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Wie schnell zwei Monate vergehen konnten war erstaunlich. Es kam mir vor wie ein Wimpernschlag, ein Blinzeln, nur so lang fühlte es sich an.
Wenn ich ehrlich war, waren die letzten neun Jahre genau so schnell vergangen. Neun Jahre hatten sich sehr kurz angefühlt, trotz dem ganzen Mist der geschehen war. Was sich aber nie in diesen neun Jahren geändert hatte, war die Liebe zu meinem Bogdan und zu unseren Kindern. Das würde auch immer so bleiben, egal ob er mich irgendwann nicht mehr lieben würde. Diese Liebe zu ihm würde ich nie abstellen können, das war mir klar.
Nina war jetzt genau sieben Monate tot und unweigerlich fragte ich mich, ob mein Bogdan und ich zusammen alt werden würden. Würden wir eines Tages zusehen wie unsere Kinder ihre Familien gründen und dann unsere Enkelkinder im Arm halten? Würde uns das Schicksal gnädig sein oder würde es uns doch einen Schlag versetzen?
Wahrscheinlich war es dumm, dass ich ausgerechnet an meinem Geburtstag daran dachte aber Nina's Leben und ihr Tod, gaben mir schon lange zu denken. Wie viel Zeit würde uns wohl bleiben? Wie viele liebevolle Momenten, erfüllt von Lachen und Glück wären uns noch vergönnt? Konnte man wirklich alles vergeben? Konnte ein Mensch, oder Gott, alles vergeben? Und was war unverzeihbar? Wo war da die Grenze? Wann wusste man ob man eine Grenze der Vergebung überschritten hatte?
Stirnrunzelnd kuschelte ich mich noch enger an meinen Bogdan und schloss die Augen. Ich musste aufhören mir so viele Gedanken zu machen. Es würde so kommen, wie es kommen musste.
"Willst du gar nicht wissen, wohin ich dich entführe?" fragte mich mein Mann plötzlich. Ich liebte es seiner Stimme zu lauschen, wenn mein Kopf auf seiner Brust ruhte. Sie klang dann wie ein raues Donnern.
"Nein will ich nicht. Solange du mich in einem Stück zurückbringst, ist mir egal wo wir hinfliegen" meinte ich nur. Das allerdings brachte ihn zum Lachen.
"Nado moja, deine Witze werden immer morbider. In einem Stück zurückbringen" wiederholte er glucksend.
Irgendwie hatte er recht, ich wurde immer seltsamer.
"Eigentlich dachte ich zuerst, du willst irgendwo in die Sonne aber wir fliegen nach Norden. Hattest du diesen Winter nicht genug Schnee? Warte, wir fahren doch nicht Ski oder? Bitte nicht, ich breche mir den Hals!" rief ich verzweifelt aus. Alles, nur kein Skifahren!
Er lachte leise und streichelte mit seinem Daumen mein Kinn. Es war erstaunlich wie gerne ich ihn ansah und seine Berührungen liebte. Jedes Mal wenn er mich berührte, bereitete sich eine wunderschöne Wärme in mir aus.
"Keine Ski versprochen, und eigentlich hatte ich genug Schnee, mehr als genug! Aber für deine Überraschung ist es notwendig nach Alaska zu fliegen. Dann werden wir noch drei Stunden mit dem Auto unterwegs sein und am Sonntag fliegen wir zurück, wenn wir bis dahin nicht erfrieren" scherzte er und gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze.
Er scherzte viel in letzter Zeit, er lachte viel und er war voller Lebensfreude. Das fand ich sehr anziehend, ich konnte einfach keine schlechte Laune neben ihm haben.
"Solange wir nicht brennen bin ich zufrieden." Okay, ich war wirklich seltsam. Zum Glück findet mein Bogdan das witzig, ein Anderer würde mich in die Psychiatrie einweisen lassen.
"Brennen? Wie kommst du nur darauf?" fragte er lachend und schüttelte den Kopf.
"Das wäre für mich die schlimmste Art zu sterben. Bei lebendigem Leib verbrennen" sagte ich ehrlich und schon der Gedanke allein schüttelte mich. Dann doch lieber erfrieren, Herzinfarkt, erschossen werden oder von Haien gefressen.
"Das wusste ich gar nicht. Das ist also deine grösste Angst" murmelte er ernst.
"Nein. Meine grösste Angst ist es, dass dir und unseren Kindern etwas geschieht. Ohne euch leben zu müssen, wäre für mich die schlimmste Folter. Lebending verbrannt werden ist nur die schlimmste Art um zu sterben. Jedenfalls für mich" erklärte ich ihm ehrlich.
"Das ist gut, denn ich halte nichts vom Kremieren und dann die Asche irgendwo hin zu verstreuen. Mein Platz ist an deiner Seite, immer" flüsterte er eindringlich.
"Das trifft sich gut, dann versauern wir gemeinsam im Grab. Finde ich prima."
Darüber musste er nun wieder lachen und drückte mich fest an sich.
"Wir Zwei mein Engel sind sehr seltsam aber das gefällt mir."
Da konnte ich ihm nicht widersprechen. Mir gefiel das nämlich auch, sehr sogar.
Mit wem sonst könnte ich denn solche Gespräche führen?



Hope Hoffnung NadaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt