Kapitel 41

55 3 0
                                        

Wir flogen alleine nach Hause.
Lazar und seine Familie würden in ein paar Tagen nachkommen.
Die Käufer für die Clubs hatten es sehr eilig und wollten alles so schnell wie möglich unter Dach und Fach haben.
Sergej hatte Lazar die Vollmacht für alle Verkäufe gegeben und wollte sonst nichts mehr mit irgendwelchen Geschäften zu tun haben.
Die Mietshäuser verwaltete Lazar bis zur Volljährigkeit der Jungs.
Nachdem wir unsere Kinder mit Geschenken überhäuft hatten, und auch Maja's und Amy's, den ganzen nächsten Tag im Spieleparadies und beim Bowling und Junkfood verbracht hatten, sahen wir ihnen nun zu wie sie schliefen.
Sie wollten immer zu Dritt in einem Zimmer schlafen und das fanden wir sehr niedlich.
Unser Lazar liebte seine Schwestern, hatte immer Geduld mit ihnen und spielte ohne zu Murren mit den Mädchen.
Die Mädchen konnten wir nur anhand ihrer Augenfarbe unterscheiden.
Milica hatte blaue Augen und Marija Grüne. Ganz ehrlich, wir wären sonst aufgeschmissen!
Sie waren klein, hatten wilde schwarze Locken und waren immer fröhlich.
Und unser Lazar war sehr gross, sah wie sein schöner Vater aus und hatte auch ein sonniges Gemüt.
Neven sagte auch, sie wären alle Drei sehr intelligent.
Das war mir egal, ich fand das unwichtig.
Ich wollte nur, dass sie glücklich und gesund waren.
Allerdings freute es mich, dass sie alle schon lesen konnten und Stundenlang ihre Nasen in Bücher steckten.
"Ein normales Leben, hat so viel zu bieten" flüsterte Bogdan in meinen Nacken.
"Naja, normal? Aber ja, so normal wie es nur möglich ist" flüsterte ich amüsiert.
Normal würde unser Leben nie sein, denn das liess die Vergangenheit nicht zu, aber das war mir egal.
Ich liebte unser Leben und wollte so viele Jahre mit meinem Mann verbringen, wie mir nur vergönnt waren.
Alles andere war unwichtig.
Es war nicht wichtig wie oft mein Bogdan getötet hatte, es war nicht wichtig was er für eine Vergangenheit hatte.
Nur die Liebe zu ihm und zu unseren Kindern war wichtig.
Ich würde nie etwas im Leben bereuen.
Das hatte ich durch Nina's Tod gelernt.
Man sollte alles von ganzem Herzen tun, damit man später nichts bereut.
Ich schloss die Tür und sah hoch zu meinem Bogdan.
"Ich habe mir geschworen, dass ich nie etwas im Leben bereuen werde und nichts verpassen will" sagte ich sachlich zu ihm und zog ihn mit mir mit.
"Das ist ein guter Vorsatz Nado moja" antwortete er weich.
"Genau. Deshalb finde ich, solltest du jetzt diese Jeans ausziehen, dich aufs Bett legen und mit mir schlafen" verkündete ich schamlos.
"Absolut! Das sollten wir unbedingt tun" raunte er und zog mich aufs Bett.
Keine Scham, kein Bereuen, nie wieder etwas aufschieben, dachte ich, als ich auf ihm lag.



Am nächsten Morgen gingen wir nach dem Frühstück zu Maja und Dejan.
Maja und dem Baby ging es gut aber Dejan machte uns Sorgen.
Er bemühte sich wie ein Verrückter, wie immer zu sein aber das misslang. Ihm ging es gar nicht gut, er machte sich die schlimmsten Vorwürfe und redete nicht darüber, das sahen wir ihm an.
"Was hat der Arzt gesagt Cousinchen?"
Wir sassen draussen auf ihrer Veranda und schon jetzt stieg die Hitze, dabei war es erst 10 Uhr Morgens.
Ich versuchte die angespannte Atmosphäre zu entkrampfen. Mein Bogdan allerdings war immun gegen diese Stimmungen und dafür bewunderte ich ihn grenzenlos.
"Es ist alles Bestens. Ich darf einfach nichts Schweres heben und soll mich genug ausruhen. Deshalb bin ich schon im Mutterschutz und Amy übernimmt den Kindergarten. Neven wird bald noch ein paar Lehrer einstellen aber wir hoffen eher auf Lazar" sagte sie aufgeregt.
Aha.
"Du willst, dass Lazar unterrichtet? Unser Lazar?" fragte ich gespielt schockiert.
"Wieso denn nicht? Er wird nicht so viel mit seiner Firma zu tun haben, er ist einer der intelligentesten Menschen, die ich kenne. Sonja wird sicher Musik unterrichten wollen und Lazar braucht die Ablenkung und..."
"Nein" sagte Dejan ruhig.
Er sah Emotionslos vor sich hin und rauchte.
"Was nein Kume?" fragte Bogdan.
"Lazar wird nicht unterrichten. Also nein. Er hat diese Firma und wird mit Freude auf der Ranch helfen. Das reicht" antwortete er entschieden.
"Das kann Lazar doch selbst entscheiden. Neven will ihm bloss einen Vorschlag machen Kume."
Dejan presste die Zähne aufeinander und atmete schwer aus.
"Nein. Er soll trauern, er soll sich nicht zu viel aufhalsen und er soll ein Leben haben" sagte er um Ruhe bemüht.
Nicht mehr lange und er würde explodieren, das stand fest.
Und genau das wollte mein Bogdan.
"Lazar kennt seine Grenzen Kume, er weiss wie viel er aushält" sagte Bogdan gleichgültig und Dejan explodierte.
"Er kennt seine Grenzen? Bist du besoffen? Er hat genug mitgemacht verdammt! Er soll um Nina trauern dürfen, er soll ein Leben haben verdammt!" schrie er los "Sergej macht es sich leicht, wie immer. Er verstümmelt jemanden, überlässt den ganzen Scheiss Lazar und verkriecht sich jetzt auf dieser verfickten Insel! Die Clubs hat Lazar gestern verkauft, er kümmert sich weiterhin um die Finanzen und er verwaltet Stefan's Erbe! Sergej war nie ein richtiger Vater, das war immer Lazar. Das ist nicht fair Bogi, das ist widerlich. Ich hasse deinen Bruder, ich hasse ihn aus tiefster Seele und hoffe er verreckt in seiner eigenen Scheisse! Er ist schuld an Nina's Tod, er ist an allem schuld was geschehen ist und ich hasse auch mich. Ich wusste, dass es geschehen würde aber ich hoffte so sehr, dass es ihn erwischt und nicht Lazar's Nina. Sie war Lazar's Nina! Nur seine, denn Sergej ist ein Schwein und hat ihr ein Leben mit Lazar gestohlen! Er schuldet den Beiden zwei Leben verdammt aber er spielt jetzt den leidenden Griechen auf der scheiss Insel. Ich hasse ihn dafür, dass mein Bruder leiden muss, dass Stefan und Nikola leiden müssen und dass er immer damit durchkommt. Ich hasse ihn" flüsterte er am Schluss und setzte sich wieder.
"Endlich" sagte Maja und setzte sich auf seinen Schoss.
"Dann habe ich also mein Aufgabe als dein bester Freund erfüllt. Bist du mit mir zufrieden Majo?"
Bogdan lächelte sie stolz an und sie nickte dankbar.
Das war dringend nötig gewesen. Dejan musste das raus lassen, er kochte seit Nina's Tod aber aus Respekt meinem Bogdan gegenüber, schwieg er.
"Dejo, Kume" sagte Bogdan "wir alle wussten, dass es irgendwann so Enden würde. Du hast keinen Grund für Selbsthass aber du hast ein Recht darauf, meinen Bruder zu hassen. Das verübelt dir niemand, ich am aller wenigsten."
Dejan sah meinen Bogdan traurig an und umarmte Maja noch fester.
"Als meine Nada und ich ihm das stinkende Blut vom Körper wuschen, hätte ich ihm am liebsten den Hals umgedreht. Meine Frau hat alles gesehen und das war einfach nur widerlich. Er hat sich weder um Nina's Beerdigung, den Sarg oder die Kleidung gekümmert. Das war nicht fair Dejo, das weiss ich" Bogdan's Kiefer zuckte kurz und er räusperte sich "nichts davon ist fair und es tut mir leid Kume. Es tut mir leid, dass ihr alle so leidet wegen meinem Bruder."
Ich umarmte meinen Mann und streichelte tröstend seinen Rücken.
"Du kannst doch nichts dafür Kume" Dejan seufzte laut "du hast nichts davon zu verantworten, also muss dir auch nichts leid tun. Es hätte nicht sie treffen sollen, das ist so unfair. Er hätte ins Gras beissen sollen und egal was dann geschehen wäre, sie wäre frei gewesen und hätte nicht mehr in dieser Angst leben müssen."
Ich biss mir auf die Zunge, denn ich durfte nichts dazu sagen.
"Dann hast du auch keinen Grund für diesen Selbsthass Kume. Gräm dich nicht deswegen. Wir wussten alle was mit ihr los war aber niemand sagte etwas. Wir wussten, was Sergej dann getan hätte" sagte mein Bogdan ruhig.
"Was hatte sie an? Was hat ihr Lazar angezogen?" fragte Dejan plötzlich.
"Ein wunderschönes schwarzes Kleid mit goldenen Steinchen. Er hat ihr Haar zu einem langen Zopf geflochten und ihn über die linke Seite gelegt, dazu noch eine rosarote Lilie" flüsterte ich Tränenerstickt.
Dejan lächelte und schloss die Augen.
"Das Kleid hat Nina geliebt. Dieses Kleid hat Lazar damals für sie anfertigen lassen, als der Ball in Moskau war. Dazu gab es noch eine Maske die fast ihr ganzes Gesicht verdeckte" murmelte er bewegt "sie liebte dieses Kleid und sah darin wie aus einem Märchen aus. Sergej hatte keine Ahnung was ihr stehen würde und dann hat Lazar das übernommen. Alles, von Anfang an. Jedes Kleid, jedes Parfum, ihre komplette Kleidung, ihr Hochzeitskleid und die Feier, ihr ganzer Schmuck Kumo. Das alles hat Lazar ausgewählt, er wusste was zu ihr passte aber er hat sie im Glauben gelassen, das käme alles von Sergej" sagte er erstickt.
Maja wischte sich die Tränen weg und streichelte Dejan's Wange.
"Dein Bruder hat ihr Leben so schön und so perfekt gemacht, wie er nur konnte. Er wird Morgen hier sein, er wird hier leben, er wird trauern können und er wird ein Leben haben. Er wird wahrscheinlich sein ganzes Leben um Nina trauern, aber er wird leben und das hier. Und egal wo er hingeht, dort gehen wir auch hin. Er wird nie wieder von seiner Familie getrennt sein Dejo moj" sagte Maja zärtlich und küsste seine Schläfe.
Ich sah zwischen ihnen und Bogdan hin und her.
"Ist das ernst gemeint meine Fee? Er wird eines Tages nach Zlatibor zurückkehren, das weiss ich. Willst du, dass wir dann auch gehen?" fragte er leise.
"Natürlich. Wieso denn nicht? Man kann alles verkaufen Dejo und in die Heimat zurückkehren. Unsere Kinder können überall zur Schule gehen, sie können überall ihre Träume verwirklichen. Aber du hast nur einen Bruder und er braucht dich, genauso wie du ihn. Eure Eltern werden nicht ewig leben und ihr habt so viel Land, so ein grosses Anwesen im schönsten Teil Serbiens. Mir ist egal wo wir sind, solange wir zusammen dort sind und du deinen Bruder in der Nähe hast."
Dejan lächelte sie liebevoll an und küsste sie zärtlich.
"Du bist das Beste, was es auf der Welt gibt. Ich danke dir, ich liebe dich Majo moja" sagte er sanft.
Ich lächelte glücklich über all diese Worte. Es erfüllte mein Herz mit Freude, die Beiden so zu sehen.
"Und wir mein Engel? Was machen wir, wenn es soweit ist?" fragte mein Bogdan plötzlich.
Überrascht sah ich ihn an.
"Mir ist das egal Bogdane. Ich gehe überall mit dir hin" sagte ich ernst.
Er lächelte mich an und nickte.
"Sobald es so weit ist, entscheiden wir. Egal wie wir uns entscheiden, die Ranch kann Neven leiten. Er wird hier bleiben, das steht für ihn fest. Lazar wird uns nie wieder los" sagte er fast schon drohend und brachte uns damit zum Lachen.
"Er wird sich nicht beschweren, vertraut mir. Er braucht uns alle."
Dejan lächelte leicht bei diesen Worten.
"Ich mache mir Sorgen um Sonja" platzte es aus mir raus "sie hat auch Nina verloren und irgendwann, wird sie etwas merken. Lazar wird seine Trauer nicht verstecken können, nicht die ganze Zeit."
Ich war froh, das laut ausgesprochen zu haben. Ich dachte seit Tagen daran.
"Er wird ehrlich zu ihr sein Kumo. Wenn sie ihn darauf anspricht, dann wird er ihr alles erzählen."
Davor hatte ich ja Angst. Was wenn Sonja ihn verlässt? Sie hatten vier gemeinsame Söhne und Danijela liebte ihren Vater. Er hatte sie gleich nach der Hochzeit adoptiert...
Das durfte nicht geschehen.
"Malen wir nicht den Teufel an die Wand Cousinchen. Lassen wir ihnen allen Zeit, das Geschehene zu verarbeiten."
Wir nickten alle. Maja hatte recht, Eins nach dem Anderen.





Hope Hoffnung NadaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt