Kapitel 43.1

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Sonja war froh, dass Lazar schlief und als auch alle Kinder im Bett waren, setzten wir uns auf die Veranda des Gästehauses.
"Sonja, ich habe dich das nie gefragt. Wie hast du Nina kennengelernt?"
Ich wollte ihre Geschichte hören, denn ich wollte nicht übereilt urteilen.
Sonja blickte Maja und mich traurig an.
"Ich habe damals in der Musikschule der Jungs unterrichtet. Sergej brachte eines Nachmittags die Jungs und ich hatte höllische Angst vor ihm. Doch dann lächelte er, sagte es freue ihn, dass eine Serbin an der Schule unterrichtete und er lobte mich für mein Talent" sagte sie traurig lächelnd "als der Unterricht zu Ende war, kam er mit Nina die Jungs abholen und stellte uns vor. Das fand ich toll, denn ich mochte sie sofort und sie sah aus...wie ein sehr nachdenklicher Engel. Wir freundeten uns sofort an, ich war oft bei Ihnen Zuhause und nach etwa zwei Jahren, erzählte ich ihr meine Geschichte. Dank ihr überwand ich auch die Angst vor Männern und lernte meinen Lazar kennen. Sie war wie meine Schwester, sie hat die Kinder vergöttert und nie haben sie sie gestört. Jeden Tag schneite mein Lazar mit den Kindern bei ihr rein und nie störte es sie. Was ganz lustig ist, denn sie kam selten zu uns. Nina wollte nie stören" sagte Sonja und blinzelte ihre Tränen weg.
"Ich vermisse sie sehr" flüsterte Sonja.
Er wusste es also, er hat sie absichtlich Nina vorgestellt, dachte ich bitter.
"Ich bin müde, stört es euch wenn ich mich hinlege?" fragte Sonja.
"Nein, geh ruhig" sagte Maja und lächelte.
Nach etwa 15 Minuten des Schweigens, stupste mich Maja mit dem Ellbogen an.
"Rede!" flüsterte sie.
"Ich werde dir jetzt etwas geben. Du musst es lesen und mir dann sofort wieder geben!" flüsterte ich ihr zu und sie nickte irritiert.
Ich gab ihr die Kopien von Nina's Brief und achtete auf ihr Gesicht.
Nach nur ein paar Sätzen weiteten sich ihre Augen und sie blickte mich an.
"Lies ihn bis zum Ende" flüsterte ich wieder.
Als sie alles gelesen hatte, zitterten ihre Hände und sie gab mir sofort die Kopien.
"Lass uns ein paar Schritte gehen Cousinchen" sagte sie ruhig und wir entfernten uns um die 50 Meter vom Haus.
"DAS hat sie Lazar geschrieben? Ihr ganzes Leben liebte sie ihn, sie wusste genau was Sergej mit ihr gemacht hatte und blieb, aus Angst um Lazar's Leben?" zischte sie mir zu.
"Ja Majo. Sie war verdammt klug, mutig und viel zu selbstlos. Sie wollte Lazar nur glücklich sehen und sie machte Sergej glücklich aus Schuldgefühlen. Sie konnte Sergej nie so lieben wie sie Lazar liebte" murmelte ich.
"Und Sergej hat Nina Sonja vorgestellt" murmelte sie.
"Er ahnte es, da bin ich sicher. Deshalb hat er sie Sonja vorgestellt und Lazar dann alles über Sonja rausfinden lassen. Er hat Lazar's Interesse geweckt. So zerschmetterte er die Chance, dass Nina Lazar ihre Liebe gestand" sagte ich nun fest.
Maja schüttelte fassungslos den Kopf.
"Er ist...ich hasse ihn" sagte sie plötzlich.
"Das kann ich verstehen Majo, sehr gut sogar" antwortete ich.
"Wo ist Lazar jetzt?"
Ich seufzte traurig.
"In Nikola's Zimmer mit unseren Männern, acht Flaschen Whiskey und Nina's Urne" flüsterte ich.
"WAS?" rief sie aus und ich hielt ihr den Mund zu.
"Schrei nicht! Ja, ihre Urne war in der Tasche. Etwas von ihrer Asche ist in dem grünen Diamant an Lazar's Kreuz gepresst, eine Locke ihres Haares wurde mit dem Gold verschmolzen und heute fiel ein Ring aus ihrer Schatulle. Der Ring war für Lazar, wie ein Ehering mit einem blauen Diamanten. Er hat eine Gravur, Živote moj 20.03.02." ratterte ich runter und liess dann ihren Mund los.
"Den Ring trägt er an seiner Kette mit dem Kreuz und es geht ihm gar nicht gut Majo. Er würde Sergej am liebsten..."
"Soll er doch!" unterbrach sie mich "Sergej hat ihm alles genommen und wegen Sergej ist sie tot. Wieso soll er ihn nicht umbringen?"
Das aus dem Mund meiner SCHWANGEREN  Cousine zu hören, fand ich seltsam.
"Weil er sich nicht die Hände so schmutzig machen soll Majo. Lazar hat nie einfach so getötet, er hat nie aus Spass so gehandelt oder Unschuldige verletzt. Das soll so bleiben. Er glaubt an ein Leben nach dem Tod und er hofft" ich räusperte mich und seufzte "er hofft, dort mit ihr zusammen zu sein."
Sie verdrehte die Augen und zeigte mir den Vogel.
"Wo war Gott damals? Wo war er, als Nina in Sergej's Hände fiel? Wieso dreht er die Zeit nicht um und ändert alles? Hör doch auf Nada! Ich kann das nicht mehr hören. Gott hier, Gott da! Aber wo ist er jetzt? Wieso muss Lazar so leiden? Wieso musste Nina sterben? Wieso konnte sie nicht ein Leben mit Lazar haben?" zischte sie zornig.
Darauf hatte ich auch keine Antwort.
Vielleicht hatten sie die Chance, aber sie haben es nicht gesehen...
"Sie schrieb: ich hoffe, in einem anderen Leben, kann ich deine Frau sein. Sie dachte, sie lande in der Hölle! Nein Nado, das hatte nichts mit Gott zu tun. In Nina's Welt herrschte Sergej und spielte Gott. Ich gehe jetzt schlafen bevor ich noch kotze! Ich hoffe, er verreckt bald" zischte sie wieder und stürmte davon.
Seltsam, dachte ich. In den letzten paar Tagen, wünschten sich Viele Sergej's Tod.
Langsam ging ich wieder auf die Veranda, goss mir Rotwein ein und dachte nach.
Das Leben war manchmal Scheisse, grosse Scheisse.
Nina war zu verängstigt, Lazar zu loyal gewesen und es hatte in einer Tragödie geendet.
Lazar litt und Nina war tot.
Sergej trauerte an einem leeren Grab, Dejan fühlte sich furchtbar, mein Bogdan könnte im Quadrat kotzen, Maja befürwortete Mord und Sonja kapierte nichts.
Und um all das Leid gerade, waren viele unschuldige Kinder, die auch traurig waren und Nina vermissten.
Und ich?
Ich sass hier, erinnerte mich an Nina's schönes Lächeln, ihre schönen Augen und ihre fleissigen Hände.
Ich bewunderte sie für ihren Mut und ihre selbstlose Liebe.
Ich könnte das nicht, nicht einen Tag lang!
Zusehen wie eine andere Frau an Bogdan's Seite glücklich wird und mich für ihn freuen? Zusehen wie sie Kinder kriegen und diese Kinder auch noch lieben?
Nein, niemals.
Dafür war ich zu egoistisch.
Jemanden über 17 Jahre lieben und einfach damit zufrieden sein, ihn sehen zu dürfen und ihn zwischendurch zu umarmen?
Nein, ganz sicher nicht.
Wie viel Kraft hat das Nina nur gekostet?
Das konnte ich mir nicht mal vorstellen.
"Nado moja" riss mich mein Bogdan aus meinen Gedanken "du solltest Lazar eine Infusion legen."
Bogdan war nicht betrunken, stellte ich fest.
"Du bist ja nüchtern" flüsterte ich.
"Ja. Wir hatten keine Chance, er hat alles alleine geleert und seit genau sechs Stunden, läuft immer das gleiche Lied. Jetzt ist er KO" sagte mein Bogdan traurig.
"Dann legen wir ihn doch an die Nadel und lassen ihn schlafen" flüsterte ich weiter "Morgen musst du mit ihm reden, er darf keine überstürzten Entscheidungen fällen."
Ich ging mit meinem Bogdan mit, sah Dejan wie er den schlafenden Lazar anstarrte und hörte das Lied.
Rasch legte ich die Infusion. Bei Lazar's Grösse und Gewicht, würde er mindestens Drei brauchen, überlegte ich.
"Kume, geh zu Maja. Ich bleibe hier und wechsle die Infusion alle vier Stunden" sagte ich zu Dejan.
"Es hat ihn gebrochen, es hat ihm das Herz zerrissen" murmelte Dejan traurig "ich muss zu Maja, ich muss."
Er eilte davon und liess Bogdan und mich bei Lazar.
Das Lied war wunderschön, der Text so traurig und passte perfekt.
"Soll ich das Lied abstellen?" fragte mich mein Mann.
"Nein, es ist schön. Und es scheint, als wäre es für Lazar und Nina geschrieben worden" sagte ich ehrlich.

Hope Hoffnung NadaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt