15| Babypink

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Call Your Mom
Noah Kahan

Lancelot

Das Rot ging nicht aus meinem Shirt. Der Stoff schimmerte nun in einem leichten Babypink und auch keine billig-Restaurant-Seife schien das ändern zu können. Meine unregelmäßige Atmung vermischte sich mit dem Rauschen des laufenden Wasserhahns. Ich war bereits triefend Nass, doch ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob es das Wasser war, oder der kalte Schweiß der meine Haut überzog. Der Fleck ging nicht raus, zeichnete nun für immer mein Shirt. Fuck.

Meine Hände waren bereits schrumpelig als ich aufgab. Nichts würde das noch retten können. Ich sackte erschöpft nach vorne, fing mich im letzten Moment am Waschbecken. Das Wasser strömte unaufhörlich weiter, verschwand im Ablauf. Und irgendwas in mir wünschte, ich könnte ihm folgen. Ich zwang mich den Blick zu heben, mein Spiegelbild anzusehen, mich mir selbst zu stellen. Kaum merklich zuckte ich zusammen.

Ich sah halb tot aus. Blasse Wangen, eingefallene Augen, aufgebissene Lippen. Meine Haare klebten auf meiner Haut. Ich war clean. Ich war clean. Ich musste nicht zurück in Rehab. Ich war gesund. Ich war am Leben... Ich sah tot aus.

Meine Hände krallten sich in das Porzellan, hielten mich aufrecht. Sie verstand es nicht. Und das musste sie auch nicht. Niemand musste das. Ich spürte nicht, wie sich meine Gesichtszüge verformten, doch ich sah es in meinem Spiegelbild. Ein schrecklicher Ausdruck, wie zu einem stummen Schrei verformt, wie eine leidende Fratze. Ich schloss die Augen, stellte das Wasser ab.

***

Die Hintertür quietschte elendig, als ich sie aufstieß. Ich wollte Mom nicht einfach ohne ein Wort dort drinnen sitzen lassen. Aber ich spürte, dass ich nicht zurück an diesen Tisch konnte. Ich musste raus. Weg von diesem fürchterlichen Wein und den Anzügen, die sich aneinander reihten. Ich hatte noch nie unter die gepasst. Die kühle Nachtluft schlug mir entgegen, als ich hinaus trat. Ein paar Müllcontainer, sowie der entfernte Straßenlärm empfingen mich.

Ich atmete ein paar tiefe Züge, wartete darauf das meine Hände nicht mehr zitterten, bevor ich mich in Bewegung setzte. Ich ging gerade Mal zwei Schritte, bevor mich eine Silhouette am Ende der Gasse stehen bleiben ließ. Es war zu dunkel um etwas genaues zu sehen, doch auch von hier erkannte ich die Gestalt, die gelangweilt gegen eine Steinmauer lehnte und den Rauch einer Zigarette in die Luft zu stoßen schien. Erleichtert atmete ich aus. Wahrscheinlich nur ein Kellner, der gerade Pause hatte.

Ich senkte den Blick und wollte vorbei huschen, als mich eine Stimme stehen bleiben ließ, »Lancelot?« Verwirrt drehte ich mich zu dem vermeintlichen Kellner um. »Dean?« entkam es mir eine Spur atemlos, als er sich von der Wand abstieß und in das spärliche Licht schritt. Ich hatte absolut nicht damit gerechnet, hier meinem Nachbarn über den Weg zu laufen. Wir hatten uns die letzten Tage ein paar Mal im Gang gesehen, doch auch nach meinen besten Witzen, war nicht mehr drinnen gewesen als ein grummliges Hallo. »Was machst du hier?«, wollte ich wissen, als er vor mir zum stehen kam. Ich hätte nicht gedacht, dass er ein Fan von überteuertem Essen war. Sein Blick wanderte fragend über meine Erscheinung. »Was ist mit dir denn passiert?« Ich sah ebenfalls hinab zu meinem nun recht fragwürdigen Äußeren. Ich öffnete den Mund um zu antworten, doch mir fiel nichts ein. Kein dummer Witz, oder sarkastische Bemerkung. Ich war leer.

»Wein,« sagte ich stattdessen und er verzog das Gesicht. »Wein?« Ich wandte meinen Blick zum Ende der Gasse. Ich konnte nicht... Ich war müde und ich musste wirklich- »Hey, Man.« Eine Hand auf meinem Arm ließ mich wieder zurück blicken, »Du siehst echt nicht gut aus.«
»Wir können ja nicht alle so hinreißend aussehen, wie du jeden Tag, nicht wahr?« versuchte ich es, doch es klang dumm und halbherzig. Sein Blick wurde eine Spur düsterer. Hatte er etwa gerade Mitleid mit mir? Das war unser zweites richtiges Gespräch und er hielt mich bereits für etwas, das man auf diese Weise ansehen musste? Ein seltsames Glucksen entkam mir. Dean fuhr sich über die Stirn, »Soll ich dich nach Hause bringen? Du scheinst-?«
»Ich komm klar.« Ich entzog mich seinem Griff und setzte meinen Weg fort. Ich brauchte kein Mitleid.

»War Schön dich zu sehen, Dean.« war alles was ich noch hervor brachte.

***

Der Himmel war bewölkt. Aber man hätte die Sterne sowieso kaum sehen können. Wegen Luftverschmutzung, oder so etwas. Ich versuchte mit meiner Bierflasche ein wenig nach links zu rudern, aber das brachte nichts, stattdessen trieb ich einfach nur im Kreis. Ich konnte mich nicht erinnern, wie ich nach Hause gekommen bin, wie spät es war, oder warum ich angezogen in meinem Pool vor mich hin trieb, aber es war auch egal. Schließlich war es mein Pool. Ich konnte ihn benutzen wann immer ich wollte. Ich sah hinab zu meinen Sneakern, die triefend von einer Poolnudel an der Oberfläche gehalten wurden. Vor mich hinkichernd, wackelte ich mit meinen Zehen.

»Wie lange willst du da noch so rum stehen und starren wie ein Stalker?«, ich schaffte es mich auf den Nudeln so zu manövrieren, dass ich zu dem Rand meines Balkons blicken konnte, dort wo die Reling an den Balkon meines Nachbarn angrenzte. Ich hatte ein paar Topfpflanzen davor gestellt - wegen Privatsphäre, oder so einem Scheiß - doch die waren bereits unter der New Yorker Hitze eingegangen und gaben nun den Blick auf meinen Nachbarn frei, »Du bist doch kein Stalker, nicht wahr Dean?«

Er hatte seine Arme verschränkt und sich gegen das Geländer seines Balkons gelehnt - aber er machte keinen Geheimnis daraus, dass sein Blick auf meine Seite fiel. Er antwortete nicht, und ich ließ meinen Kopf zurück in das kühle Chlorwasser sinken, spürte wie das Nass sanft durch meine Haare fuhr. »Es ist eine wundervolle Nacht, nicht wahr?« lallte ich und trank einen weiteren Schluck aus meiner Flasche. Die Hälfte kippte daneben. »Viel zu schön um allein zu trinken.« Auffordernd drehte ich meinen Kopf zu ihm, versenkte ihn damit weiter im Wasser.

Dean verschwamm für einen Moment wegen den Wellen, doch ich hörte ihn klar und deutlich seufzen, »Du solltest gar nicht erst trinken und anschließend Baden gehen.« Ich brauchte ein paar Momente, bevor ich seine Worte verarbeitete. Er klang fast schon besorgt. Das tat er oft, aber ich verstand einfach nicht wieso. Welcher Fremde war das schon? »Ist das nachbarschaftliche Freundlichkeit, die ich da raus höre?« Es dauerte einen Moment, bevor er antwortete, »Weißt du was mit Wasserleichen passiert, wenn man sie erst spät findet?« Ich konnte nicht anders, als laut aufzulachen. Er war besorgt. Putziger, besorgter Dean.

Ich stieß mich von meinen Poolnudeln und tauchte hinab, bis hinab an den Grund bevor ich mich wieder zurück an die Oberfläche treiben ließ. Grinsend zog ich mich an den Rand grinste zu ihm hinüber, »Sag mir, Dean Jeong, bist du immer so besorgt um das Wohlergehen von Fremden?« Er verlagerte sein Gewicht, stützte seine Unterarme auf die Reling die unsere Grundstücke verband, »Gelten wir denn noch als Fremde?« Er legte den Kopf schief, und schien fast, beinahe, kaum merklich zu lächeln, »Ich dachte, wir hatten so etwas wie einen Moment.«, zitierte er meine eigenen Worte von damals aus der Küche und ich grinste, hielt ihm als eine Stumme Aufforderung, eine Flasche Bier entgegen.

Und zu meiner abgrundtiefen Überraschung, schwang sich mein neuer Nachbar tatsächlich über die Reeling.

Dean war nun auf meiner Seite des Grundstücks.

Not your Friend! [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt