More Than a Feeling
BostonDean
Die Musik dröhnte aus dem Radio, während die Welt um uns herum unter ging. »Its more than a feeling!« grölte Lance denn Text mit und legte neben mir auf dem Beifahrersitz ein Luftgitarrensolo hin, während ich versuchte mich auf die Straße zu konzentrieren. »When I hear that old song they used to play,« Es war ein lausiger Versuch gewesen. Ihm zu entkommen. Warum hatte ich auch angenommen, dass es möglich wäre zu fliehen und wenigstens für ein paar Stunden nicht an ihn denken zu müssen. Und nun saß er neben mir und sang sich lautstark zu einem alten Boston Song die Seele aus dem Leib. »I begin dreaming!«
Ich versuchte, nicht zu ihm hinüber zu sehen. Vorwiegend, damit ich wegen dem starken Regen nicht gegen den nächsten Baum krachte und zudem um so zu tun, als stände mein Körper nicht in Flammen. Ich wusste nicht mehr, wann es begonnen hatte. Ab welchem Zeitpunkt ich jeder seiner Bewegungen deutlicher wahrnahm als meine eigenen. Als der Refrain erneut ansetzte und er lächelnd mit schmetterte, krallten sich meine Hände in das Lenkrad.
Ich versuchte an den Schuppen zu denken, an die Dinge ich zu tun hatte. Den eigentlich Grund, warum ich überhaupt war. An alles andere, abgesehen von Lancelot Moreau. Oder daran, wie er aussah, wenn er singend den Kopf in den Nacken rollte, wie seine Finger die imaginären Seiten zupften. Ich drehte die Musikleiser, als wir den steilen Anhang des Waldes erreichten, und die Straße verließen. »Hey!« protestierte er und setze sich wieder aufrecht. »Das war die beste Stelle!«
»Wir sing gleich da.« erklärte ich und rangierte meinen Wagen durch den matschigen Boden.
Der Regen war mittlerweile so stark, dass nicht einmal die Scheibenwischer, die alte Jagdhütte enthüllen konnten, als ich schlussendlich zum stehen kam. Seufzend sah ich auf die Umrisse der kleinen Holzhütte, verdrängte die Erinnerungen. »Willst du da jetzt wirklich aussteigen?«, fragte mich Lottie und sah skeptisch auf unsere Umgebung. Nicht gerade begierig auf eine erneute Regendusche schnallte ich mich ab, »Ich bin nicht den ganzen Weg hierher gefahren, um jetzt nur im Auto sitzen zu bleiben, oder nicht?« Lance machte ebenfalls Anstalten auszusteigen. »Du kannst im Wagen bleiben.«, raunte ich, obwohl ich bereits wusste, dass es nichts bringen würde. Schmunzelnd öffnete er die Tür und ließ die ersten Tropfen hinein, »Was für ein Gentleman wäre ich denn dann?« Keine weitere Diskussion riskieren wollend, stieg ich aus und eilte mit schnellen Schritten zur Hütte.
Doch es war der alte Schuppen hinter dem Haus, auf den ich zusteuerte. Die alten Türen öffneten sich mit einem ekelhaften Quietschen und enthüllten eine Reihe alte Werkzeuge, hölzerner Kisten, Schrott und Wände voller Gewähre. Staunend trat Lance hinter mir ein, ließ seinen Blick über die Jagdausrichtung wandern, die nun seit Jahren hier verstaubte. »Oh, wow. Dein Vater war wohl kein Tierfreund, was?« Schnaubend bahnte ich mir einen weg durch die Kisten, suchte nach einer ganz bestimmten. »Er hat mich fast jeden Sommer hier nach oben geschleift.«, erinnerte ich mich, als ich mich an ein paar leeren Monitions Kartons vorbei schob. Um mir beizubringen, ein Mann zu sein. Lance war in der Mitte des Raums stehen geblieben, schien diesen Ort mit all seinen Spinnennetzen in sich aufzunehmen. »Das klingt...« er schien das richtige Wort zu suchen. »Furchtbar?« schmunzelte ich und sah zu ihm zurück. Lancelots Blick lag auf mir.
Ich richtete mich auf, ließ meinen Blick ebenfalls auf die Gewähre wandern. Ich wusste ihren Namen, wie man sie säuberte, wie man mit ihnen tötete. Ich ballte meine Hände zu Fäusten »Ich war nie ein guter Jäger.«, flüsterte ich, als würde ich mich verteidigen müssen. Ich wollte nicht, dass er dachte, mir würde so etwas Spaß machen. Mein Blick blieb an einem bestimmten Kaliber hängen. An einem Gewehr das fein säuberlich an die Wand montiert wurde. Es war das Gewähr, mit dem ich mit 12 meinen ersten Hirsch schoss. Mein Vater hatte mir an diesem Tag zum ersten Mal so etwas wie Stolz entgegen gebracht. Ich hatte mich die darauffolgenden Nacht leise in den Schlaf geweint. »Ich wollte immer nur...« Keine Ahnung was ich wollte. Es war auch nicht wichtig.
»Beschützen?«, flüsterte Lance und riss mich aus meiner Starre. Beschützen. War es so einfach? Er zuckte mit den Schultern, »Passt zu einem Soldaten oder nicht? Ein tapferer Held, der denn Menschen-«
»Ich bin kein Soldat.« zischte ich und wandte mich wieder zu den Kartons. Kreissäge. Deswegen war ich hier. Wo zur Hölle war sie? Ich hörte wie Lance näher trat, »Nicht?« Seufzend richtete ich mich auf, drückte meinen Rücken durch. Ich war nie ein Patriot. Hat nie viel für ein Land übrig, dass meinem Vater für seine Taten nie mehr zurück gegeben hatte, als Schulden und Kriegswunden, die ihn schlussendlich umgebracht haben. Ich kämpfte nie um etwas. Hatte nichts, dass ich würde beschützen können. Keinen Grund zu kämpfen. Nie etwas, für das sich sterben lohnte. Vielleicht ist auch das der Grund, warum es schlussendlich so geendet war. »Hab' ich dir jemals erzählt, dass ich unehrenhaft entlassen wurde?«, fragte ich über meine Schulter hinweg.Lance Lippen öffneten sich einen Spalt, die Überraschung deutlich. Also hatte es ihm Mom noch nicht erzählt. »Was?« Mit einem kalten Lachen strich ich meine nassen Haarsträhnen nach hinten. Es war nach jener Nacht gewesen. In dieser Düne in der Dominik starb. Es war ein Hinterhalt gewesen, in denen uns unsere Vorgesetzten geführt hatten. Meine Mannschaft, meine Kameraden waren das Opfer gewesen, dass sie in Kauf genommen hatten um die andere Seite aus ihrer Reserve zu locken. Ein einfacher Köder. Sie hatten uns zur Schlachtbank geführt. Ich war im Krankenlager aufgewacht, als einer der wenigen, der überlebt hatte. Als ich erfuhr, dass diese ganze verdammte Scheiße geplant gewesen war, war ich schnurstracks zu meinem Offizier marschiert und- »Ich habe meinem Vorgesetzten eine verpasst.«, grinste ich. Ich bereute nichts, abgesehen von der Tatsache, dass ich ihm nicht die Nase brechen konnte, bevor sie mich von ihm weg zerrten.
»Hat er es verdient?« war das einzige, was Lancelot wissen wollte. Ich nickte schmunzelnd, »Yeah.« Unsere Blicke trafen sich über die wenigen Meter hinweg und es fühlte sich an, als wäre die Kälte des Regens verschwunden. Der Regen tropfte aus seinem blonden Haar, seinen Hals hinab. Mein Blick folgte einem Tropfen der sich über seine Wange schlängelte und an seinen Lippen hängen blieb. »Gut gemacht.«, raunte er mein Blick immer noch auf seinem Lächeln.
Die Worte rissen mich aus meiner Starre. Wie ein Schlag gegen die Brust, verließ die Luft meine Lungen. Gut gemacht. Ich glaube, er war der erste, der mir jemals diese Worte gesagt hatte.
Ich wandte mich hastig ab, entdeckte das was ich gesucht habe. Ich schnappte mir den schweren Karton und wandte mich zum gehen, »Hier ist er. Komm.« Ich ließ Lance stehen und marschierte hinaus in den Regen, nur um zwei Schritte später vor mich hinfluchend stehen zu bleiben. »Fucking shit.«
Lancelot kam neben mir zu stehen, folgte meinem Blick auf die Straße, die sich in den wenigen Minuten zu einem reißenden Fluss verwandelt hatte. Der komplette Rückweg war geflutet. Am Ende meiner Kräfte schloss ich die Augen, verfluchte das Universum. »Heißt das etwa...?« begriff er und drehte sich mit geweiteten Augen zu mir um.
Dass wir hier gestrandet waren? Das wir keine Chance hatten mit meinem Wangen den steilen Waldweg zurück zu fahren, so lange die Natur noch Katastrophe spielen wollte? Dass ich nun genau mit der Person festsaß, von der ich eigentlich fliehen wollte?
Ja, verdammt, genau dass hieß das!
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Not your Friend! [BxB]
عاطفية[Teil 2 der Not-Your-Reihe] Die Welt weiß über Lancelot Moreau nicht viel mehr, als seinen Nachnamen und die Fehler, die er begangen hat. Im Schatten seiner Brüder und hinter dem Reichtum seiner Eltern verborgen, scheint er einzig die Rolle der Entt...