64| Stille

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CORALINE
Måneskin

Darcy

Ich liebte das Haus außerhalb der Stadt. Vielleicht lag es an den verschlungenen Details der Wände, die mich immer ein wenig an ein mysteriöses Haus eines englischen Detektiven erinnerte, oder daran, dass es das erste richtige Zuhause mit Sam war. Es war ruhig hier, der Lärm New Yorks, die Zeit in unserem Apartment und alles, was sie symbolisierte, lag hinter uns. Ich liebte unser neues Haus, weil es sich wirklich anfühlte wie ein richtiges Zuhause.

Aber seit ein paar Tagen, wirkte alles hier schrecklich leer. Die Stimmen meiner Eltern waren ein geflüstertes Tuscheln. Ich wusste nicht mehr wann ich zuletzt ein Lachen gehört hatte. So war es noch nie. Egal wie schlimm es wurde, oder was auch passierte. Es war noch nie so still gewesen. Und das machte mir eine Heiden Angst. Es war, als würde selbst die Luft die unausgesprochenen Worte nicht stören wollen und hatte uns deswegen mit einer Schwere zurückgelassen.

Grandma wollte ihn erst in eine Klinik stecken. Wo sich professionelle Arschkriecher um ihn scharren würden. Dad hatte die Idee ins Spiel gebracht Lancelot zu uns zu holen. Ich verstand, warum. Ich verstand, warum es keine gute Idee war, Lancelot noch länger an solche Orte zu verbannen. Er hatte schon gut Zeit dort verbracht.

Doch um so länger er schwieg, um sie tiefer Dads Augenringe wurden und um so dunkler die Stimmung schien, um so mehr fragte ich mich, ob wir ebenfalls nicht das waren, was Lancelot brauchte. Ob es überhaupt Irgendetwas gab, dass es wieder so werden lassen könnte, wie früher.

Vorsichtig spähte ich durch den kleinen Türspalt. Die Sonne stand bereits tief und warf den Schatten seines Rollstuhls auf die dunklen Holzböden. Lancelot saß am Fenster. Meine Brust schnürte sich ein Stück zu, wie immer wenn ich es wagte und einen Blick hinein warf. Ich wusste, dass ich einfach zu ihm gehen könnte. Ich wusste, dass er sich abmühen würde, mit mir zu reden. Versuchen würde, so zu tun als ob. Das war der Grund, warum ich es noch nicht über mich gebracht hatte, den Raum zu betreten. Ich wusste das sein Grinsen mir mehr weh tun würde, als jede Träne.

Gerade als ich die Tür wieder schloss, klingelte es an der Tür. Zögernd sah ich den Gang hinab, bevor ich mich der Treppe näherte. Ich hörte ihre Stimmen bereits von oben. Ein hitziger Wortwechsel, der mich Neugier machte. Ich lehnte mich über die Reeling spähte hinab in den Flur. Ich erkannte Dads Rücken, »- nicht wirklich. Also ist die Antwort Nein.« Ich setzte mich auf die ersten Stufen, versuchte mehr zu erkennen. Doch erst, als Dad sein Gewicht verlagerte, gab er mir die Sicht frei. »Ich werde nicht verschwinden.« stellte Dean grollend fest. Selbst von hier oben erkannte ich wie ein Muskel in seinem Kiefer zuckte. Was zur Hölle wollte er denn hier?

Dad seufzte schwer, »Tut mir leid. Wirklich. Aber er braucht jetzt-« Dean versuchte sich an ihm vorbei zu schieben. »Lottie!« rief er ins Haus, ließ mich bei der plötzlichen Lautstärke seiner Stimme zusammenzucken. Jedoch schaffte er lediglich einen Schritt ins Innere, bevor Dad ihn entschieden zurück schubste.

Er positionierte sich so, schloss die Tür so weit, damit Deans Sicht nach drinnen so begrenzt wie möglich war. »Du solltest jetzt wirklich gehen.« zischte er, doch Dean versuchte immer noch einen Blick nach drinnen zu erhaschen. Mit klopfenden Herzen, drückte ich mich tiefer in die Schatten. »Nicht, bevor ich nicht beim ihm war. Ich-«
»Es geht hier nicht um dich!« fauchte Dad und ich sah, wie sich seine Schultern anspannten. Seufzend fuhr er sich die Haare nach hinten, »Fuck, hör zu. Ich weiß, dass du die Dinge mit ihm klären möchtest. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Er sitzt in einem Rollstuhl, Dean. Er-« Das schien das Gegenteil zu bewirken, was Dad bezwecken wollte. Deans Blick wurde durchzogen von einer Entschlossenheit, die mir eine Gänsehaut bereitete. »Ich muss nur sehen, dass er okay ist. Ich muss-« Erneut versuchte er einzutreten, erneut hielt Dad ihn auf. »Das ist er aber nicht! Okay! Er ist nicht okay!« Die Worte verhalten in der Diele, ließen eine summende Stille zurück.

Zittrig holt euch Luft, und auch Dad schien sich zu sammeln. Seufzend schüttelte er den Kopf: »Und irgendein Volltrottel, der ein Jahr lang gebraucht hat, um überhaupt nur so etwas wie Reue zu spüren, wird nichts daran ändern!« Dean trat zurück, fuhr sich aufgebracht über sein Kinn, »Ich weiß, dass ihr mich hasst. Und ich nehme das in Kauf-« Ein Schnauben. »Wie ehrenhaft von dir.«

»Percival, Ich flehe dich an, ich-«
»Er ist nicht wegen dir in diesem Zustand, weißt du? Wenn das der Grund ist, warum du hier bist.« Dean war nicht deswegen hier. Aber das würde Dad nicht verstehen. Er hatte sie nicht zusammengesehen. Er verstand die Verzweiflung in Deans Blick nicht. Eine seltsame Erkenntnis sickerte durch meine Adern. »Er hat schon schlimmeres erlebt, als ... was auch immer ihr wart.« Dean kniff gequält die Augen zusammen, »Er ist mein bester Freund. Ich ... Ich-« Dad schüttelte entschieden den Kopf,
»Ich werde dich nicht rein lassen, bis er nicht explizit nach dir fragt.« Ich sah wie Deans Schultern nach unten sackten, wie er den Blick für einen Moment abwenden musste. »Und bis dahin solltest du nach Hause gehen.«
»Das kann ich nicht.« stieß er hervor. Dad sah ihn eine Weile an, bevor er schwer seufzte.

Für einen Moment dachte ich schon, er würde ihn hinein bitten. »Dann schätze ich mal, du solltest dir einen Regenschirm zu legen. Es soll heute Abend regnen.« Doch stattdessen schloss er schlichtweg die Tür. »Sagt ihm wenigstens dass ich hier war! Sagt ihm-!« Seine Stimme verschwand hinter der Tür, ließ den Flur wieder still zurück. Dad starrte eine Weile auf seine Hand, auf die Klinke, auf die Tür - als würde er das Gespräch noch einmal durchgehen. Als würde es noch nach hängen. Es dauerte 30 Sekunden, bevor er seufzend seinen Rücken durchdrückte und seinen Kopf hob.

»Er liebt ihn, Dad.« flüsterte ich, da ich nicht zulassen konnte, dass die Stille weiter an diesem Momenten zerrte. Sein Kopf schnellte zu mir nach oben. Ich sah wie sich seine Augen weiteten als er mich in den Schatten der Treppen entdeckte. Ein trauriges Lächeln, das wahrscheinlich aufmunternd gemeint war, schlich über seine Züge, »Ich weiß, Darce. Ich weiß.«

Aber Dad hatte Recht. Hier ging es nicht um Dean. Hier ging es nicht um seinen Verrat, oder Gwaine. Hier ging es nicht mal um ein zerbrochenes Herz. Hier ging es um die Konsequenzen die wir nun zu tragen hatten, da wir lieber mit dem Komfort seines Lächelns gelebt haben, als mit der Kälte seines Inneren.

Hier ging es darum, dass Lance nicht mehr so tun konnte, als wäre alles okay. Hier ging es darum, dass zum ersten Mal seit Jahren, alle wussten, dass nichts okay war.

Dad kam die Treppe zu mir nach oben, setzte sich auf den Teppich neben mir. Für eine Weile starrten wir nur hinab in den Flur. Müde sackte ich gegen meinen Vater, lehnte meinen Kopf auf seine Schulter. Ich hatte das schon lange nicht mehr gemacht. Mich an ihn gelehnt. War zu erwachsen dafür geworden. »Liebe ist kein Ausgleich zu Schmerz, Kiddo.« raunte er schließlich.

»Nur weil er ihn liebt, heißt das nicht, dass der Schmerz nichtig ist, den er verursacht hat.«

Not your Friend! [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt