63| Die Farben des Herbstes

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Hurts Like Hell
Tommee Profitt, Fleurie

Dean

»Bist du sicher, dass du zurück nach New York willst?«, fragte Rory. Seufzend knöpfte ich mein Hemd weiter zu. Aurora wusste, was passiert war. Mittlerweile wusste es jeder. Doch sie schien der einzige Mensch zu sein, der nicht sauer auf mich war. Es schien, als hätte sie es bereits gewusst. Ich fuhr mir die Haare, drehte mich zu ihr um. Sie hatte es sich auf meinem Krankenbett bequem gemacht. Im Schneidersitz zupfte sie an den Falten der Bettdecke. »Ich kann ihn nicht allein lassen.«, murmelte ich.

Nicht so. Nicht jetzt.

Es war eine Woche her, seitdem er mich aus dem Raum geschmissen hatte. Seitdem er sich erinnern konnte. Ich hatte es noch ein paar Mal versucht, aber die Anweisungen der anderen waren klar gewesen. Sie hatten mich nicht mehr zu ihm gelassen. Er... Er wollte mich nicht sehen. Und das konnte ich verstehen. Dennoch. »Er hat sich nicht nur an mich wieder erinnert, Rory. Er-«
»Er braucht dich.« nickte sie und fuhr sich ihre Haare nach hinten. Seufzend sah ich zur hinab.

Sie hatten ihn Gestern nach New York verlegt. Und da ich heute endlich entlassen wurde, würde ich ihm endlich folgen können. Ich hatte noch keine Idee, wie ich ... die Dinge wieder gerade biegen würde, aber ich musste nur noch einmal mit ihm reden. Ich war mir sicher, dass wenn ich ihm verstehen lassen könnte, was dieses vergangene Jahr für mich bedeutet hatte...

»Und du bist sicher, dass du in Illinois bleiben willst?« fragte ich sie, als ich mir meine Jacke überzog. Sie hatte mir erzählt, dass sie einen Job in einem der kleinen Bücherladen meiner Heimatstadt angenommen hatte. Sie würde so lange bei Mom wohnen, bis sie auf eigenen Beinen stehen konnte. Weit weg von ihrem Vater. Es beruhigte mich, dass sie etwas gefunden hatte. Und das jemand nach Mom sehen würde, würde ich wieder zurück nach New York gehen. »Vielleicht komme ich euch irgendwann mal besuchen. In ein paar Jahren.« Wenn ihr Vater sie aufgegeben hätte.

Verstehend nickte ich, verharrte noch eine Weile länger in dem Raum, »Pass auf dich auf, Rory.« Sanft lächelte sie zu mir auf, »Du auch, Dean.« Ich wollte mich zum Gehen wenden, als ihre Stimme mich erneut aufhielt, »Dean?« Ich sah zu ihr zurück, »Es gibt Hoffnung, weißt du?« Ich presste meine Lippen zusammen.

Hoffnung, hm?

Die Frage war, für was. Für uns? Oder dafür, dass Lancelot überlebt was ich ihm angetan habe.

Percival

»Hat er schon was gegessen?« fragte Sam leise, als er zu mir in den Gang trat. Ich lehnte am Türrahmen, spähte in den offenen Raum. Das Gäste Zimmer war groß, geräumig, mit den höchsten Fenstern des Hauses. Holzböden und wundervolle Bücherregale, doch mein Blick lag unentwegt auf einer unscheinbaren Silhouette. Ich schüttelte den Kopf, wollte ihn nicht stören, dabei hörte er uns wahrscheinlich sowieso nicht zu. Seit zwei Tagen, saß er nun schon so da. Lancelots Rollstuhl stand am Fenster, während er hinaus starrte, wie eine leblose Puppe. Sam stellte sich neben mich, sah ebenfalls zum Fenster.

Es war keine Schwierigkeit gewesen, ihn zu uns nach Hause zu holen. Er würde hier - in unserem Anwesen außerhalb der Stadt - zwar noch privat medizinisch versorgt werden, aber er war raus aus einem Krankenhaus. Raus aus weißen Räumen und weg von den Medikamenten. Er war bei seiner Familie.

Ich dachte, dass würde ihm vielleicht helfen. Doch er war nun schon seit Tagen so. Redete nicht. Aß nicht. Es war fast schon so, als... Müde rieb ich mir über die Stirn. Sams Blick wanderte zu mir. »Hast du noch mal mit ihm geredet?« raunte er leise. Ich wusste, wen er meinte. Ich presste meine Lippen zu einer dünnen Linie. »Ich denke nicht, dass es eine gute Idee wäre.« Wenn man bedachte, wie Lance reagiert hatte, als seine Erinnerungen zurück kamen, war es vielleicht besser ihn für erste den Abstand zu geben, um den er gebeten hat. Vor allem von Dean. »Ich denke nicht, dass er aufgeben wird.« meinte Sam.

Ich lehnte mich gegen ihn, spürte seine Wärme in meinem Rücken, »Meinst du?« Ich hatte keine Ahnung was zwischen meinem Bruder und Dean Jeong vorgefallen war. Aber ich hatte die Verzweiflung in seinem Gesicht gesehen. Niemand würde jemanden so ansehen, würde es nur ums Geld gehen. Sam schlang seine Arme um meinen Bauch, drückte mir einen Kuss auf die Haare, gab mir somit seine Antwort.

Eine Weile standen wir einfach in der Tür. Wagten es nicht, den Raum zu betreten, konnten ihn aber auch nicht allein lassen. Wir verharrten, unfähig, auf der Schwelle.

Schließlich löste sich Sam von mir, wisperte mir einen Abschied ins Ohr, um sich wieder seiner Arbeit zu widmen. Seufzend betrat ich den Raum. Verschränkte die Arme, zögerte. Doch dann trat ich zu ihm ans Fenster. Setzte mich links von ihm auf die Fensterbank. Ich stellte den Teller mit unberührten Sandwichen zur Seite, um mit Platz zu schaffen. Sein Blick lag weiterhin auf der Fensterscheibe. Von Lancelot Zimmer sah man hinaus auf den Garten des Anwesens.

Ich hatte dieses Zimmer bewusst gewählt. Hatte die Szenerie der alten knochigen Bäume schon geliebt, als wir dieses Haus gekauft hatten um aus unserem Apartment in der Innenstadt zu entkommen. Ich dachte, die ersten Anzeichen des Herbstes würden ihn aufheitern, oder wenigstens ablenken.

Ich stützte seufzend meine Hände auf meine Knie. Sein Gesicht war blutleer. Eingefallen. Farblos. Vielleicht hing sein Blick deswegen so hypnotisiert auf dem Orange der Blätter. »Lance,« raunte ich vorsichtig. Er reagierte nicht. Sah nicht mal zu mir. Meine Hände ballten sich zu Fäusten, krallten sich in in den Stoff meiner Hose. »Lancelot.« Sein Blick hing draußen, weit entfernt, überall, nur nicht im hier und jetzt, und ich überlegte wahrlich, die Bäume fällen zu lassen, um nicht mehr mit ihnen um seine Aufmerksamkeit konkurrieren zu müssen.

Ich knirschte mit den Zähnen, ließ meinen Kopf erschöpft nach vorne sacken. Ich wiederholte die Worte des Arztes. Er braucht Zeit. Er heilt. Er ist traumatisiert. Schluckend hob ich den Blick. »Gwaine hat angerufen.« Seine Lider flatterten. »Er will morgen vorbei kommen.« berichtete ich. Das war eine Untertreibung. Gwaine rief ständig an. »Vielleicht können wir alle zusammen etwas essen. Und-«
»Sag ihm,« seine Worte waren ein raues Krächzen, und dennoch ließ die präzise Kälte seiner Worte mich erstarren. Seine Augen wanderten schleichend, als hätten sie Mühe, zu mir hinüber. Als er mich ansah, knackte meine Brust wie eine fallende Vase. Feine Risse die etwas zerstörerisches prophezeiten. Absolut leer. Seine Augen. Lance, er ... er war nicht mehr da.

»Sag ihm, er soll zur Hölle fahren.«

Not your Friend! [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt