07| Tausend Sommer zuvor

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Keep Holding On
Avril Lavinge

Aurora

Im Garten des Anwesens befand sich am östlichen Rand des Grundstückes eine große Eiche. Ihre uralten Ästen erstreckten sich in alle Himmelsrichtungen und an einem von ihnen hatte jemand zwei Schaukeln befestigt. Wahrscheinlich für die Kinder, die mittlerweile zu alt waren, als dass sie noch einen Nutzen aus einem Strick mit einem Stück Holz ziehen konnten.

Doch in jener Nacht, war diese Schaukel meine Rettung. Ich hatte meine Schuhe ausgezogen und ließ meine Zehen über dass weiche Grass wandern. Ein sanfter Wind schubste mich an, wie die liebenden Hände eines Vaters. Eine fremde Berührung in meinen Augen.

Das Anwesen ragte über die Hecken in weiter Ferne, die Lichter durchbrachen die Dunkelheit und schienen selbst was von dem Rauschen des Abends mit hier hinüber zu bringen. Ich schien und endlich weit weg. Wie eine Bedienstete, die den adligen Feierlichkeiten nicht teilhaben duftete, lungerte ich in den Schatten. Oder wie eine verstoßene Prinzessin, die nach Jahrzehnten aus dem Asyl zurück kam, beobachtete ich die Reiche und Schönen, die ihren Namen bereits vergessen hatten.

Schwer atmete ich aus. Nicht mal der Schein einer fremden Geschichte, konnte diesen Abend noch retten. Nicht mal eine fremde Haut schien frei von dem Bluterguss, der sich auf meiner Wange anbahnte. Ich wollte nach Hause. Dabei stellte ich immer mehr in Frage, was genau das eigentlich war.

»Du scheinst einen noch schlimmeren Abend zu haben, als ich.«, erklang eine Stimme von rechts. Mein Kopf schnellte zu der freien Schaukel neben mir, auf der nun niemand anderes saß als Lancelot.  Seine Hände lagen um die Stricke, während er sich fragend ein wenig vor gebeugt hatte, mich beäugte, als hätte er mir schon die ganze Zeit Gesellschaft geleistet. Schnell wischte ich mir die restlichen, eingetrockneten Tränen von der Wange. »Nicht, dass es ein Wettbewerb wäre,« schmunzelte er, »aber so wie du aussiehst, scheinst du gewonnen zu haben.«

Ein Schnauben entkam mir. Ja, ich wette, ich machte gerade einen sehr elendigen Eindruck.

Dabei wusste Lance absolut gar nichts. Ich lächelte standhaft zu ihm hinüber, »Ich wollte nur ein wenig frische Luft.« Er glaubte mir kein Wort. Das erkannte ich an der Art, wie seine Züge sich verzogen. Dieser Gesichtsausdruck hatte sich selbst nach all den Jahren nicht verändert. Er durchschaute mich immer noch wie damals.

Ich sah hinab auf meine nackten Füße. Es gab eine Zeit, da dachte ich, dass ich und der Moreau Junge für immer Freunde sein würden. Für immer in diesem elendigen Garten bleiben könnten. Doch... Die Dinge änderten sich. »Hey, kannst du dich noch daran erinnern, als wir Haarfarbe in Gwaines Shampoo gemischt haben?«, kicherte er, und schien mit den Gedanken ebenfalls in die Vergangenheit gerutscht zu sein. Schmunzelnd legte ich den Kopf in den Nacken, erinnerte mich. Wir mussten uns den ganzen Tag vor dem absolut furiosen Gwaine verstecken und seine Haare zierten bis zum Ende des Sommes ein leichter pinker Stich. Ich kicherte, »Er hätte dir am liebsten den Hals umgedreht!«
»Ja,« er lehnte sich nach hinten, holte Schwung, »Ich glaube, deswegen ist er Heute noch sauer.«

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, und ich sah wieder nach vorne zum Anwesen. Es wirkte alles so unendlich weit weg. Was war nur passiert? Früher waren wir bereit gewesen, uns zusammen dem Zorn von Gwaine Moreau zu stellen, und nun? Nun waren wir keine Kinder mehr: ich war die Verlobte von Aaron, und er? Er war das schwarze Scharf der Moreaus. Wir trafen uns nur noch flüchtig auf irgendwelchen Galas oder Partys - redeten über das Wetter - waren nicht viel mehr als ein paar Fremde mit verblassenden Erinnerungen.

Not your Friend! [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt