53| Flut

1.2K 155 22
                                    

Iris
The Goo Goo Dolls

Lancelot

»Hier,« Dean reichte mir eine weitere Wolldecke, die ich mir dankbar um die Schultern schlang. »Danke.« Der Regen nahm nicht ab und so blieb uns nichts anderes übrig, als uns in der alten Jagdhütte Unterschlupf zu suchen. Es war gerade Mal ein großer Raum, der sowohl Küche und Wohnzimmer zugleich war. Ich vermutete, das Badezimmer und das Schlafzimmer lag hinter den geschlossenen Türen. Jedenfalls hoffte ich das.

Dean trat an das Feuer des Kamins, vor den ich mich gekauert hatte und legte einen Scheit nach. Sofort verschlangen ihn die Flammen. Dieser verdammte Holzhaufen von Hütte hatte anscheinend keine Heizung und so blieb mir nichts anderes übrig, als es mir in mehreren Decken vor dem Feuer bequem zu machen. Frieren tat ich dennoch. Ich ignorierte das Zittern und dachte an warme Orte. Mein Bett, die Karibik, eine Sauna - »Geht es dir gut?« Blinzelnd sah ich zu Dean, der sich neben mich auf den Holzboden gesetzt hatte. »Abgesehen von den Zehen die ich mir gerade abfrieren, geht es mir bestens.« Kopfschüttelnd sah er in die Flammen, »Ich hab dir gesagt, dass du nicht mit fahren sollst.« Hätte ich gewusst, dass wir in einem Set für einen Horrorfilm enden würden, wäre ich wohl auch Zuhause geblieben. Murrend fuhr ich mir über die Arme, »Damit du mich weiter ignorieren kannst?«

Ich wackelte mit meinen Füßen um das Gefühl in ihnen nicht zu verlieren. Dean schlang seine Decke enger um sich, »Ich gehe dir nicht aus dem Weg.« Wie um es beweisen zu müssen rückte er ein Stück näher, bis sich unsere Schultern berührten, doch vielleicht tat er das auch nur der Wärme wegen. Ich wusste es nicht. Dean ließ schwer seufzend seinen Kopf nach vorne sacken, seine Haare fielen wie ein Vorhang in sein Gesicht, verschleierten sein Geständnis: »Okay, vielleicht ein bisschen.« Da hatten wir's. Auch wenn ich erleichtert war, dass er es wenigstens zu gab, konnte ich nicht anders, als das ekelhafte Ziehen zu spüren. »Warum?«, lachte ich, so als würde es mir nichts ausmachen, dass der Mensch, der mir wohl am nächsten stand, meine Anwesenheit mied, »Hast du etwa Angst vor mir?« Es war eine ernste Frage, die meine Stimme als einen Scherz versteckte. »Panische.« Ah...

Ich presste meine Lippen zusammen und sah auf meine Hände hinab. Er befürchtete wohl kaum, dass jemand wie ich ihm körperlichen Schaden zuführen könnte. Ich war ein gutes Stück kleiner als er und hatte die Muskelkraft eines Streichholz. Aber darum ging es nicht. Dass wusste Dean. Dass wussten wir beide. Also wieso würde er mich fürchten, wenn nicht für das, was ich war.

»Du verstehst das nicht.« schob er hinterher und ich spürte seine Schulter, wie sie gegen meine lehnte, meine Aufmerksamkeit forderte, »Du kannst es nicht verstehen.« Deans Augen flackerten, doch vielleicht war es auch nur das Feuer vor uns, dass sich in dem tiefen Schwarz spiegelte. Ich versuchte seine Züge zu entschlüsseln, aber er gab mir nichts. Keine Emotion. »Dann erklär es mir.« hauchte ich, griff nach seiner Hand. »Bitte; Dean.« Er entzog sich mir nicht, sondern sah nur hinab. Beobachtete. »Du kennst mich nicht.«, stieß er hervor, als wäre das sein großes Geheimnis. Beinahe hätte ich laut aufgelacht, »Ach nein?«

Ab wann kannte man eine Person? Wenn man wusste, welche Schuhgröße sie trug, oder welche Art von Wetter sie bevorzugte? Wenn man ihre Allergien kannte und den Namen ihrer Mutter? Oder wenn man ihre größten Ängste wusste, die die Dinge die sie nicht schlafen ließen. Alle Geheimnisse, alle Sünden, alle Träume und Versprechen. Vielleicht reichte aber auch nur der Name und die Bestellung vom Chinesen.

Ich wohnte nun seit über einem Jahr neben Dean Jeong. Er war jemand dem ich vertraute. Jemand den ich schätzte. Doch kannte ich ihn? Dean beantwortete mir diese Frage: »Nicht alles.« Ich nickte verstehend. Wie konnte ich auch nur hoffen, dass mir jemand alles von sich anvertraute, wenn ich ihm ja auch nicht alles erzählt hatte. Es gab Dinge... Der Regen trommelte auf das Dach und ich atmete tief durch. »Naja, wir haben Zeit, oder nicht?« versuchte ich es und sah zu ihm hinüber. Deans Blick wurde weich - gefüllt mit einer Sanftheit, die man einem sterbenden Tier entgegen brachte, wenn man wusste dass es keine Hoffnung mehr gab. Wenn man wusste, wie es ausgehen würde, aber den Schmerz nicht nehmen konnte. »Wenn du es wissen würdest, dann...« Er drückte meine Hand, ließ seinen Kopf nach vorne fallen. Ich spürte mittlerweile die Kälte die von ihm ausging, spürte seine nassen Haare die meine Wange streiften. »Würde ich dich verabscheuen? Dich nicht mehr ansehen können?« beendete ich. Dean hob seinen Kopf nicht, schwieg. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, den ich versuchte hinfort zu lachen, »Was bist du? Ein Killerclown? Ein Furry?«

Not your Friend! [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt