Egoist
JEREMIASLancelot
Ich lehnte meine Stirn gegen das kühle Fenster seines Wagens. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte. Aber die Enttäuschung schien bereits von vornherein festgelegt worden zu sein. »Du wirst nicht aufgeben.« stellte Dean fest. Ich sah zu ihm hinüber. Sein Blick hing auf der dunklen Straße. Er hatte seine Haare zusammengebunden, doch eine Strähne hatte sich gelöst. Ich schmunzelte, »Natürlich nicht.« Seine Schultern hoben sich, als er schwer seufzte, »Lottie, vielleicht solltest du-«
»Ich tue das hier nicht für mich.« Mir war durchaus bewusst, wie das hier aussehen musste. Wie das Verhalten eines Kleinkindes, dem man keine Beachtung schenkte. Wie ein schrecklicher Versuch, etwas zu meiner Sache zu machen die mich nichts anging. Kurz schnellte sein Blick zu mir hinüber. »Was?«
»Ich weiß, dass du das denkst. Aber...« Ich löste meinen Kopf vom Glas. »Sie ist meine beste Freundin, Dean.« Die einzige Person außerhalb meiner Familie, die mich wirklich kannte. Dean befeuchtete seine Lippen, »Ich dachte ich bin dein einziger Freund?« Schnaubend sah ich nach vorne durch die Windschutzscheibe. »Du zählst nicht.«
»Wieso nicht?«Weil ich es nicht über mich bringen würde, ihn einzig als einen Freund zu bezeichnen.
Ich schwieg, wusste, dass ihm diese Antwort nicht gefallen würde. Ich hatte schon vor langer Zeit aufgehört, diese Dinge laut auszusprechen. Ich denke langsam verstand ich, warum Leute schwiegen. Dean seufzte, »Kennst du diesen Aaron?«
»Ihren Verlobten? Flüchtig.« Ich musste kichern, als ich an unser letztes Gespräch dachte. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass er mich hasst.«
»Was hast du getan?«
»Wieso gehst du davon aus, dass ich was getan habe?«
»Lottie-« Geschlagen verdrehte ich die Augen. »Na schön, vielleicht hab ich ihn ein zwei mal beleidigt aber mehr auch nicht.« Deans Finger tippten über das Lenkrad, schien zu zögern, »Was ist passiert?«Seufzend pustete ich mir ein Haar aus der Stirn. »Oh, ich habe erwähnt wie schlecht seine Haltung ist, dafür das er einen Stock im Arsc-«
»Nein.« brummte er und sah erneut zu mir hinüber. »Du weißt was ich meine.«Natürlich tat ich das. Er wollte, wissen was zwischen mir und Callaghan passiert war. Er wusste, dass ich ihn nicht allein deswegen nicht ausstehen konnte. Er wollte die Wahrheit. Die ganze beschissene Story. Ich zupfte an meinem Shirt, tat so, als hätte ich ihn nicht gehört.
»Lottie.« raunte er ungeduldig, wie ein tadelnder Lehrer. Ich ließ meinen Kopf nach hinten sinken, ließ ihn zu seiner Seite kullern, »Das willst du nicht wissen.« Diese Story wollte niemand hören. Sie war nichts was einem zum Lachen brachte. Nichts das einem den Tag verschönerte. Schlimme Worte. Schlimme schlimme Worte... Ich presste die Augen zusammen. »Anscheinend schon. Schließlich habe ich mich gerade wegen deines Racheplans gegen die Callahans durch einen Strauch Rosen gekämpft. Du kannst-«
»Ich will nicht drüber reden!« zischte ich und riss die Augen wieder auf. Dean schwieg, aber auch so erkannte ich den Schock, der ihm überkommen war. Meine Hände krallten sich in meine Jeans. Ich wurde nicht laut. Die Menschen mögen keine lauten Leute. Ich holte Luft, blinzelte krampfhaft, »Nicht- « Ich fuhr mir über die Haare, hielt meinen Blick auf die dunkle Straße vor uns. »Ich...«Er löste seine Hand vom Lenkrad. Und für einen Moment dachte ich, er würde sie mir auf mein Oberschenkel legen - eine beruhigende Geste. Doch sie verharrte in der Luft, bevor er lediglich den Blinker setzte. Ich presste die Lippen zusammen, lachte über diesen dämlichen Gedanken. »Glaub mir, Dean. Das willst du wirklich nicht wissen.«
»Wirst du krank?«, brummte er schließlich. Mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerechnet. »Was?« Er deutete auf mein Gesicht, »Du bist ... vergiss es.« Ein fettes Grinsen legte sich auf meine Lippen. Er sah süß aus, wenn er sich Sorgen um mich machte.Ich starrte ihn an. Sah ihn an, bis ich merkte dass er unter meinem Blick unruhig wurde. Ich tat das gern. Beobachtete gern wie er nervös wurde, unter meinem Blick zappelte wie Armeisen unter dem Lupenglas eines sadistischen Kindes. Aber im Großen und Ganzen sah ich ihn generell unheimlich gerne an. Ich hatte es nie verstanden wenn, Sam über die Kunst in den Galerien sprach, wenn Darcy und er mich mit sich zerrten. Über Impressionismus und die Bedeutung von Licht. Hatte nie verstanden, warum Leute stundenlang Farbe anstarren konnten. Aber ich denke ich begann zu verstehen. Lächelnd erlöste ich meinen Nachbarn und schloss die Augen.
»Und was jetzt?«Ich öffnete die Augen nicht, als ich ihm antwortete, »Hm?«
»Was machen wir als nächstes?«Ja, was kam nun? Ich würde zu dieser Hochzeit gehen. Ich würde mich nicht einmischen, dass hatte ich ihr versprochen. Aber ich würde nicht Zuhause hocken. Es war immer noch Rorys Hochzeit. Ich muss nur noch jemanden ausfindig machen, der bereit wäre mich als seinen Plus-one einzubeziehen. Und ich denke, ich wusste da jemanden.
Grinsend trommelte ich auf dem Armaturenbrett herum, als sich mein Plan vor meinem inneren Auge materialisierte. Ich ließ meinen Kopf zur Seite kippen, klimperte theatralisch mit den Wimpern, »Schon mal überlegt deine Fotos zu veröffentlichen, Herr Fotograf?«
•••
Dean
Es war kalt in der Galerie. Ein gewaltiger Unterschied zu der Sommerhitze, die draußen vor der Tür wütete. So angenehm dieser ewig weiße leere Raum einzig gefüllt mit ein paar Fotografien auch war, verstand ich nicht warum Lancelot mich ausgerechnet hier her geschleift hatte. Als er gestern im Auto meinte, er hätte einen Plan, hatte ich etwas anderes im Kopf als nun seit einer gefühlten Ewigkeit vor einem einzigen Bild zu verharren. Ich drehte mich zu Lance, der - mit seinen Händen hinter den Rücken verschränkt wie ein Kritiker- das Bild durchgehend studierte. »Was tun wir hier?«, fragte ich flüsternd. »Ich bin gerade dabei dir einen richtigen Job zu verschaffen. Nicht diesen Computerscheiß.« Ich runzelte die Stirn. Mal abgesehen davon, dass ich nicht verstand wie diese kulturelle Weiterbildung irgendwas mit meiner Karriere zu tun hatte, waren seine Worte einfach nur irrsinnig. »Ich habe einen richtigen Job. Ich programmiere-«
Lance drehte sich zu mir herum, »Wie auch immer. Vertrau mir einfach.« Das sagte er so einfach. Das letzte Mal als er das meinte, stand ich keine 10 Minuten später in einem Haufen Büsche um Security-Kameras zu umgehen um in das Zimmer einer fremden Frau einzubrechen. Lance schien meine Sorgen zu erkennen, »Das wird dir gefallen.«, säuselte er und stupste mit mit einem Ellenbogen sanft gegen meinen. Schnauben drehte ich mich zu der Fotografie zurück. Es war ein Werk von Henri Cartie-Bresson. Es zeigte einen Treppenaufgang durchzogen von Tauben. Es war wahrscheinlich Millionen Wert. Seufzend verschränkte ich die Arme, »Das wage ich zu bezweifeln.«
»Bezweifle von mir aus die Geburt deiner Großmutter, aber wir wissen beide, dass ich Recht habe.«
»Lottie, du-«
»Sir, ihr Angebot wurde eingereicht.« Erklang eine Stimme hinter uns, und ich sah aus den Augenwinkeln wie Lance sich ein erschrockenes Fluchen unterdrückte. Die Schritte des Mannes waren lautlos gewesen. »Er möchte Sie sehen. Bitte folgen Sie mir.«Lance setzte sich in Bewegung, als wüsste er wovon der Mann dort geradere redete. Er? Ich heftete mich an seine Fersen. Hatte er etwa vor, das Bild zu kaufen? »Dein Angebot?«, flüsterte ich während dem Gehen in sein Ohr. Lance schlenderte lächelnd dem Mann hinterher, als wäre das keine große Sache, »Ich habe gesetzt.« Stand dieses Bild überhaupt zum Verkauf? Ich beschleunigte meine Schritte um ihn nicht zu verlieren, »Was? Wieso? Wie viel?«
Doch Lance lächelte nur. So, wie er es immer tat.
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Not your Friend! [BxB]
Roman d'amour[Teil 2 der Not-Your-Reihe] Die Welt weiß über Lancelot Moreau nicht viel mehr, als seinen Nachnamen und die Fehler, die er begangen hat. Im Schatten seiner Brüder und hinter dem Reichtum seiner Eltern verborgen, scheint er einzig die Rolle der Entt...