38| Ein Traum in Weiß

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Oktober Skies
Mumford & Sons

Aurora

Der Tüll meines Kleides wehte über die Gänge, als ich sie blindlings entlang hastete. Ich hatte keine Zeit mir eine Szene auszudenken, eine Geschichte, bei der ich so tun konnte als ob. Heute war ich keine imaginäre Person. Heute war ich ich. Und Heute war ich wütend.

Die Bediensteten auf den Gängen warfen mir schräge Blicke zu, als ich an ihnen vorbei raste, doch ich hatte keine Zeit mich mit ihnen zu befassen. Die Braut sollte den Bräutigam vor der Zeremonie nicht sehen, weswegen unsere Zimmer an den anderen Enden des Anwesens gelegt worden waren. Doch ich befürchtete, dass ich mich nicht an diese Tradition würde halten können.

Die Zeremonie würde in kürze beginnen. Aber davor musst ich etwas klären. Und zwar sehr dringend.

»Aaron!« Ich stieß die Zimmertüren auf, die zu dem Räumlichkeiten führten, die am heutigen Tag die Kammern des Bräutigams sein würden. Mein Zukünftiger war gerade dabei, seinen Kragen im Spiegel zu richten, als ich schwer atmend hinter ihm zum stehen kam. »Aurora? Was-?« Ich japste nach Luft, hatte die Entfernung und den damit verbundenen Sprint deutlich unterschätzt. Ich klammerte mich an meine stechende Seite, versuchte zu reden, während Aaron auf mich zu ging. »Kannst du es etwa nicht abwarten mich zu sehen?«, lachte er. Tief holte ich Luft, »Ich muss mit dir reden!«
»Ist etwas passiert?«
»Ja! Ich meine Nein!«

Es war so viel passiert im selben Moment war aber auch alles gleich geblieben. Und genau das war das Problem. Vielleicht war ich gar nicht dazu verdammt, immer nur alles geschehen zu lassen. »I-ich ... es geht um uns.« Seine Augen wurden zu Schlitzen und etwas in mir drinnen, wollte bereits kneifen. Aber das konnte ich mir nicht mehr erlauben.

»Ich weiß, dass du mich nicht liebst. Aber ich möchte, dass du wenigstens so tust als ob.« stieß ich hervor und kniff die Augen zusammen. Mein Herz raste, wie als würde ich ein Verbrechen begehen. »Von was redest du-?«
»Ich will, dass du deine Affären beendest. Und zwar alle!«, die Worte verhalten wie ein Schuss. Als Aaron schwieg, öffnete ich blinzelnd die Augen. Er stand vor mir. Sah mich an. Meine Hände krallten sich in den lächerlichen Tüll.
»Ich möchte nicht wie eine Witzfigur behandelt werden. « Er schwieg immer noch und so sprach ich weiter, »Zudem möchte ich einen Teil der Firma führen! Nichts großes, aber ... ich bin überaus gut mit zahlen, deswegen fordere ich-«
»Fordern?« schnaubte er.

Wie ein Raubtier trat er auf mich zu. Seine Schritte lauernd, schleichend. Augenblicklich wich ich zurück. »Ich glaube, du hast da was falsch verstanden.«, seine Stimme klang auf einmal so anders. Hatte den üblichen liebevollen Klang verloren, in dem ich mich in der Vergangenheit so oft verloren hatte. Seufzend vergrub er seine Hände in seinen Hosentaschen, »Der Deal ging über deinen Vater. Das heißt du bist nicht in der Position Anforderungen zu stellen.« Mein Puls wurde immer schneller, »Aber-!«
»Ich geb' dir einen gut gemeinten Rat.« Er blieb nicht stehen, kam immer näher. Ein spöttisches Lächeln auf seinen Lippen, »Sei einfach die Aurora die du warst, bevor du hier wie eine völlig Irre reingeplatzt bist.« Er zupfte an einer der Locken, die sich aus meiner Frisur gelöst hatte. Ich spürte wie meine feuriges Adrenalin sich in etwas kaltes verwandelte. Etwas stechendes. »Du warst so schön stumpf. Hat die Hochzeit dich nervös gemacht? Keine Sorge, bald muss du dir über gar nichts mehr Gedanken machen.«
»Nein.«, stieß ich hervor. So würde es nicht laufen. Das hätte Mom nicht gewollt. Überrascht hob er die Augenbrauen, »Nein?«
»Ich weigere mich, so ein Leb-« Er packte ruckartig mein Gesicht, zerquetschte es zwischen seinen Fingern, die bald seinen Ehering tragen würden. »Jetzt hör mal zu, Kleine.« fauchte er und ich unterdrückte ein ängstliches Wimmern. »Du kannst froh sein, dass du einigermaßen ansehnlich bist, sonst wärst du und dein Vater bald da draußen mit den ganzen anderen Obdachlosen, ist dir das eigentlich klar?«

Seine stechende Augen konkurrierten mit der Schärfe der Worte. Das hier. Das hier war der Mann, den mein Vater für mich ausgewählt hatte. Das hier war meine Zukunft. Ich war ja so töricht.

»Dir sollte es schon genügen, dass ich dich überhaupt heirate.« Erbärmliche Tränen schwellten in meine Augen. Ich wollte nicht weinen. Ich wollte schreien und kämpfen, und ihn besiegen. Aber Heute war ich ich. Und Heute war ich schwach. Er ließ meine Wangen los, sah hinab zu meinen Lippen, »Und jetzt halt deinen hübschen Mund und geh da raus und lächle. Das schaffst du doch wohl, oder nicht, Liebling

Schnaubend wandte er sich ab, und marschierte mit erhobenem Blick aus den Türen durch die ich vor wenigen Augenblicken voller Hoffnung gestürmt war. Meine Knie gaben nach und ich sank zusammen, zwischen all dem teuren Stoff. Zwischen einem Traum aus Weiß.

•••

Lancelot

Ich war noch nie ein Fan von Hochzeiten. Nicht wegen dem Anlass - Liebe war toll und alles - sondern wegen den Personen. Es schien, als würde jeder einzelne Mensch, den ich nicht sehen wollte, auf einmal vor mir stehen und mir mit einem mitleidigen Blick in die Augen sehen. Mich für meine Stärke bewundern - eine nette Art auszudrücken, dass ich durch Zufall nicht abgekratzt bin - und gleichzeitig fragen, wie es denn bei mir so aussah. Mein Liebesleben. Während sie insgeheim dachten, dass sich so wieso niemand lange genug in meiner Nähe aufhalten würde, um nur jemals auf den Gedanken zu kommen, mir überhaupt nur einen Antrag zu machen. Diese Feste waren für mich nur eine Tortur aus Nicken und Lächeln und noch mehr Nicken und so zu tun, als würde ich nicht durchgehend schreien wollen.

Die einzige Hochzeit, wo ich mich nicht total betrinken musste, war die von Sam und Percy. Doch auch da musste ich Dads Versuchen entkommen, mich erneut mit irgend einem Sohn von jemanden zu verkuppeln. Bald würde ich meinem alten Heeren eine weiße Schärpe, so wie Pfeil und Bogen mit Herzen bestickt kaufen, da er anscheinend drauf und dran war, Cupid den Job zu klauen.

Auch jetzt an diesem angenehmen Spätsommertag, kam ich nicht drum herum mir ein weiters Sektglas von einem der Tabletts zu klauen. Ich hatte mich davon geschlichen. Zwar würden meinen Eltern sowie Percy es diesmal nicht zu diesem Anlass schaffen, weil sie sich mal wieder sonst wo herum treiben, aber das würde mich nicht vor Gwaine retten, der hier irgendwo herum lungern musste und - was weiß ich!- kleinen Kindern Albträume bescherte. Ich hatte Sebastian vor langer Zeit in der Menge verloren und war ehrlich gesagt auch dankbar darüber. So konnte ich mich ungestört zu einem der etwas entfernteren Pavillons davonstehlen und diese Scharade mit genügend Abstand beobachteten.

Ich wusste, dass ich den Callaghans begegnen würde. Aaron war ich bereits über den Weg gelaufen, und das hatte mir gereicht. Ich wollte auf gar keinen Fall ihr über den Weg laufen. Ich trank einen kräftigen Schluck. Das würde ich Heute nicht aushalten. Warum war sie überhaupt zurück gekommen? Ohne es zu wollen, ließ ich meinen Blick über die Menschen wandern. War sie hier? Natürlich war sie es. Sie war die Mutter des Bräutigams. Aber würde sie mich suchen? Mich finden? Mich-?

Etwas tropfte auf meinen Handrücken. Ein kleiner roter Tropfen zierte meine Haut. Augenblicklich stellte ich mein Glas ab und suchte eine Serviette. Aber ich war nicht schnell genug, denn das Blut tropfte bereits auf mein Hemd. Fucking shit! Warum musste dass denn ausgerechnet jetzt passieren? Ich hatte Nasenbluten. Ich sah mich ein letztes mal um, bevor ich mich von den Festlichkeiten abwandte und Richtung Anwesen zu stapfte.

Die Zeremonie würde jeden Moment beginnen, ich hoffte nur, ich würde den Blutfleck vorher herausbekommen. Sonst würde Gwaine mich umbringen. Doch die größere Herausforderung würde es sein, in diesem Labyrinth aus Räumen die Toiletten zu finden. Ich bog um die Ecke des Hauses, als ich unsanft gegen etwas krachte. Fluchend wich ich zurück, versuchte das Blut nicht auf die Person zu bekommen, gegen die ich gerade unsanft geknallt war. »Shit, sorry. Ich habe Sie nicht geseh-« Die Entschuldigung blieb mir im hals stecken, als ich aufsah.

Mir klappte der Mund auf, »Was zur Hölle machst du denn hier?«

Not your Friend! [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt