51| Ein starker Regen

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In the Meantime
Spacehog

Lancelot

Ich sah von meinem Buch auf, als ich die Schlüssel im Schloss klimpern hörte und beobachtete, wie Rory sich mit voll bepackten Tüten durch die Diele quetschte. Hinter dem Berg Einkäufen erkannte ich auch Min-hee. »Seid ihr schon zurück?«, fragte ich und eilte ihnen zur Hilfe, nahm ihnen ein paar der Tüten ab. Als ich in die Pfützen trat, die sie mit hinein brachten, hatte sich meine Frage bereits beantwortet. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass es angefangen hatte zu Schütten. »Ja, der Regen hat die meisten Kunden verschreckt, deswegen haben wir früher zusammen gepackt.« Rory stellte die übrigen Honiggläser auf die Küchenplatte und wischte sich die nassen Haarsträhnen aus der Stirn.

Wir waren nun seit einer Woche bei Min-hee. Die Tage waren schnell vergangen, auch wenn es unumstößlich langsam eng in dem kleinen Bungalow wurde. Die Stille hier machte mich wahnsinnig. Rory hingegen schien aufzugehen. Es war nun das dritte Mal, dass sie Min-hee zum Markt begleitete, um ihr dort beim Verkauf ihres Honigs zu helfen. Ich wusste nicht, ob sie es tatsächlich so genoss wie sie es behauptete, oder einfach nur unter Menschen kommen wollte, aber Min-hee hatte sie damit definitiv auf ihre Seite gezogen. Die beiden redeten ständig über die Bienen der älteren Frau und ließen mich damit mit niemand anderem als einen grummligen pseudo-Handwerker zurück.

Dean arbeitete durchgehend an diesem verdammten Schuppen. Als hätte ihn der Geist eines Schreiners besessen, hobelte er Holz, hämmerte er bis früh und spät. Ich hoffte jedenfalls, dass es ein Schreiner war, der ihn gefangen hielt, denn sonst würde ich noch vermuten, dass er mir aus dem Weg ging.

Ich reichte Rory ein Handtuch mit dem sie sich die Locken trocknete, bevor ich mich auf einen Küchenstuhl schwang. »Und? Irgendwelche neuen Gerüchte, was so in dieser Stadt vor sich geht?« Schnaubend setzte Min-hee Wasser auf, bevor sie zu uns zurück sah, »Alles über was in diesem Kaff gesprochen wird, ist der Preis der Eier. Der übrigens viel zu hoch ist.« Ich nickte zustimmend, obwohl ich keine Ahnung hatte wie viel eine Packung kostete. »Das stimmt nicht ganz.«, raunte Rory und lehnte sich verdächtig über die Tischplatte zu mir hinüber, »Die ganze Stadt redet darüber, dass Dean zurück ist. Man hat ihn anscheinend öfter im Baumarkt entdeckt.« Ich runzelte die Stirn, »Anscheinend sein neues Zuhause.« Was war Dean hier? Eine Berühmtheit?

Das wäre gar nicht so abwegig. Wie sich herausstellte, kennte hier jeder Min-hee. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie diese Stadt im Geheimen leiten würde. Wie der Chef einer organisierten Untergrund Bande, oder so was. Ich musste bei dieser Vorstellung grinsen. Kein Wunder, dass die Leute auch wussten, wer Dean Jeong war. Wie aufs Stichwort sah Min-hee hinaus in den Regen, ihr Gesicht eine missbilligende Mine. »Ich brenne diesen verdammten Schuppen noch ab, wenn er sich weiter dort draußen im Regen den Tod holt.«
»Brutal, Min-hee.« grinste ich und erhob mich von meinem Stuhl. »Wo gehst du hin?«
»Ich sorge dafür dass unser Bob der Baumeister hier mal das Nageln sein lässt.«

Ich schob die Tür zur Veranda auf und trat hinaus in den durchtränkten Rasen. Das Geräusch des Hämmern wurde fast durch den Regen davon geschwemmt, doch es war laut genug um mich in die richtige Richtung zu führen. Ich war binnen Sekunden bis auf die Knochen nass. Doch das machte mir nichts. Ich vergrub meine Hände in meinen Taschen und blieb erst ein paar Schritte vor seinem provisorischen Arbeitsplatz stehen. Unzählige Bretter lagen in dem Rasen verteilt und ich hoffte, meiner nackten Füße Willen, dass er keine Schrauben hatte herum liegen lassen. »Hey.« rief ich aber er sah nicht zu mir. Ich musste ein paar mal seinen Namen brüllen um eine Reaktion von ihm zu bekommen.

Seine Haare klebten ihm in der Stirn wie Tinte, während er den Regen versuchte davon zu blinzeln. »Was machst du hier draußen?«, rief er, als wäre ich derjenige, der den ganzen Morgen im Regen gestanden hatte. »Ich bewahre deine Mutter davor Brandstiftung zu begehen.« Verwirrt verzog er die Stirn und ich trat seufzend näher. »Hast du noch länger vor, hier draußen zu bleiben?« Ich spürte wie meine Klamotten immer schwerer wurden und bereute langsam, nicht wenigstens Socken angezogen zu haben. Dean sah hinab auf sein Holz, »Ich will das hier noch fertig machen.«
»Und das kann nicht warten?«

Wenigstens bis wir nicht mehr im Stehen ertranken?

Der Regen schien meine Worte wieder zu übertönen, den er antwortete nicht, stattdessen schien er irgendwas auszumessen. Er hatte sich über die Bretter gebeugt, vertieft in irgendwelche Zahlen. Seltsam unruhig, trat ich von einem Bein auf das andere, versuchte die Situation nicht zu etwas zu machen, dass sie nicht war. Dean wollte einfach nur produktiv sein in unserer Zeit hier, es war lächerlich auch nur anzunehmen, dass er nicht in den gleichen vier Wänden wie ich sein wollte. Vor allem seitdem mir Min-hee erklärt hatte, was es mit dem Schuppen auf sich hatte. Aber das hier? Die Art wie er meinem Blick auswich? Es nervte mich zutiefst.

So wollte er also spielen? Na schön!

Entschieden stellte ich mich neben ihm, spähte ihm über die Schulter. Dean hielt inne, sah über seine Schulter zu mir hinweg, »Was wird das?« Ich zuckte beiläufig mit den Schultern, »Ich war noch nie gut in handwerklichen Dingen.« Ich begegnete seinem Blick, wusste dass er das Trotzen darin sah, »Vielleicht kann ich ja was von dir lernen?« Du wirst mich nicht los. Ich dachte, wir hätten das bereits etabliert. Seine Augen verengten sich knapp, »Du solltest hinein gehen.« Ich lächelte nur, machte keine Anstalten zu gehen. Seufzend richtete er sich auf, drehte sich vollständig zu mir um, »Lottie.«
»Hm?«
»Geh wieder rein.«
»Nö.«

Er holte genervt Luft, während ich mich auf die Zehenspitzen stellte um ihm auf seiner Höhe in die Augen sehen zu können, »Ich geh nur rein, wenn du es auch tust.« Ein spöttisches Schnauben entkam ihm, aber er wich erneut meinem Blick aus, »Das ist kindisch.«
»Total, nicht wahr?« Wir lieferten uns ein Blickduell. Der Regen machte es schwer ihn gut zu erkennen, aber ich würde nicht einknicken. Die Tropfen sammelten sich an seinen Wimpern, liefen seine Züge entlang, bis sie sein Kinn hinab tropfen. Es war nicht fair, dass er sogar durchtränkt wie ein begossener Puddel noch aussah, wie aus einem Modekatalog. Gespielt frierend fuhr ich mir über die Oberarme, verschränkte sie zitternd vor der Brust. Dean wandte sich grummelnd ab, legte sein Werkzeug zur Seite. »Du bist furchtbar, weißt du das?«

Ich hatte gewonnen.

Grinsend harkte ich mich bei ihm unter, schritt mit ihm zurück zum Haus. »Ich weiß.«

•••

»Gehst du etwa schon wieder los?« hörte ich Min-hee aus der Küche. Ich kam gerade aus einer heißen Dusche - der Regen hatte mir mehr zugesetzt, als ich mir eingestehen würde - und fuhr mir gerade mit einem Handtuch die Haare trocken. Neugirig horchte ich auf, näherte mich der Küche. Es hatte immer noch nicht aufgehört zu regnen, und es machte auch nicht den Anschein, als würde es das Heute noch. Und ich wusste genau, mit wem sie gerade redete.

Dieser Typ konnte nicht mal ein paar Stunden stillsitzen?

Dean hatte sich die Autoschlüssel geschnappt und band sich am Esstisch gerade die Schuhe. Ich stellte mich neben Min-hee, die ihn aus der Küche aus besorgt musterte. »Ich fahr zu Dads alter Jagdhütte.«, erklärte er uns, ohne von seinen Schnürsenkeln aufzusehen. Missbilligend schnalzte sie mit der Zunge, »Das ist eine zwei Stunden fahrt! Und bei dem Wetter-!«
»Ich hohl nur seine alte Kreissäge und bin sofort wieder zurück.«, erklärte er und erhob sich von seinem Stuhl, sah uns beiden entgegen. »Für was brauchst du um diese Uhrzeit noch eine Kreissäge? Und bis du wieder da bist, ist es stockdunkel. Du wirst nicht-!«
»Ich bin wieder zurück, bevor du es merkst.«, er lächelte zu seiner Mutter hinab, als würde ihn diese nicht gerade mit ihren Blicken durchbohren, bevor er an uns vorbei in Richtung Diele marschierte.

Binnen Sekunden hatte ich meine Schuhe geschnappt und folgte ihm. Er hatte gerade die Tür geöffnet, als er sah was ich vor hatte. »Auf keinen Fall!«, abwehrend hob er die Hände, doch ich beachtete ihn gar nicht, »Du wirst nicht mitkommen.« Ich drückte mich grinsend an ihm vorbei und öffnete erneut die Haustür, stiefelte auf seinen Wagen zu. »Lancelot!« hörte ich ihn hinter mir zischen, als mich der Regen erneut empfing. Die Dusche hatte es ja voll gebracht. »Du wirst nicht mit fahren, hast du mich gehört?« Ich drehte mich zu ihm um, ohne stehen zu bleiben, »Nicht? Wie hast du dann vor den Motor zu starten?« Fanatisch fuhr er über seine Taschen, doch vergeblich. Seine Augen weiteten sich, als sein Blick wieder zu mir schoss. Grinsend klimperte ich mit seinen Schlüsseln. »Wie zur Hölle-!«

»Nun komm schon!« Ich drehte mich wieder zum Wagen. »Na schön.«, grummelte er hinter mir und ich erlaubte mir triumphierend zu lächeln. »Aber ich werde fahren.« Als hätte ich ihn nicht gehört, stiefelte ich zu der Fahererseite. »Lancelot

Der Regen war einfach zu laut, wie es schien. »Ich fahre!«

Not your Friend! [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt