12| Zweite Erste Eindrücke

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10x Stronger
Dominic Fike

Lancelot

In der Wohnung neben meiner wohnte seit über 5 Jahren eine älter Dame namens Dorothy Kingsley. Das dachte ich jedenfalls. Doch als ich heute Mittag in einem Sturm aus Kopfschmerzen und Reue aufgewacht war, ich mich zurück erinnerte, musste ich fest stellen, dass mich meine treue Nachbarin verlassen hatte. Sie war eine reizende ältere Dame gewesen, die mich öfter auf dem Gang grüßte, sollten wir uns begegnen. Oft fragte sie mich, ob ich gesund war, und gut über die Runden kam, und nicht nur ein Mal hatte sie mir unbemerkt ein paar Dollar zu gesteckt. Ich hatte ihre Sorge um mich lange nicht verstanden, bis ich irgendwann realisierte, dass sie wahrscheinlich anhand meiner Klamotten - meistens ein paar Nummern zu groß, mit allerhand Löchern- annahm, dass meine finanzielle Situation nicht gerade die Beste war. Doch auch trotz ihrer etwas veralteten Denkweise, war sie eine wundervolle Nachbarin gewesen.

Sie hatte sich nie über Lärm von Partys beschwert oder hinterfragt, warum ich oft monatelang einfach so verschwand. Doch nun wohnte neben mir jemand neues. Jemand, der wohl noch nicht so schwerhörig gewesen ist, um die Partys einfach zu ignorieren. Müde fuhr ich mir über die Stirn. Es war nicht meine Art überrascht zu werden. Ich wusste immer, was oder wer mir bevor stand. Und hätte ich die letzten Wochen wohl etwas öfter mein Bett verlassen, hätte ich wahrscheinlich auch bemerkt, das jemand neues eingezogen war. Doch ich war die letzten Tage nicht wirklich ... ich Selbst gewesen.

Es war nun zwei Wochen her seitdem ... Ich dachte eine Party würde helfen, ablenken, doch ich lag falsch. Selbst das hatte Percys Standpauke für mich ruiniert, und nun hatte ich nicht nur einen Kater, sondern auch einen heißen Nachbarn, der mich für einen kotzenden Schnösel hielt. Nicht, dass das drastisch von der Wahrheit abweichen würde, aber...

Ich schlenderte, einen Teller Kekse in der Hand, durch die Kartons die achtlos in die Küche gestellt wurden und ließ meinen Blick durch die Wohnung wandern. Hohe Wände, ein glattes weißes Designkonzept und eine riesige Fensterwand, die einen Blick auf die Skyline erlaubte. Nicht gerade die Wohnung, die ich mir für Miss Kingsley vorgestellt hatte, aber ich wusste generell nicht viel über ihr Privatleben. Nur, dass sie nun wahrscheinlich einen besseren Ort gefunden hatte, um ihre Rente zu verbringen.

Mein Blick fiel auf die Küchentheke, auf die achtlos ein paar Briefe geschmissen wurden. Ich versuchte nicht hinzusehen, schließlich ging es mich nichts an, aber ... Rechnungen, Mahnungen und- »Du bist tatsächlich hier?«, stellte eine tiefe Stimme hinter mir fest. Ich drehte mich zu meinem neuen Nachbar um, nur um augenblicklich blinzelnd die Augen zu schließen. Das Licht der Morgensonne fiel blenden durch die Fenster und mir in die Augen, verwandelte den Mann vor mir für die ersten Sekunden in eine schwarze Silhoutte. Ich kniff meine Augen zusammen und hob eine Hand schützend nach oben, bis sich meine Sicht anpasste. »Nüchtern und mit einem Teller Keksen, wie versprochen!« ich hielt den Teller, wie als Beweis, in die Höhe.

Um ehrlich zu sein, hatte ich angenommen, dass ich Gestern zu betrunken war, als dass seine Erscheinung mit meiner Erinnerungen übereinstimmen könnten. Doch vor mir standen tatsächlich, die gleichen breiten Schultern und das charmante Gesicht, dem ich Gestern vor die Füße gekotzt hatte. Ich hielt mein Grinsen wacker oben, als ich dieses alberne Gefühl von Scham zertrat wie Ungeziefer. Er lachte auf und kam auf mich zu, »Ein Mann seiner Worte,« murmelte er und betrat die Küche, »Aber die meisten Menschen würden klingeln. Und nicht einfach...« er deutete auf meine Erscheinung, doch ich ging gar nicht darauf ein, musterte ihn stattdessen.

Er war definitiv jünger als Misses Kingssley. Die Gestalt vor mir hätte auch genauso gut aus einer der Kunstausstellungen kommen können, in die mich Darcy immer mitschleifte. Ich machte keinen Hehl daraus, dass ich ihn anstarrte. Ich hatte ja schließlich gestern kaum die Verfassung dazu gehabt. Offen wanderte mein Blick über ihn und seine Proportionen - breite Schultern, definierte Oberarme -die genauso gut aus Marmor hätten gemeißelt sein können. Ich glaube, ich hatte gerade die Antwort auf alle Fragen gefunden, die sich die Künstler der Antike wohl gestellt hatten.

Not your Friend! [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt