37| Fast

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Coal
Dylan Gosset

Aurora

Ich kann das nicht. Mein Hochzeitskleid sah aus wie das einer Puppe. Groß und puffig und furchtbar. Ich ertrank förmlich darin. Die Gäste waren fast alle eingetroffen. Das Besteck auf ihren Plätzen. Der Pastor an seinem Platz. Und ich konnte das hier nicht. Ich starrte mir entgegen.

Meine Haut war eingefallen. Meine Augen leer. Ich sah nicht aus wie eine Braut. Eher wie ein Rind das gleich versteigert wurde. Man hatte mir meine schweren Locken nach oben gesteckt, mit unzähligen Nadeln, so dass ich Angst hatte mich zu bewegen. Ich kann das nicht.

Meine Hände krallten sich in den Tüll des enormen Rocks. War es das nun? In wenigen Stunden würde ich den Garten unseres Anwesens entlang schreiten und einen Mann heiraten, der höchstwahrscheinlich gerade dabei war mit einer wildfremden Kellnerin sonst was zu tun. Und wenn diese ganze Fassade vorbei war, würden alle nach Hause gehen. Vater würde das bekommen was er wollte - Die Callaghans die sein Unternehmen retteten. Und die Callaghans die sich den Namen Mahelona unter den Namen reißen konnten. Alle wären glücklich.

Alle, bis auf ich.

Ich wusste, immer das dass hier mein Schicksal sein würde. Dass ich für die Familie leben würde. Doch seit Mom tot war... Wäre das hier mein Schicksal? Für immer nur ein Mittel zum Zweck. Ich wusste das das meine einzige Aufgabe war. Und ich dachte, immer das ich diese Verantwortung würde tragen können. Dass ich tun könnte was man von mir verlangte. Aber vielleicht ... vielleicht war ich nicht stark genug.

Vielleicht war ich egoistisch und habgirig und schlecht, aber ... ich kann das hier nicht.

Selbst wenn mein Leben zu nicht viel mehr wert war, wollte ich dennoch nicht für den Rest meines Lebens ein Charakter im Hintergrund sein. Nur einmal - ein einziges Mal - wollte ich leben. Und zwar nur für mich. Aber ab heute würde das hier nicht mehr möglich sein.

Ich starrte mich an. So oft tat ich so als wäre ich jemand anderes,  um den Tag zu überstehen. Vielleicht war es heute an der Zeit ich selbst zu sein.

•••

Lancelot

Der Motor summte. Ich konzentrierte mich auf das Dröhnen, konnte so den Rest ausblenden. Es war Samstag. Auroras Hochzeit. Und ich saß in meinem besten - und einzigen- Anzug in Sinclairs Wagen. Ich wusste, dass ich ein paar ungute Blicke mit meinem Auftritt auf mich ziehen würde, aber das waren nicht die Sorgen, die sich im Moment in meinem Kopf ausbreiteten. Gedankenverloren knetete ich meine Hände. Ich hatte seit Tagen nicht mehr mit Dean geredet. Es war albern und kindisch, aber ich konnte ihn momentan einfach nicht sehen. Nicht wenn ich wusste, dass mindestens ein Funke seines Seins eifersüchtig auf Sebastian Sinclair sein konnte. Wenn ich wusste, dass es einem Teil von ihm nicht egal war.

Ich hatte es also gemieden, in seiner Wohnung aufzutauchen - so wie ich es so oft ohne einen zweite Gedanken tat. Auch er schien meinen Kontakt nicht zu suchen - aber nach den letzten Tagen hatte ich realisiert, dass es stets ich selbst war, der ihn aufsuchte. Es war nie er, der vor meiner Tür stand. Ich war es. Immer nur ich. Ich schluckte, heftete meinen Blick auf die verschwommenen Szenerien vor dem Fenster. »Geht es dir nicht gut?« Sinclair saß neben mir auf der Rückbank, richtete gerade seine Manschetten, als ich mich zu ihm wandte.

Auch er hatte sich für die Hochzeit einer alten Freundin mächtig herausgeputzt. Sein dunkler Anzug schmeichelte seiner dunklen Haut, und der perfekt sitzende Stoff schien seinen Körper praktisch zu umarmen. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Polster, grinste zu ihm hinüber, »Keine Sorge. Ich werde dich nicht blamieren.« Kein Versprechen, dass ich leichtsinnig gab. Sebastian senkte seinen Blick auf die Manschetten, sah mich unter seinen Wimpern hinweg an, »Du könntest mich niemals blamieren, Lance.« Das war eine glatte Lüge. »Bist du sicher? Damals auf dem Geburtstag deines Schwagers-«
»Um Himmels Willen!« Sein bellendes Lachen erfüllte den Wagen. »Er redet heute noch nicht mit mir.«

Not your Friend! [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt