78| Theater

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Bird Set Free
Sia

Lancelot

Gerüche brachten Erinnerungen mit sich. Es war oft so, dass ich einen vergessenen Ort allein durch einen bestimmten Geruch wiederentdeckte. Doch den eines Theaters - staubige Vorhänge, polierte Holzböden- hatte ich niemals vergessen. Doch jetzt, wo ich wieder hier auf den besagten Holzleisten stand, spürte wie er unter meinen Füßen leicht nachgab, hörte, wie die Mensch hinter dem Vorhang raunten, realisierte ich, dass ein Teil von mir immer dort geblieben war. Hinter einem Vorhang. Doch diesmal war es nicht meine Bühne. Nicht mein Auftritt. Und doch spannten sich meine Muskeln an, als würden sie gleich in Position gehen müssen. Ich reckte mein Kinn, wie als würde ich gleich wieder hinaus ins Scheinwerferlicht treten. Mein Körper hatte es nach all den Jahren nicht vergessen.

Grinsend lehnte ich mich gegen eine Requite, schüttelte die Spannung ab und beobachtete wie sich Darcy dehnte. Sie trug bereits ihr Kostüm, ein elegantes Tutu, während ihre Haare ordentlich hochgesteckt waren. Ich konnte mich noch erinnern, als sie mit ihrem ersten Knall-pinken Tutu durch das Wohnzimmer gejagt war. Und jetzt sieh sie an. Ich verschränkte meine Arme, lehnte meinen Kopf gegen einen der Holzbäume, die bereits für ihren Auftritt im Zweiten Akt bereit standen. »Und? Nervös?« gab ich mich preis.

Darcy wirbelte überrascht zu mir herum. »Lance? Ich dachte du wärst schon auf deinem Sitz, so wie Dad!« Das sollte ich auch eigentlich. Ich hatte mich davon gestohlen, konnte nicht anders als einen Blick hinter den Vorhang zu werfen. Verschmitzt stieß ich mich ab, kam auf sie zu, »Ich wollte nur sehen, ob du nicht schon durch das Badezimmerfenster entkommen bist.« Ballerina, sowie Crew-Mitglieder eilten an uns vorbei, schenkten uns kaum Beachtung. Darcy's blasses Gesicht verzog sich ertappt, »Nein, aber ich bin kurz davor.« Ich tippte ihr gegen die Stirn, »So schlimm?« Erschöpft stützte sie sich ihre Hände in die Hüften, »Ich ... Ich glaub ich kann das nicht!«

»Woah hey!« Beruhigend legte ich ihr die Hände auf die Schultern, versuchte den Geist eines Football-Coach zu kanalisieren. »Jetzt scheiß dir mal nicht ein, Sweetheart!« Darcy war nicht jemand der kneifte! Unruhig fuhr sie sich über die Stirn, spähte zum Vorhang. »Was ... was wenn ich was falsch mache? Hinfalle, oder so was?« So lange es nur das war! Sanft schüttelte ich sie durch, »Dann steh einfach wieder auf.« Es klang albern, aber so einfach war es. Wenn du fällst, steh wieder auf. Wenn du stolperst, mach weiter. So lange sie da raus geht, hat sie bereits alles geben. Streng sah ich sie an, drückte ihre Schultern, »Du schaffst das. Denk nicht drüber nach. Einfach tanzen.« Sie nickte, atmete tief durch, »Einfach tanzen.« Ich sah hinter ihr, wie sich bereites eine Traube Tänzerinnen ansammelte. Ihre Blicke huschten zu uns und ich realisierte, dass das ihre Freundinnen sein mussten. Stolz flickte ich ihr gegen die Nase, bevor ich sie umdrehte und in Richtung der anderen Mädchen schob, »Ok. Und jetzt geh da raus und Rock die Bühne.«

Doch bevor sie ging, wirbelte sie zu mir zurück, umarmte mich fest. Schnaubend erwiderte ich die Umarmung, »Hals und Bein Bruch.« Ein letztes Quetschen, »Ich seh dich nach dem Auftritt?«
»Ich werde der laut Jubelnde sein.« versprach ich, bevor sie zu den Mädchen eilte. Eine Weile verharrte ich, beobachtete wie sie aufgeregt mit einander tuschelten, bevor ich den Rückzug antrat. Nicht, dass mich noch jemand hier erwischte, der wusste, dass ich hier schon lange nichts mehr zu suchen hatte.

Dean wartete in den Schatten einiger Kisten auf mich, schloss sich mir an, als ich an ihm vorbeikam, »Das war süß.«
»Klappe.« raunte ich schnaubend und stahl mich durch die Stahltür, durch die ich gekommen war. Dean folgte mir schweigend, einzig unsere Handrücken streiften sich fast wie durch Zufall auf unserem Weg. Erst als wir das Foyer erreichten, in dem die anderen mit wichtig aussehenden Leuten redeten, ergriff er erneut das Wort, »Wie geht es dir?« Ich hielt meinen Blick auf Percy, der gerade einen fremden Mann anlächelte. Ich erkannte an der Art des Lächelns, dass es sich um einen Geschäftspartner handeln musste. »Ich hab Hunger.« gestand ich. »Ich glaub', ich klaue mir vor dem Auftritt noch-« Er griff nach meinem Handgelenk, wirbelte mich zu ihm zurück. Wir kamen mitten in diesem vergoldetem, verschnörkelten Saal zum stehen und doch war das schwarz seiner Augen, das wertvollste, was ich entdecken konnte. Eine tiefe Sorge lag darin, die mich schlucken lies, »Lottie

Er wollte die Wahrheit wissen. Denn er wusste, dass es mein erstes Mal war. Mein erstes Mal wieder in einem Theater, seitdem ich in einem gestorben war. Ich senkte ertappt meinen Blick. Es war nicht der selbe Ort. Das Theater von Darcy's Akademie war kleiner, nicht ganz so prunkvoll wie das Theater aus jener Nacht. Aber das musste es auch nicht. Das Gold, das Holz, die Menschen - es war alles so gut wie das selbe. Ich spürte den kalten Schweiß, die Angst. Wie ein stilles Echo rollten die Erinnerungen in Wellen über mich. Bemüht lächelte ich zu ihm auf, streifte mit meinem Finger, wie als eine Bestätigung dass es mir gut ging, über seine Hand, »Ich denke einfach nicht drüber nach okay?« Ein Muskel in seinem Kiefer zuckte und ich entschied mich endgültig nach seiner Hand zu greifen,  »Das ist schon lange her.« Er schien nicht überzeugt. Beruhigend drückte ich, verschloss unsere Finger ineinander. Sein Blick wanderte hinab zu meiner Berührung, »Lance, wenn es zu viel wird, dann-«
»Die Aufführung beginnt gleich.« Sam war hinter uns aufgetaucht, erschreckte mich zu Tode. Ich löste meine Hand, wandte mich zu ihm.

»Dann sollten wir wohl keine Zeit mehr verlieren, was?«

•••

Wir hatten gute Sitze. Wenn nicht sogar die besten in diesem ganzen Saal. Aber was anderes hatte ich auch von Percival Moreau nicht erwartet. Ich spähte zu ihm und Sam hinüber. Die beiden tuschelten wie verliebte Teenager und ich musste an mich halten um nicht die Augen zu verdrehen. Ich sah wieder nach vorne, zwang mich tief durchzuatmen. Die Lichter wurde gesenkt und die Masse verstummte. Es ging los.

Ich roch den Geruch der Nebelmaschine, erkannte die leichten Schwaben die sich bereits durch die ersten Ränge schoben. Und dann fiel der Vorhang. Kalter Boden, der in meinen Rücken starch. Das Aufschreien der Menge. Meine Hände krallten sich in die Lehnen. Atmen. Ich blinzelte auf die Bühne, sah die ersten Tänzer. Hörte die sanften Klänge der Musik. Das Glitzern des Kronleuchters über mir. Vermummte Stimmen, Meilen weit entfernt. Ich presste die Augen zusammen. Meine Finger schmerzten, so sehr krallte ich mich in das Holz. Es war alles gut. Es war alles gut. Die Gewissheit, dass ich sterben würde. Zittrig holte ich Luft. Ich konnte das hier nicht. Ich musste hier raus. Ich musste- Eine schwere Hand legte sich auf meine. Dean griff nach meiner Hand. Ich blinzelte zu ihm hinüber. Er lächelte. Er war hier. Ich streckte meine Finger, ließ das Holz los, konzentrierte mich auf das Gefühl seiner Hand. Er war hier.

Ich atmete. Ich lebte. Ich sah wieder nach vorne. Und dann sah ich sie. Darcy tanzte. Ihre Bewegungen schienen federleicht, beugten sich der Musik. Sie war wundervoll.

Und im nächsten Augenblick war die Angst verschwunden. Da war nur noch mein Mädchen und die Musik. Ich hatte es vergessen. Wie schön es war. Das Ballet. Die Musik. Das Licht. Doch da stand sie. Ihre Schritte präzise, graziös, perfekt. Meine Hände juckten, aber nicht mehr der Panik wegen. Es war eine Sehnsucht. Ein Wunsch. Ein Gefühl, von dem ich vergessen hatte, das ich es jemals gespürt hatte. Ich atmete aus.

Ich wollte wieder tanzen.

Not your Friend! [BxB]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt