das ist die Wahrheit

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15. Februar 2036
p.o.v Neha

Ich starrte einfach nur die Türe an, aus welcher Bear gelaufen war. Wie konnten Bear und Free innerhalb so kurzer Zeit so viel Schaden anrichten? Ich fuhr mir durch die Haare.

Am liebsten wollte ich die Beiden anschreien, warum zu fick sie dachten, dass es eine gute Idee wäre, jahrelanges emotionales Trauma jetzt auszuschütteln. Der Anblick von Liam, wie er immer noch da stand und einfach die Tränen laufen ließ und Louis, wie er am Tisch saß und sein Gesicht in den Händen vergraben hatte, brach mir mein Herz.

Aber so leid mir die Beiden auch taten - ich konnte nichts gegen Bear und Free sagen, denn sie hatten Recht in jedem einzelnen Punkt. Jedes einzelne Wort, das sie ausgesprochen hatten, war nichts anderes außer die harte und traurige Wahrheit.

Ich erhob mich und lief ohne ein weiteres Wort aus der Türe und in Frees Zimmer. Ich kannte meine Brüder gut genug, um zu wissen, dass sie es durchziehen würden. Die Beiden würden so schnell nicht nach Hause zurück kommen und dafür brauchten sie Klamotten und ihr anderes Zeug. Ich kramte die größte Tasche heraus und fing an, Frees Kleiderschrank dort hinein zu sortieren. Es hatte nicht Platz für alles, aber für die nächsten Wochen sollte es reichen.

„Du hilfst ihnen wirklich dabei, abzuhauen." Ich drehte meinen Kopf zur Türe und sah meinen eigenen Vater dort stehen. Genau wie ich war er in der vergangenen Stunde sehr ruhig gewesen. „Es ist nicht wirklich abhauen, wenn die Kinder angekündigt haben, dass sie weggehen."
„Nicht, wenn die Eltern keine Ahnung haben, wo die Kinder sind."

Ich zuckte mit meinen Schultern. "Geh runter und kümmere dich um deine Freunde. Genau das Selbe werde ich auch tun." Mein Vater lächelte leicht. „Du bist eine gute Freundin." „Ich weiß."

Ich ignorierte ihn und suchte weiter die wichtigsten Sachen zusammen. Sein Ladekabel, ein, zwei Bücher, sein liebstes Kuscheltier.
„Du hast mir auch etwas zu sagen. Oder liege ich da etwa falsch?"
Ich schaute ihn nicht an. "Wie kommst du darauf?" „Ich habe gesehen, wie du ruhig wurdest als Bear meinte, das wäre eure Chance, uns endlich eure Meinung zu sagen. Was willst du mir sagen, Neha?"

Ich seufzte und hörte auf, Frees Klamotten einzuräumen. „Was willst du von mir hören?" „Die Wahrheit. Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann sprich."
Ich schüttelte meinen Kopf. „Was würde das bringen? Heute sind schon genug Tränen geflossen und Familien zerbrochen. Es ist nicht nötig, dass noch eine weitere dazu kommt." Mein Vater betrat das Zimmer und schloss die Türe. „Neha. Sprich mit mir. Scheiß drauf, ob du mich verletzt. Ich will die Wahrheit wissen."

Ich biss mir auf die Lippen und meine Augen füllten sich mit Tränen. "Okay. Du hast es so gewollt. Du bist kein guter Vater, besser als Liam und Louis, aber immer noch absolut kein guter. Ja, ich spüre die Liebe, die du für mich hast, aber trotzdem ändert das nichts an der Tatsache, dass du nie da warst für mich, du hast dich nie mit mir unterhalten und unser Haus war immer leer. Ich hatte zwar einen Vater, aber ich hätte genau so gut keinen haben können. Es hätte keinen Unterschied gemacht. Meine "Phase" - wie ihr sie alle so schön nennt - war doch nur ein Hilfeschrei, damit du mich endlich bemerkst.

Aber selbst da war ich dir egal. Es war dir egal, dass ich morgens schon getrunken habe, du hast es einfach ignoriert. Genau so, wie du mich immer ignoriert hast. Ich verstehe nicht warum. Wie konntest du so viel Abstand zu mir halten und immer noch sagen, ich wäre deine Tochter?

Du denkst zwar, du bist von deinen Freunden das beste Elternteil, weil ich anders als Free und Bear aufgehört habe zu schwänzen und die perfekte Schülerin geworden bin. Aber die Wahrheit ist - du bist genauso schlecht wie die anderen Beiden.

Weißt du, warum ich mein Leben so plötzlich geändert habe? Nicht, weil ich plötzlich zu Sinnen gekommen bin oder mich mein Leben gelangweilt hat. Nein. Ich wäre beinahe drauf gegangen!
Ich lag mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus. Stundenlang wusste man nicht, ob ich überhaupt überleben würde.

Und ja, es war mein Wunsch, dass du davon nichts mitbekommst, aber es ist schon fast traurig, wie leicht es war mein Krankenhausaufenthalt zu vertuschen.
Die Kur auf der ich war war keine Kur. Es war eine fucking Entzugsklinik. Ich bin trockene Alkoholikerin, das ist die Wahrheit."

Mein Vater starrte mich mit großen Augen an. „Neha..." Ich unterbrach ihn. "Ich bin noch nicht fertig. Mein Exfreund - die Person, die ich über alles geliebt habe und verfickt nochmal immer noch liebe, hat mich betrogen! Ich war am Boden. Ich habe mich jeden Tag in den Schlaf geweint. Meine einzige Stütze waren Bear und Free. Ich erzähle dir das nur, weil wir zwei Jahre langs zusammen waren und du noch nicht einmal seinen Namen kennst.

Du warst so abwesend in meinem Leben, dass du nie mitbekommen hast, wann es mir schlecht ging. Du hast nie mitbekommen, wie sehr ich durch die Hölle gegangen bin und wie sehr ich kämpfen musste, um hier zu sein wo ich jetzt bin. Du dachtest einfach nur meine Phase wäre jetzt endlich vorbei und ich bin wieder das brave Mädchen, das du kanntest."

Ich fing wieder an, Frees Sachen zusammenzupacken. Ich wollte nur noch hier weg. Ich konnte Free und Bear gerade sehr gut verstehen. Abstand war genau das, was ich gerade brauchte. „Und noch was - du hast kein Recht dazu, jetzt plötzlich mit Liam einen auf Familie zu machen und so zu tun, als ob du schon immer für mich da gewesen wärst.
Nur, weil du jetzt anfängst, dich für mein Leben zu interessieren, heißt das nicht, dass das all die Jahre gut macht, in denen zwischen uns nichts anderes als emotionaler Abstand herrschte.

Du kannst dir verflixt nochmal nicht aussuchen, wann es dir gerade passt, deine Vaterrolle in meinem Leben zu spielen und wann nicht. Du bist mein Vater! Das ist ein Full-Time-Job! Kein "Oh, jetzt gerade passt es gut zu meiner Lebenssituation"! "

Dad kaute auf seiner Lippe herum. "Danke für deine Ehrlichkeit." Ich nickte und merkte, wie sich mein Gesicht verhärtete. „Bitte. Und jetzt entschuldige mich, ich gehe zu Free und Bear. Ich glaube, wir sollten alle erstmal eine Runde durchatmen, realisieren und verarbeiten, was gerade passiert ist."

Ich schloss die Tasche und lief aus der Türe. „Kommst du bald wieder?" Ich blieb stehen, drehte mich aber nicht um.

„Ich weiß es noch nicht."

I'll wait for you (L.S)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt