Das war kein Kompliment

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10. Februar 2036

p.o.v. Freddie

Der Strand war erfüllt von Stimmen, Musik und Gelächter. Jeder einzelne sah so unfassbar glücklich aus, aber am meisten strahlte das neu verheiratete Paar. Ich gönnte es Austin und Lilith so sehr; die beiden hatten es verdient. Aber ich war Gott froh, nicht mehr hier sein zu müssen, wenn Austin die Hiobsbotschaft verkünden würde, dass die beiden ausziehen würden. 

Obwohl vermutlich keiner von beiden jetzt gerade an die Zukunft dachte, lebten sie im Moment. Etwas, was ich noch lernen musste: im Moment leben und nicht an die Zukunft denken. Okay, das bekam ich eigentlich ganz gut hin. Nein, viel wichtiger war es zu lernen, nicht in der Vergangenheit zu leben. Aber dieser gottverdammte Ort – auch hier am Strand sah ich nur die Erinnerung an sie.

Juli 2029

Ich starrte einfach nur auf das offene Meer. Verdammt, ich wollte hier nicht weg. All meine Freunde waren schon vor Stunden nach Hause gegangen; es war weit nach Mitternacht, nur der Mond schenkte mir Licht. Ich zündete eine Kippe an und nahm einen Zug. Sofort hustete ich schrecklich. Rauchen war noch so ungewohnt. 

Ich wünschte mir, dieser Moment würde ewig anhalten. Hauptsache, ich musste nicht nach Hause und mich meinem beschissenen Stiefvater stellen. Alle egal, solange ich Tony nicht sehen musste. Was dachte sich Mom überhaupt, wieder zu heiraten? Vor allem, so einen? Eine absolute Missgeburt. "FUCKKK", schrie ich in den Himmel. "FUCK!" Ich sprang auf und wirbelte mit meinem Fuß den Sand auf. "Fuck, Fuck, fuck." 

"Hey, hey, was hat der arme Sand dir getan?" Ich zuckte zusammen und drehte mich zu der Stimme. Ich erkannte es in der Dunkelheit schlecht, aber ich erkannte die Umrisse von einem Mädchen. Ich schätze, sie war 11 oder 12; auf jeden Fall war sie nicht älter als ich. Und wow, sie hatte die wunderschönsten Haare, die ich je gesehen habe. Das Blond erkannte man sogar im Mondschein. "Nichts", zischte ich und ließ mich wieder in den Sand fallen. 

Das Mädchen setzte sich neben mich. "Scheiß Tag gehabt?" Fragte sie. Ich nickte. "Meine Mom hat geheiratet, und ihr Mann ist die Ausgeburt der Hölle." Das Mädchen lachte. "Ah, Stiefeltern, damit kenne ich mich auch aus. Meine Stiefmutter ist 'ne Hure." Ich grinste. "Mein Name ist übrigens Hally." Ich streckte meine Hand aus. "Freddie." Sie schüttelte meine Hand. "Freut mich, dich kennenzulernen, Freddie." Hally runzelte die Stirn. "Der Name ist süß." "Danke." "Das war kein Kompliment." "Ach." "Der Name ist ja süß - solange du wie alt bist? Sechs? Aber wir sind Teenager!" 

Ich lachte. "Du hast doch keine Ahnung, wie alt ich bin." Sie musterte mich. "12." Ich grinste sie an. "Shit, das stimmt." Hally lächelte mich an. Und ich glaube, in meinem ganzen Leben habe ich noch nie so ein Lachen gesehen, so herzlich und offen. "Wir sind also gleich alt." "Januar." "März. Verdammt, du bist älter." "Yes." Ich ließ mich in den Strand fallen und schaute in den Himmel. Es war eine sternenklare Nacht. 

Hally legte sich neben mich. "Ich glaube, ich nenne dich Fred." Ich hob eine Augenbraue hoch. "Wehe, ich bin doch keine 50." Sie blieb eine Weile stumm. "Ich überlege mir was." "Das heißt, du planst, dass wir uns noch öfter sehen?" Hally schenkte mir dieses unglaubliche Lächeln. "Aber natürlich, wir haben uns nachts am Strand getroffen. So fangen die besten Freundschaften an." "Wir sind befreundet?", fragte ich lachend. "Natürlich, du wirst mich nie mehr los."

Ich wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Wie sehr ich mir wünschte, diese Worte wären wahr geworden. Aber ich hatte Hally seit sechs Jahren nicht mehr gesehen, und ich wusste genau, dass ich sie auch in den nächsten sechs Jahren nicht sehen werde. 

"Neha", ich stupste meine beste Freundin an. "Mhm?" "Falls wer fragt, ich bin kurz auf dem Klo." Sie musterte mich besorgt. "Wohin gehst du?" Ich lächelte leicht. "Ich sag nur kurz einer alten Freundin Hallo." Neha nickte kurz. Und ich lief langsam den Strand entlang, bis ich von der Hochzeitsgesellschaft nichts mehr mitbekam und ein kleiner Weg in meinem Sichtfeld auftauchte. Er war zugewuchert, und es dauerte eine Weile, bevor ich mich durch das Gestrüpp gekämpft bekam.

I'll wait for you (L.S)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt