- 106 - Bitteres Erwachen ⚠️

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Yamada Aya

Kalt. Mir war eisig kalt. Das war das Erste, was ich spürte, als ich mich allmählich aus der tiefsten Dunkelheit meines Unterbewusstseins hervor wühlte.

Diese Kälte schmerzte. Sie kroch von meinen Fingern und Zehen, meine Beine und Arme entlang, wo sie meine Kehle zuschnürte.

Mein nächster bewusster Atemzug schmerzte höllisch und ich hustete, dass ich abermals fast in der Dunkelheit versank. Doch die vertrauten Stimmen der Coaches waren mein Rettungsanker.

Eine Berührung an meiner Schulter und ich schreckte ruckartig auf.

Meine Lider flogen auf und ein helles Licht blendete mich augenblicklich. Ich kniff die Augen zusammen. Es roch nach Desinfektionsmittel.

Wo bin ich?

Rechts nahm ich eine Bewegung an meinem Sichtfeld wahr und ich drehte meinen Kopf leicht. Coach Naoi stand dort und griff nach meinem Handgelenk, ließ es jedoch augenblicklich los, als ich zusammenzuckte und versuchte, es wegzuziehen, jedoch hatte ich kaum Kraft. Ich war in jeder Hinsicht schwach.

"Entschuldige, Aya." In Coach Naois Mimik spiegelte sich fast so viel Schmerz wider, wie ich fühlte.

Coach Nekomata lehnte an der Wand hinter ihm. In den sonst so sanftmütigen Augen schürte sich Zorn.

Ein plötzliches Kratzen im Hals ließ mich erneut hustend zusammenkrümmen.

Nach einer gewissen Zeit beruhigte ich mich und jemand von der linken Seite hielt ein Glas Wasser mit einem Strohhalm vor mich.
Ich griff danach, aber meine Hand wurde sanft wieder nach unten gedrückt.

Die Knöchel hatten Schürfwunden und waren schmerzhaft blauviolett. Geschockt nahm ich die verletzte Hand in meine und strich sanft über die Wunden.

"Was ist passiert?", wollte ich fragen, jedoch kam nur ein klägliches Krächzen aus meinem Mund.

"Nicht sprechen. Trink erstmal, Aya."

Das war Inuokas Stimme! Schnell schaute ich auf und blickte in seine warmen braunen Augen. Das eine war ebenfalls von einem dunkelblauen Ring umgeben.
Mein Blick schweifte über sein ganzes Gesicht, welches mit weiteren Blessuren versehen war. Auch sein Hemd war dreckig und zerrissen.

Vorsichtig berührte ich sein Kinn, wo er eine große Schürfwunde hatte.
Was war geschehen? Was war mit Inuoka passiert?

Hat Shiba ihn auch verletzt?

Tränen sammelten sich in meinen Augen und liefen meine Wangen hinunter.

"Mir geht's gut. Keine Sorge." Er setzte ein beruhigendes Lächeln auf, aber es erreichte nicht wie sonst seine Augen. Sie strahlten stattdessen eine gewisse Traurigkeit aus. "Trink, bitte", bat Inuoka mich. "Die Ärztin hat gesagt, dass das deinem Hals guttun wird."

Stumm nickte ich und trank langsam und vorsichtig einen kleinen Schluck durch den Strohhalm. Es schmerzte, weshalb ich das Gesicht verzog, aber die Kühle tat gut.

"Die Ärztin meinte auch, dass es anfangs etwas wehtun wird, weil deine Kehle stark gequetscht ist. Demnach wirst du die nächsten Tage auch Schwierigkeiten beim Sprechen haben", klärte Coach Naoi mich auf, woraufhin ich nickte. Das verstand ich, schließlich hatte Shiba mich bis zur Besinnungslosigkeit gewürgt.

Diese widerwärtige Faszination in seinen Augen. Sie brannte sich in meine Netzhaut und ich bekam eine Gänsehaut. Ich schüttelte mich vor Kälte und Ekel.

Ich bemerkte eine weitere Person im Raum, die weiter weg stand und sich jetzt rührte. Meine Sicht brauchte einen Moment, bis sie sich scharf stellte. Irgendwie sah ich auf die Entfernung verschwommener als sonst.

Kenma stand gegenüber meinem Bett und zog seine Jacke aus. Ich hatte ihn bisher gar nicht bemerkt. Er sprach auch bis dato kein Wort. Auch als er zur mir kam und seine Jacke um meine Schultern legte, schwieg er. Kenma sah mich nicht mal an. Das einzige, was er tat, war die Jacke enger um mich zu schließen und sich dann wieder an die Wand zu lehnen. Den Blick gesenkt.

Wieder versuchte ich zu sprechen, aber mehr als ein "Ke-" brachte ich nicht zustande.

"Aya, bitte. Schone deine Stimme." Coach Nekomata rührte sich nun und stellte sich neben Coach Naoi.

"Es ist einiges passiert heute." Dann begann er zu erzählen, was er wusste.

Die Jungs hatten das Krachen aus meiner Umkleide gehört und wollten nach mir sehen.
Inuoka hatte sich mit Shiba geprügelt und alles daran gesetzt, dass er nicht abhaute, genau wie Yamamoto.
Ich hatte kaum noch geatmet, als die Coaches dazugestoßen waren.
Shiba wurde verhaftet.

"Das war's für ihn. Damit wird er nicht ungestraft davonkommen", beendete Coach Nekomata seine Erzählung.

Augenblicklich fing ich wieder an zu weinen und heftige Schluchzer erschütterten meinen Körper.
Ich zitterte.
Eine Last fiel von mir ab.
Die Befürchtungen, dass die vorherige Anzeige zu nichts führen und Shiba ungestraft davonkommen würde, waren damit vollends beiseite geschoben. Dieser grauenvolle Junge konnte mir nichts mehr tun.

Irgendwann ebbte mein Weinen ab und Inuoka reichte mir ein Taschentuch, das ich stumm dankend annahm.

"Das ist vielleicht eine blöde Frage, aber wie fühlst du dich?", fragte Coach Nekomata.

Unerwarteterweise lächelte ich und lachte dann, was mir wieder einen schmerzhaften Husten einbrachte, genau wie verdatterte Blicke.
Nochmals hielt Inuoka mir das Glas hin, damit ich etwas trank.

Meinen Daumen hielt ich in der Waagerechten. Nicht nach oben, weil es mir offensichtlich nicht gut ging, aber auch nicht nach unten, da es mir schon mal schlechter ging.

Ein allgemeines, halbwegs erleichtertes Seufzen war im Raum zu hören.

"Wir haben deine Mutter informiert. Sie wird bald hier sein und dir Sachen mitbringen." Coach Naoi stand auf. "Du bleibst die Nacht zur Beobachtung hier, hat die Ärztin angeordnet."

Verstehend nickte ich.

"Gute Besserung, Aya." Auch Coach Nekomata war auf dem Sprung. "Wir sehen uns frühestens Sonntag."

Sonntag? Bedeutete das, dass ich für den Rest der Woche vom Training freigestellt war? Würde ich trotz dieser Verletzungen ins Trainingscamp fahren, aber nicht an den Spielen teilnehmen können?

"Für euch beide steht in den nächsten Tagen das Schonprogramm auf dem Plan. Für dich, Aya, auch über die Ferien", ergänzte Coach Naoi. "Wir sehen uns."

Inuoka und Kenma verabschiedeten sich auch von ihnen. Ich nickte nur. Mehr konnte ich schließlich nicht tun.

Als die Coaches verschwunden waren, lehnte ich mich zurück in die Kissen. Schon das wenige aufrechte Sitzen strengte mich an. Außerdem schmerzte mein unterer Rücken und ich war so erschöpft.

"Du kannst beruhigt schlafen, Aya. Wir bleiben, bis deine Mutter hier ist." Inuoka drückte meine Hand, was ich erwiderte. Knapp nickte ich und schloss meine Augen.

Es dauerte nicht lange, da driftete ich ab. Die Wärme von Inuokas Hand begleitete mich unentwegt, während ich weiter ins Seichte hinabstieg. Der Duft, der von Kenmas Jacke ausging, war vertraut und lullte mich ein, als würde er mich umarmen.
Hier mit Inuoka und Kenma fühlte ich mich eindeutig sicher.

Kuroo x OC - Das Versprechen - Haikyu!! [laufend]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt