Kozume Kenma
Ding Dong Dang
Ich sammelte mich zunächst und atmete tief ein, als ich mich auf das bevorstehende Gespräch vorbereitete. Es war nun meine Aufgabe, Kuroo mitzuteilen, dass Aya verletzt im Krankenhaus lag, nachdem Shiba sie erneut angegriffen hatte. Ich hätte mir gewünscht, dass der Coach diese Nachricht überbringt, aber er wollte es Kuroo nicht am Telefon sagen. Ihn im Dunkeln zu lassen, wäre jedoch auch nicht richtig gewesen.
Ich öffnete anschließend die Tür.Kuroo stand vor mir. Schweißgebadet, fiebrig aussehende Wangen. Sein Blick war dem Wahnsinn und der Verzweiflung nahe. Ich konnte zwar nicht genau nachvollziehen, wie er sich fühlte, doch ich verstand, was er fühlte.
Ich machte einen Schritt zur Seite, und Kuroo trat ein. Bevor er etwas sagte, begann er zu husten, weswegen er sich von mir wegdrehte."Was machst du hier, Tetsurō? Du gehörst ins Bett", sagte ich, obwohl dies überflüssig war. Ich wusste genau, warum er vorbeigekommen war. Er sorgte sich so sehr um Aya, dass er seine Gesundheit vollkommen außen vor ließ.
"Tu nicht so, als wüsstest du von nichts!" Kuroos Husten beruhigte sich allmählich. "Ich möchte wissen, was los ist! Warum hat Naomi dich nach Hause gefahren? Was meinen die Jungs in der Gruppe? Worüber schreiben sie? Ich bin vorhin aufgewacht und lese dann sowas ... Rück' mit der Sprache raus und lass' ja nichts aus!"
Wieder seufzte ich. Das war mir viel zu anstrengend für diesen Tag. "Ich bin müde, Tetsurō. Ich will nur noch duschen und ins Bett." Mein bester Freund musterte mich nun genauer, nahm mein Gesicht unter die Lupe und erkannte, wie erschöpft ich eigentlich war.
"Entschuldige." Kuroo beruhigte sich ein wenig und war nicht mehr so aufbrausend. "Aber ich halte das nicht mehr aus. Niemand sagt etwas. Aya geht auch nicht ans Handy. Sowohl Yaku als auch Kai wollen nichts sagen und meinen, ich soll dich oder Sō fragen, weil ihr mehr wisst. Warum wisst ihr mehr? Was wisst ihr, was die anderen nicht wissen? Was wisst ihr alle, was ich nicht weiß? Was ist heute passiert?" Wieder regte er sich auf und erhob seine Stimme, was in einem weiteren Hustenanfall endete, den er versuchte, zu unterdrücken.
An seiner Stelle würde ich genauso ausflippen, wenn man mich im Ungewissen lassen würde.
Ich wollte es kurz und schmerzlos machen, als würde ich ein Pflaster mit einem Ruck abziehen. Also begann ich zu erzählen: "Aya geht nicht ans Handy, weil sie schläft. Sō und ich wissen mehr, weil wir mit im Krankenhaus waren, wo Aya gerade liegt." Mir war aber bewusst, dass selbst ein schnelles Abreißen dieses Pflasters brennen würde, und so war es auch.
Ruckartig drehte Kuroo sich zu mir, als er das Wort 'Krankenhaus' hörte. Seine Hand hielt er noch vor den Mund, doch sein ganzer Körper begann zu zittern. Sein Gesicht verlor alle Farbe, während seine Augen sich vor Schock weiteten. "Krankenhaus?", brachte er krächzend heraus. Panik sickerte durch seine Iriden an die Oberfläche.
"Setz dich bitte ins Esszimmer. Ich hole dir ein Glas Wasser." Kuroo folgte meiner Bitte augenblicklich, und ich holte uns etwas zu trinken. Ich befürchtete wirklich, dass er gleich umkippen würde, wenn ich ihm von den heutigen Ereignissen erzählte.
Als ich das Esszimmer betrat, tippte der Kapitän ungeduldig auf die Tischplatte. Nachdem ich ihm Wasser eingeschüttet hatte, setzte ich mich ihm gegenüber und erzählte weiter.
Ich begann beim Training und wie wir zu den Umkleiden gegangen sind.
"Wir hörten ein Geräusch von nebenan, weshalb Yuki und Sō nachschauten. Keine zwei Minuten später kam Yuki aufgelöst und hilferufend wieder zurück. Ich weiß noch, wie erstarrt ich anfangs vor Angst gewesen bin. Als ich endlich rübergegangen bin, waren Shohei und Lev bereits auf dem Weg, den Coaches Bescheid zu geben. Kai und Tora sind Sō hinterher. Yaku hat sich um Aya gekümmert, die regungslos am Boden lag und nach Luft rang. Mit der Zeit wurde ihre Atmung immer flacher. Ich war wie erstarrt. Ich konnte mich nicht rühren, habe aber alles beobachten und hören können. Die einzige Genugtuung war, als Shiba hinterher von der Polizei in Handschellen abgeführt worden ist. Er hat sie fast getötet, Tetsurō. Er hat sie so lange gewürgt, bis sie das Bewusstsein verloren hat. Ihre Augen sind rot unterlaufen. Sie kann nicht sprechen. Sie hat eine genähte Platzwunde am Kopf, weil sie heftig gegen die Spinde geknallt ist. Ich weiß nicht, was er ihr noch angetan hat. In wenigen Minuten kann so viel passieren ..."
Die ganze Zeit über blickte ich auf das Wasserglas, welches ich unaufhörlich hin und her drehte. Als ich aufschaute, sah ich, dass auch Kuroos Blick auf die Tischplatte gerichtet war, aber anscheinend durch sie hindurchblickte.
"Warum war Shiba bei ihr?" Das war Kuroos erste Frage.
Ich runzelte meine Stirn. "Aya hätte ihn darum gebeten, nach dem Training in ihre Umkleide zu kommen."
"Das ist glatt gelogen!", knurrte Kuroo. "Er will doch nur seinen Arsch dadurch retten!"
"Jeder weiß das und jeder hat es auch der Polizei erzählt", versuchte ich ihn zu beschwichtigen.
Als ob Aya mit diesem ekligen Typen Kontakt hatte. Das war allein Shibas Wunschvorstellung. Denn hätte Aya wirklich Kontakt mit ihm gehabt oder hätte er ihre Nummer, hätte Aya uns das sofort erzählt, denn Shiba hätte sie dann regelrecht terrorisiert. Jedem aus dem Team war dies bewusst.
"Warum hat er sie angegriffen?"
"Ich weiß es nicht. Aya hat dazu noch nichts sagen können." Offensichtlich.
"Wie hat Shiba ihre Verletzungen erklärt?"
Da stolperte ich über meine eigenen Worte und schluckte erstmal. Meine Kehle war auf einmal trocken, weswegen ich einen Schluck trank. Ich räusperte mich. "Ich habe mitbekommen, wie Shiba behauptet hat, dass ... dass Aya es grob mag, wenn ... wenn die beiden-"
Kuroo stand ruckartig auf, dass der Stuhl gefährlich auf zwei Beinen kippte und anschließend krachend wieder auf allen vier Stuhlbeinen landete. Sein Blick war immer noch nach unten gerichtet. Er ballte seine Hände auf der Tischplatte zu Fäusten.
"Hat er sie nur gewürgt oder hat er mehr gemacht? Hat er sie" - Kuroo schluckte sichtbar - "hat er sich an ihr vergangen?" Die Furcht hinter diesen Worten war greifbar. Er fürchtete sich davor, dass es so weit gekommen war, aber zum Glück war das nicht der Fall.
Ich schüttelte den Kopf. "Sie lag zwar nur in Unterwäsche da, aber laut Ärztin gibt es keine Anzeichen dafür." Uns allen war in diesem Moment ein Stein vom Herzen gefallen.
Auch Kuroo durchflutete diese Erleichterung, und erschöpft sank er wieder auf den Stuhl. Allerdings spannte er sich augenblicklich wieder an. "Ich muss zu ihr. Sie darf nicht allein sein. Das will sie bestimmt nicht." Kuroo wollte bei ihr sein. Sie in Sicherheit wissen und sich wahrscheinlich selbst von ihrem Wohlergehen überzeugen.
Ich verstand es, riet ihm aber davon ab. "Sie kann nicht sprechen und braucht Ruhe. Die Besuchszeit ist vorbei. Außerdem bist du krank und willst sie bestimmt nicht anstecken." Letzteres war sowieso egal, denn gestern hatten sie sich schließlich geküsst.
Frustriert seufzte Kuroo auf. Er schlug die Hände vor sein Gesicht und stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab. "Du hast ja recht, aber ..."
Das kam überraschend; sonst gab Kuroo nie direkt nach. "So wie du aussiehst, wirst du nicht mal den Weg zum Krankenhaus schaffen. Geh rüber und werde schnell wieder fit. Das Camp wartet schließlich nicht. Für Aya können wir momentan sowieso nichts tun." Es brachte mich an den Rand der Verzweiflung, sich dies einzugestehen.
"Genau das wird mir jetzt den Schlaf rauben." Er fuhr sich durchs Haar und legte den Kopf in den Nacken. Seine Verzweiflung sickerte aus jeder Pore seiner Haut. "Ich will sie doch nur sehen und bei ihr sein ...", wisperte Kuroo.
"Trink einen Tee zur Beruhigung. Das wird auch bei deinem Husten helfen", riet ich ihm, ohne auf seine gewisperten Worte einzugehen.
Der Kapitän stimmte mir summend zu und stand auf. "Danke, Kenma."
Stumm gingen wir dann zur Tür. Kuroo ließ die Schultern hängen. So niedergeschlagen hatte ich ihn bisher nur ein- oder zweimal erlebt, aber das war ewig her und hatte auch nichts mit einem Mädchen zu tun. "Sie wird morgen wahrscheinlich schon entlassen. Wenn es dir besser geht, kannst du rübergehen und dir selbst ein Bild machen", sagte ich zu Kuroo, als dieser in seine Schuhe schlüpfte. Er nickte nur, verabschiedete sich mit einem müden Winken und schloss die Tür hinter sich.
Endlich konnte ich duschen und mich hinlegen. Doch selbst in der Dunkelheit schlichen sich die Bilder von Aya im Krankenhausbett und auf dem Umkleideboden in meine Gedanken. Sie verfolgten mich bis in den Schlaf hinein.
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Kuroo x OC - Das Versprechen - Haikyu!! [laufend]
Fanfiction'...Während er flüsternd mit beruhigenden Worten auf sie einredete, wurden ihre leidvollen Schluchzer allmählicher weniger und leiser bis sie irgendwann ganz verstummten. Ihr Atem war nun ruhiger und zittern tat sie auch nicht mehr. "Es tut mir so...