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Die Sonne steht tief am Horizont, als wir am Jachthafen zurückkehren. Unter Lauren's geduldiger Anleitung habe ich Plastek, Rollstek und Webeleinsteck gelernt und außerdem, wie man Segel verstaut.
>>Vielleicht werde ich dich eines Tages fesseln<<, drohe ich ihr.
Sie verzieht den Mund belustigt. >>Dazu müssen Sie mich erst erwischen, Miss Cabello.<<
Ihr Worte wecken Erinnerungen daran, wie sie mich in ihrer Wohnung gejagt hat und an das, was dann kam. Danach habe ich sie verlassen.
Würde ich das jetzt, da sie mir ihre Liebe gestanden hat, wieder tun? Ich sehe in ihre klaren Augen. Könnte ich sie je wieder verlassen - unabhängig davon, was sie mit mir gemacht hat? Könnte ich ihr Vertrauen so missbrauchen? Nein. Das glaube ich nicht.
Inzwischen hat sie mir das ganze Boot gezeigt und mir das ultramoderne Design und die innovative Technik sowie die hochwertigen Materialien, die bei der Konstruktion verwendet wurden, erklärt. Das Interview für die Studentenzeitung kommt mir in den Sinn; schon damals hat sie von Schiffen geschwärmt.
Da hatte ich noch nicht gewusst, dass ihre Leidenschaft nicht nur großen Frachtschiffen, sondern auch windschnittigen Katamaranen gilt.
Und sie hat zärtlich und entspannt mit mir geschlafen. Soweit ich das beurteilen kann - mir fehlen die Vergleichsmöglichkeiten-, ist sie eine außergewöhnliche Liebhaberin. Aber wie lange wird sie sich noch mit dieser Art von Sex zufriedengeben? Ich weiß es nicht und das macht mich nervös.
Ich stehe in ihrer sicheren Umarmung, während die Clara sich Seattle nähert. Meine Hände ruhen auf dem Steuer; Lauren korrigiert hin und wieder den Kurs.
>>Die Poesie des Segelns, so alt wie die Welt<<, flüstert sie mir ins Ohr.
>>Hat nicht jemand mal was ähnliches gesagt?<<
>>Ja, Antoine de Saint-Exupéry.<<
>>Ich liebe den Kleinen Prinzen.<<
>>Ich auch.<<

Es ist früher Abend, als Lauren, ihre Hände nach wie vor auf den meinen, die Clara in den Jachthafen lenkt. Von den anderen Booten funkeln Lichter herüber, die sich im dunklen Wasser spiegeln - ein milder Abend, das Vorspiel zu einem Sonnenuntergang, der bestimmt spektakulär wird.
Schaulustige versammeln sich an der Anlegestelle, als Lauren das Boot auf relativ kleinem Raum wendet, um in ihren Liegeplatz einzufahren. Mac kommt auf uns zu und macht den Katamaran an einem Poller fest.
>>Wieder da<<, stellt Lauren fest.
>>Danke<<, sage ich. >>Was für ein wunderbarer Nachmittag.<<
Lauren grinst. >>Finde ich auch. Vielleicht machst du einen Segelkurs, dann können wir ein paar Tage hinausfahren, nur wir beide.<<
>>Gern. Und wir können die Kabine mit dem Bett wieder und wieder einweihen.<<
Sie küsst mich hinter dem Ohr. >>Darauf freue ich mich schon, Camila.<<
Mich überläuft ein wohliger Schauer. Wie macht sie das nur?
>>In der Wohnung droht keine Gefahr. Wir können zurück.<<
>>Und unsere Sachen im Hotel?<<
>>Die hat Taylor geholt.<<
Ach. Wann?
>>Heute, nachdem er das Boot mit einem Team durchsucht hatte<<, beantwortet Lauren meine unausgesprochene Frage.
>>Schläft der arme Mann eigentlich nie?<<
>>Doch. Er macht nur seinen Job, Camz und das ziemlich gut. Jason ist ein absoluter Glücksfall.<<
>>Jason?<<
>>Jason Taylor.<<
Ich hatte gedacht, Taylor sei sein Vorname. Jason. Passt zu ihm - er klingt solide und zuverlässig.
>>Du magst Taylor<<, stellt Lauren fest.
>>Ja, ich denke schon.<<
Sie runzelt die Stirn.
>>Ich finde ihn aber nicht sexy, falls du das meinst.<< Herrgott, wie kindisch!
>>Taylor kümmert sich prima um dich. Deswegen mag ich ihn. Er ist freundlich, zuverlässig und loyal. Ich sehe in ihm so etwas wie einen Onkel.<<
>>Einen Onkel?<<
>>Ja.<<
>>Okay, einen Onkel<<, wiederholt Lauren.
Ich muss lachen. >>Ach, Lauren, werd endlich erwachsen.<<
Sie wirkt überrascht und dann nachdenklich. >>Ich gebe mir Mühe<<, sagt sie schließlich.
>>Stimmt. Sogar große<<, pflichte ich ihr bei, verdrehe dann aber die Augen.
>>Es weckt Erinnerungen, wenn du die Augen verdrehst, Camila<<, ermahnt sie mich grinsend.
Ich lächle spöttisch. >>Wenn du artig bist, können wir manche dieser Erinnerungen vielleicht zu neuem Leben erwecken.<<
>>Wenn ich artig bin?<< Sie hebt die Augenbrauen. >>Also wirklich, Miss Cabello - wie kommen Sie auf die Idee, dass ich sie überhaupt zu neuem Leben erwecken möchte?<<
>>Ich sehe das Strahlen in deinen Augen, wenn ich das sage.<<
>>Du kennst mich schon ziemlich gut<<, stellt sie fest.
>>Und ich würde dich gern noch besser kennenlernen.<<
>>Genau wie ich dich, Camila.<<

Neben dem Parkplatz befindet sich ein kleines italienisches Bistro mit dem hübschen Namen Bee's. Es erinnert mich an das Lokal in Portland - wenige Tische und Nischen, die Inneneinrichtung karg, eine große Schwarz-weiß-Fotografie von einer Fiesta um die vorige Jahrhundertwende an der Wand.
In einer Nische nehmen Lauren und ich uns die Karte bei einem köstlich leichten Frascati vor. Als ich den Blick von der Speisekarte hebe, merke ich, dass sie mich beobachtet.
>>Was?<<, frage ich.
>>Du bist schön, Camila. Die frische Luft tut Dir gut.<<
Ich werde rot. >>Ich glaube, ich habe einen Sonnenbrand. Aber es war ein wunderbarer Nachmittag. Ein perfekter Nachmittag. Danke.<<
Sie lächelt. >>Gern geschehen.<<
>>Darf ich dich etwas fragen?<<
>>Jederzeit, Camila. Das weißt du doch.<<
>>Du scheinst nicht viele Freunde zu haben. Woran liegt das?<<
Sie zuckt mit den Achseln und legt die Stirn in Falten. >>Das habe ich dir doch erklärt. Mir fehlt die Zeit. Natürlich habe ich Geschäftsfreunde, aber die sind vermutlich etwas anderes als richtige Freunde. Ich habe meine Familie. Und Lucy.<<
Ich gehe nicht darauf ein. >>Keine Freunde in deinem Alter, mit denen denen du um die Häuser ziehen und Dampf ablassen kannst?<<
>>Du weißt, wie ich Dampf ablasse, Camz.<< Lauren verzieht den Mund. >>Außerdem war ich immer damit beschäftigt, das Unternehmen aufzubauen. In meiner Freizeit gehe ich Segeln und Fliegen.<<
>>Und am College?<<
>>Auch nichts anderes.<<
>>Also war Lucy die einzige Ablenkung?<<
Sie nickt.
>>Muss ganz schön einsam sein.<<
Ihr Mund verzieht sich zu einem wehmütigen Lächeln.
>>Was möchtest du essen?<<, fragt sie.
>>Das Risotto.<<
>>Gute Wahl.<< Lauren winkt den Kellner herbei.
Nachdem die Bestellung aufgegeben ist, überlege ich, wo ich mehr aus Lauren herausbekommen kann. Wenn sie schon mal in Redelaune ist, muss ich das ausnutzen und mit ihr über ihre Erwartungen und... Bedürfnisse sprechen.
>>Camz, was ist los? Sag's mir.<<
Ich sehe sie an.
>>Sag's mir<<, wiederholt sie mit mehr Nachdruck.
Ich hole tief Luft. >>Ich habe Angst, dass dir das nicht reicht. Du weißt, was ich meine: zum Dampfablassen.<<
Ihre Kiefer mahlen, ihr Blick wird hart. >>Vermittle ich den Eindruck, dass mir das nicht genug ist?<<
>>Nein.<<
>>Warum glaubst du das denn?<<
>>Ich kenne dich. Und deine... Bedürfnisse<<, stottere ich.
Ich schließe die Augen und reibt sich mit ihren langen Fingern die Stirn. >>Was muss ich noch tun?<< Sie klingt verärgert und mir sinkt der Mut.
>>Nein, du verstehst mich falsch - du gibts dir wirklich große Mühe. Ich kann nur hoffen, dass ich dich nicht zwinge, die zu verbiegen.<<
>>Ich bin nach wie vor ich, Camila, in meiner ganzen Abgefucktheit. Ja, ich muss meinen Drang, alles zu kontrollieren, tatsächlich unterdrücken, aber so bin ich nun mal. So bewältige ich das Leben. Ich erwarte von dir gewisse Verhaltensweisen und wenn du diese Erwartungen nicht erfüllst, empfinde ich das als erfrischende Herausforderung. Wir tun doch immer noch, was ich gern mache. Du hast dich auch nach dem haarsträubenden Gebot gestern von mir versohlen lassen.<< Bei der Erinnerung daran funkeln ihre Augen. >>Es macht mir Spaß, dich zu züchtigen. Wahrscheinlich wird sich das nie ändern, aber ich geben mir Mühe und es fällt mir nicht so schwer, wie ich dachte.<<
Der Gedanke an unser Téte-à-Téte in ihrem Jugendzimmer treibt mir die Röte in die Wangen. >>So ganz dagegen bin ich ja auch gar nicht<<, flüstere ich verlegen.
>>Ich weiß. Lass dir sagen, dass das alles für mich sehr neu ist. Und die letzen paar Tage waren die schönsten in meinem Leben. Ich möchte nichts ändern.<<
Oh.

Fifty Shades of Jauregui (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt