3 | Arschbombe |

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6.9.2019, Lilas Tagebuch

„Wir sehen uns dann am Montag zu deinen ersten Seminaren, ok?
Und wenn du doch lieber zu mir ziehen magst, was ich aufgrund deiner Mitbewohnerin echt verstehen kann, dann musst du nur Bescheid sagen."

Lachend umarmte ich meine Schwester.
„So schlimm ist sie bestimmt gar nicht.
Ich überlebe das schon.", versicherte ich ihr kichernd, ehe sie dann kopfschüttelnd schmunzelte und in ihren Wagen stieg.
Als sie davonfuhr, sah ich ihr seufzend nach und haderte mit mir selbst, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, zu bleiben.

Ich erinnerte mich an diesen aufbrausenden Typen von vorhin.
Nate hieß er, glaube ich.
Der Blick in seinen Augen, als er da auf diesem Bett lag und mich musterte.
Ich bildete mir ein, dass dieser Blick gar nicht so abweisend war, wie seine Worte mir gegenüber.
Doch nach diesen Worten wollte ich ihn nie wieder sehen, in meinem ganzen Leben nicht.

Nennt mich sensibel, das ist mir egal, aber ich konnte solche Menschen nicht leiden und er hatte in mir die Angst geweckt, dass hier alle so waren wie er, dass keiner mich leiden können würde und dass alle hinter meinem Rücken tuscheln würden.
Seufzend lief ich zurück aufs Zimmer.

Jenna lag nach wie vor auf ihrem Bett und hörte lautstark irgendeinen Rap.
Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf und kramte meine pinken Rollschuhe hervor, gemeinsam mit meinem blau-rosa Helm.
„Was ist das denn?!", ertönte auf einmal die quietschend hohe Stimme der Blondine hinter mir.
„Meine Rollschuhe. Ich werde eine Runde drehen, das Wetter ist schön.", berichtete ich ihr lächelnd und drehte mich dabei zu ihr um.
Sie riss die Augen kurz auf und nickte, wieder mit diesem abwertenden Blick, sodass ich mich noch ungewollter fühlte als vorher.
Doch statt mich darüber aufzuregen, hielt ich mein Lächeln aufrecht, allerdings nur, bis ich unten war und meine Rollschuhe angezogen hatte.

Nachdenklich rollte ich los und fuhr um den Campus herum, während ich eben diesen genauestens inspizierte.
Hinter dem Gebäude lag ein kleiner Park, ziemlich unnötig in Anbetracht der riesigen Grasfläche des Campus', auf der bereits einige Studenten saßen.
Aber der Park war hübsch.
Ich dachte darüber nach, öfter dahin zu fahren.
Die Wege waren ordentlich gepflastert, es gab sogar einen kleinen Fluss, über den eine hölzerne Brücke führte, über die ich nun fuhr.
In Dallas war es bei weitem nicht so warm, wie in Mexiko, aber die Sonne schien und eine angenehme Briese wehte mir entgegen.

Ich schloss die Augen und genoss eben diese, als mir dieser blöde, blöde Typ wieder in den Sinn kam.
Eine Sekunde gesehen und schon tauchte sein ernster, genervter Gesichtsausdruck immer und immer wieder in meinen Gedanken auf.
Wieso sahen die doofsten Typen immer am besten aus?!
Auf den Boden sehend regte ich mich innerlich über diesen Jungen auf.

„Ey! Pass auf!"
Die Stimme kannte ich doch!
Erstaunt drehte ich mich um und erblickte tatsächlich Jenna's Freund.
Ich konnte ihn allerdings nicht lange ansehen, da die Rollen meiner Schuhe im Gras stoppten und ich im hohen Bogen in den kleinen Fluss flog.
Das kalte Wasser umhüllte meine Haut.
Der Fluss war flach genug, dass ich darin hocken konnte, doch als ich reingeflogen war, war ich richtig untergetaucht, sodass ich komplett nass war.
Nachdem ich wieder aufgetaucht war, fuhr ich mir erschrocken übers Gesicht und atmete tief durch.

„Oh Gott ist das kalt!", kreischte ich und begann
wie auf Knopfdruck zu zittern.

Nate stand mittlerweile direkt vor dem Fluss
und verschränkte die Arme vor der, nun bekleideten Brust.
Sein Gesicht zierte ein schadenfrohes Lächeln, was mich noch saurer machte als die Tatsache, dass meine Klamotten so wie meine Rollschuhe ruiniert waren.
„Solltest du nicht lieber erstmal fahren lernen, bevor du so nen Stunt hinlegst.", hänselte mich dieser Vollidiot gehässig.
„Haha. Sehr witzig. Spar dir deine Kommentare und geh einfach weiter, bitte.", motzte ich sauer und kletterte aus dem Fluss, ehe ich mich dort ins Gras setzte und meine Rollschuhe mühsam auszog.
„Nein!", fluchte ich wütend und drehte die Schuhe einmal um, ehe der halbe Fluss aus diesen hinausströmte.
„Jap. Die Scheißdinger sind hin.", machte sich der Brite weiterhin lustig.

Wütend über diesen äußerst fiesen Kommentar gegenüber meiner wirklich tollen Rollschuhe funkelte ich den Blödmann sauer an.
Doch da ich mich nich auf sein Niveau herunter lassen wollte, kommentierte ich diesen Spruch nicht.
„Geh bitte, wie auch immer nochmal dein Name war!
Hättest du mich nicht gewarnt, hätte ich noch bremsen können!", zickte ich weiter patzig, ohne den Typen einmal richtig anzusehen, ich kümmerte mich um meine Rollschuhe und wrang meine Jacke aus.

„Ich habe versucht dich zu warnen, damit du nicht erst reinfällst, Flachtitte!
Jetzt hör auf damit, die Jacke sieht eh scheiße aus."

Eingeschnappt zog ich Luft durch den Mund ein. Unverschämt! Dieser Heini hatte absolut keine Ahnung, wie man mit anderen Menschen umzugehen hatte.
Wie konnte man so dreist und respektlos sein?! Sowas regte mich einfach auf, ich könnte mich Stunden darüber ärgern!
Und dennoch, die Art wie er stetig seine Meinung einfach aussprach beeindruckte mich und nervte mich zur selben Zeit.

„Ich finde sie sehr schön.", verteidigte ich meine Lieblingsjacke und zog diese aus, um sie richtig auszuwringen.
Dabei ignorierte ich seine absolut unfreundliche Aussage über meine tatsächlich recht kleine Oberweite.

Vor mich hin motzend darüber, wie scheiße das alles gelaufen war, fror ich wie verrückt, während der Vollidiot einfach neben mir saß und sich weiterhin über meinen Kleidungsstil beklagte, woraufhin ich ihn jedes Mal darum bat endlich zu verschwinden.
„Sí claro.", rief ich genervt ironisch aus, als die Sonne verschwand und nur der kühle Wind übrig blieb.
„Verdammte Scheiße! Das kann man sich ja nicht mehr anschauen.", lachte Nate, der, wie ich unfreiwillig erfuhr, eigentlich Nathaniel hieß.
Bescheuerter Name. Bescheuerter Typ. Ich hieß Lila, auch nicht gerade der schönste Name, ich weiß.
„Dann geh doch endlich! Ich brauche deine bekloppten Kommentare ni-"

Nathaniel's warmer Pullover, den er über mich stülpte, als sei ich ein Kopf und der Pullover eine Mütze, unterbrach mein Reden.
Huch, der Pullover riecht aber gut.
Eine Note Aftershave stieg in meine Nase, welche sich leicht mit dem Geruch von Nikotin gemischt hatte.
Er rauchte also.

„Vielen dank für den Pullover.", bedankte ich mich und sah den jungen Mann nun endlich ordentlich an.
„Ich bin Lila."
„Ich weiß, ich kann zuhören.", wies mich Nathaniel darauf hin, dass ich mich bereits vorhin vorgestellt hatte.
„Und kein Ding, wegen des Pullovers. Ich will nicht, dass du krank wirst und Dings kriegst, Erkältung oder so."

Jetzt wo ich ihn ansah fiel mir auf, dass er nicht lächelte.
Er lächelte wohl nicht so gerne.

„Weil ich sonst Jenna anstecken könnte?", neckte ich ihn kichernd und stieß ihn leicht mit der Schulter an, woraufhin er plötzlich aufstand.
„Jenna ist mir scheißegal. Alle Weiber sind mir verdammt scheißegal. Geh nachhause, Rosa, sonst wirst du wirklich noch krank.", meinte Nate nun streng, woraufhin ich mich ebenfalls erhob.
Seine Worte trafen mich und es verwirrten mich gleichzeitig, wie schnell dieser Kerl seine Stimmung ändern konnte.

Der Fakt, dass er jetzt bereits meinen Namen vergessen hatte, unterstrich seine vorherige Aussage und ließ mich diese auch glauben.
„Tschüss, Nathan.", murmelte ich und lächelte schwächlich auf, aus Höflichkeit.
Ich konnte noch nie gut meine Emotionen verbergen.
Wenn mich etwas glücklich machte, dann sah man mir das auf zehn Kilometern Entfernung an.
Wenn ich traurig war, weinte ich sofort.
Und jetzt lächelte ich, um nicht zu weinen.

„Nate. Nate oder Nathaniel. Und nicht anders."
Vorher war er patzig und genervt, jetzt hörte er sich beinahe aggressiv an.
„Entschuldige bitte.", flüsterte ich eingeschüchtert, ehe ich mich umdrehte und davoneilte, weg von dem Typen, der mir jetzt sicherlich nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte.
Nathaniel Brown war mir bereits jetzt schon ein absolutes Rätsel und neugierig und aufdringlich, wie ich nunmal war, würde ich mir selbst keine Ruhe geben, bis ich meine eignen Fragen beantwortet hatte.

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