70 | Es ist vorbei

238 6 0
                                    

20.11.2019 Journal von Nathaniel Brown

Das erste, was ich sah als ich wieder aufwachte war das schrecklich grelle Krankenhauslicht.

Für einen kurzen Moment dachte ich tatsächlich, das wär's jetzt gewesen.
Ich wäre tot.

Doch dieses ekelhafte Licht erinnerte mich an die Wahrheit.
Sprich, genau die Wahrheit, die ich jetzt die ganze Zeit über vor Lila verheimlich hatte.

Ich wusste ganz genau, was ich mit dieser Aktion anrichten würde, doch sie musste es wissen.

Ich hätte es ihr sowieso irgendwann gesagt.
Aber jetzt hatte ich sie wohl für immer von mir weggeekelt.

Das würde sie mir nicht verzeihen.
Allein diese Enttäuschung in ihrem Blick, die mich innerlich durchbohrt hat wie eine weitere Kugel, hatte mir das deutlich gezeigt.

Durch die starken Schmerzmittel, die mir wohl verabreicht wurden, spürte ich kaum Schmerzen oberhalb meiner Hüfte wo die Kugel gesteckt hatte.

Ein Arzt, den ich direkt misstrauisch musterte sobald ich ihn erblickt hatte, sagte mir, dass ich wohl operiert worden bin.

Die Kugel hätte keine Organe getroffen und weiteres, unnötiges Zeug, das ich gar nicht wissen wollte.
Er sagte mir, dass ich wieder werden würde und diese Information hätte mir auch gereicht.

Eine andere Sache interessierte mich gerade viel mehr.

„Sind Angehörige von mir hier?
Ein Mädchen zufällig mit braunen Haaren?", fragte ich hoffnungsvoll und setzte mich etwas auf.

„Ja, Mister Brown.", antwortete der Typ, dessen Name ich schon wieder vergessen hatte.
Nicht aus Unhöflichkeit, sondern weil die Narkose noch etwas nachwirkte.

„Aber Sie sollten sich wirklich ausruhen, ich kann ihre Leute später zu ihnen schicken."
Ich stand noch unter irgendwelchen Mittel und trotzdem weckten diese Worte eine Aggression in mir.

Diese bekloppte Wichser würde mich sicherlich nicht von ihr fernhalten und er verstand nicht, dass ich sie vielleicht nicht wieder sehen würde.

„Hören Sie mal zu, Sie holen mir dieses Mädchen jetzt hier her oder ich gehe selbst nach ihr sehen.", knurrte ich, meiner Wut freien Lauf lassend, woraufhin der französische Arzt bloß seufzte, nickte und dann mein Zimmer verließ mit den Worten: „Aber nur fünf Minuten."

Länger wollte Lila bestimmt sowieso nicht mit mir reden, wenn sie überhaupt mit mir reden würde.

Nach ein paar Minuten, ein paar Minuten zu viel meiner Meinung nach, betrat tatsächlich meine Mexikanerin den Raum.

Ich hatte so scheiße Angst gehabt, sie tatsächlich erst im Tod wieder zu sehen, eines Tages.
Und deshalb war ich verdammt erleichtert, sie jetzt zu sehen.

Egal ob sie absolut verweinte Augen hatte und aussah wie das letzte Wrack und das nur wegen mir.

Ich wusste, was ich ihr alles angetan hatte, deshalb musste ich nicht noch weiter deswegen rumheulen.

Doch wegen ihrer Wunden und blauen Flecken musste ich trotzdem fragen: „Wie geht's dir? Bist du okay?"

Lila jedoch starrte weiterhin zu Boden, jeden BlickKontakt zu mir leidend und dabei kurz vorm Weinen, das konnte ich ganz genau sehen.

Langsam nahm Lila auf dem Stuhl neben mir Platz und atmete tief durch.
Gleich würde ich mir sowas von was anhören müssen.
Wie schlimm ich war, wie sehr sie mich hasste und dass sie mich nicht mehr liebte.

A heart's desiresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt