65 | Gedankengänge und Veränderungen

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19.11.2019, Journal von Nathaniel Brown

Nervös ging ich in meinem Zimmer auf und ab.
Mein Anwalt hatte es wohl fast geschafft, mir ein bisschen freie Zeit zu verschaffen, in der ich allerdings natürlich nicht das Land verlassen durfte.
Es hieß, es wären außer meinen noch andere Abdrücke auf der Waffe gefunden worden, was meine öffentlich Aussage unterstrich, dass jemand mir das Ganze anhängen wollte.

Natürlich würde ich sofort nach Bordeaux fliegen.
Ich musste zu Lila, ich musste irgendwas tun.
Als könnte ich bloß rumsitzen!

Zwanzig Minuten später kam mein Anwalt wieder rein.
Der gut vierzig jährige Mann mit Glatze und kurzem Bart und rundem Bauch erklärte mir schwitzend, dass ich wohl raus dürfte, dass er es geschafft hatte.

Ich musste unbedingt zu Lila, sie war die Einzige, die jetzt Priorität für mich hatte.
Nicht mal die Angelegenheit mit diesem Wichser Thomas war mir da gerade so wichtig, wie sie zu finden, auch, wenn ich noch ziemlich verletzt von ihrer Aktion war.
Diese verdammte Liebe.
Die ließ einen immer wieder ins Messer laufen und man wollte das sogar!
Liebe ist gefährlich.

Ich konnte mir vorne mein Handy und mein Portemonnaie abholen, ehe ich meine Jacke nur anzog und ohne ein weiteres Wort ging.

Ein Taxi brachte mich zu Marco und Amara's Wohnung, wo ich allerdings nur die Freundin des Italieners auffand.

„Wo sind die anderen?", fragte ich, als ich sie im Flur ansah, nachdem sie mir die Tür geöffnet hatte.

„In Frankreich. Lila hat gestern angerufen und gesagt, dass sie Verstärkung braucht.", erklärte die Schwarzhaarige und bot mir einen Tee an, den ich sogar seufzend annahm, immer hin würde ich sowieso nicht jetzt schon fliegen können.

Ich erzählte der neugierigen Freundin meines besten Freundes, wieso ich jetzt etwas Freiheit hatte, ehe sie mir ein paar Updates zur Lage gab, die mich beinahe zum ausrasten brachten.

Lila war jetzt mit Thomas zusammen?!

Gott, wenn ich mir das vorstellte.
Wie sie sich küssten oder er sie berührte.
Alles verspannte und staute sich in mir.
In mir wuchs das Verlangen, irgendwen oder irgendwas einfach nur anzuschreien oder zu verprügeln.
Und das allein bei der Vorstellung.

So wäre ich früher nie gewesen.
Manchmal überraschten mich diese deutlichen Verliebtheits-Symptome doch noch ziemlich.
Sprich, Eifersucht oder Schwärmereien über sie.
Ja, Lila hatte mich verändert.

Aber auf eine gute, gesunde Weise.
Sie hatte mich nicht nur verändert, sondern mir dabei auch einiges beigebracht.
Zum Beispiel, dass Liebe doch nicht bloß sinnlos und ein temporärer Hormonausbruch war.
Aber diese Abhängigkeit, die sich daraus entwickelte war nunmal gefährlich.
Liebe war gefährlich, das wusste ich schon immer, doch diese bunt gekleidete Mexikanerin hatte mir gezeigt, dass es sich trotzdem lohnte, das Risiko einzugehen, denn ich war in meinem Leben noch nie so glücklich wie mit ihr.

„Nathaniel, ich rede mit dir!", riss mich Amara aus meinen Gedanken und Schwärmereien, woraufhin ich bloß unzufrieden aufmurrte.

„Auch, wenn das jetzt so ist, wie es ist.
Sie liebt dich.", versicherte mir die Brasilianerin, die das sicher gut gemeint hatte, doch mich machte das, was sie sagte bloß noch aggressiver, wütender und frustrierter.

Ich weiß, dass sie mich liebte!
Und ich enttäuschte sie schon wieder.
Ich hatte diese Liebe nicht verdient, denn alles was ich tat, war, ihr nicht das zurück zu geben, was sie mir schenkte und was sie verdiente.

Klar, im Vergleich zu Mason war ich sicher eine Verbesserung, aber noch lange nicht das, was dieses Mädchen in Wahrheit verdiente.

Sie verdiente einen perfekten Mann, der sie auf Händen trug, der sie beschützte und bei dem sie sich sicher fühlte.

Und neben all dem, was bereits passiert war, war ich nach wie vor nicht dazu gekommen, ihr das mit ihrem Vater zu erzählen.

Ich brachte immer mehr Zeit zwischen dem Moment, in dem ich das erfahren hatte und dem, in dem ich es ihr sagen würde.

Das würde sie zerstören, nach Cody und Thomas und all der Last, die sich selbst auf die Schultern lud.
Und ich wollte nicht der sein, der sie zerstörte, wobei ich garantiert bereits dabei war.

„Ich liebe sie auch.", meinte ich dann allerdings bloß zu Amara, denn meine Gedanken und Gefühle sprach ich nur vor einer Person aus.

„Wehe du erzählst das Dylan oder Marco.", ergänzte ich dann noch, ehe ich mir meine Sachen schnappte und einen Rucksack vorbereitete.

Aus Marco's Zimmer holte ich Pfefferspray, ein Seil, eine Flasche, Zigaretten, ein großes Klappmesser und einen Revolver, bloß für alle Fälle.

Anschließend lieh ich mir etwas Geld, um den Flug zu bezahlen.
Ein One-Way-Ticket hatte ich bereits bestellt und würde es dann vor Ort bezahlen.

„Viel Glück. Und bitte, pass auf Marco auf.", flüsterte Amara noch besorgt.
Früher hätte mich das nicht gejuckt, beziehungsweise hätte ich es albern gefunden, dass sie so um bloß eine bestimmte Person bangte aber jetzt verstand ich es.

Wenn man jemanden liebte, dann würde man lieber selbst sterben, als diese Person so auf diese Weise zu verlieren.

Und wir befanden uns in Lebensgefahr, ihre Angst war berechtigt und so war es meine auch.
Gott, hatte ich Angst.

Ich gab das normalerweise nie offen zu, weil Angst zu zeigen fast tödlich für ein Drogendealer-Oberhaupt war.
Aber ich hatte Angst, Lila zu verlieren.

Damit, mit dieser Schuld könnte ich nicht leben.
Ich weiß nicht, wie andere das machten.

„Ich gebe mein bestes.", versicherte ich Amara dann noch und aus der Emotion heraus, umarmte ich sie auch noch kurz, bevor ich runter zum bestellten Taxi lief und einstieg.

Ich konnte es nicht erwarten, sie wiederzusehen.
Ich musste wissen, dass alles gut war.

Der Taxifahrer brachte mich schnell zum Flughafen, wobei dort auch alles glatt lief, da ich einfach einen der gefälschten Pässe benutzte und somit gut aus dem Land kam.

Dass ich Lila bis dahin nicht einmal angerufen hatte, hatte einen simplen Grund:
Sie nicht zu sprechen würde mich noch mehr motivieren, denn mein Ziel war es natürlich , sie wieder zu sehen.

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