23 | Ich weiß, ich kann zuhören |

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11.10.2019, Lilas fantastisches Tagebuch

Ich starrte in die braunen Augen des Briten, die mich nach wie vor überrascht ansahen.

Ich wartete, hoffte darauf, dass er was sagen würde, denn ich hasste Stille und gerade war es so still, dass ich mein Herz hören konnte, dass so schnell schlug, dass ich Angst haben musste, es würde explodieren.

Nach einer halben Ewigkeit öffnete Nate seinen Mund, seufzte einmal und nickte dann.

„Lila.", begann er ruhiger als zuvor und auch viel sanfter.

„Verdammt, du hast Recht, okay?!
Ich will dich nur beschützen.
Ich habe extra das College verlassen!
Ich habe dich geblockt, hab mein Handy weggeworfen, ich bin gegangen!
Aber du bist einfach zu stur! Du bist sogar stur, wenn du nicht mal da bist.", rief er beinahe verzweifelt und entfernte sich von mir, sodass wir wieder gut einen Meter voneinander entfernt standen.

Ich verstand nichts von dem was er sagte, was Nathaniel wohl deutlich an meinem Gesichtsausdruck sehen konnte.

„Du bist in meinem Kopf, verdammt nochmal!
Egal was ich tue, du bleibst einfach da! Du bist zu hartnäckig!
Ich muss ständig an dich denken und daran, dass ich dich eh nur verletze und das killt mich, ok?!
Es ist scheiße! Es ist verdammt nochmal verdammt scheiße.
Ich war noch nie verliebt! Ich mag es nicht mal, ich hasse es!
Ich hasse es sich zu sehen, dein Lachen zu hören, deine scheiß Klamotten zu sehen, mit dir zu sprechen, allein deine Stimme kotzt mich absolut an!
Ich hasse es, mich nicht länger von dir fern halten zu können.
Ich hasse das alles, weil's es noch schlimmer macht!
Weil ich mich nur noch mehr in dich verliebe.", brüllte der Brite, ehe er abrupt stoppte und mich einfach anstarrte.

Mich darüber aufregend was für fiese Dinge er da wieder über mich sagte, überhörte ich beinahe seine letzten vier Worte, bis ich dann doch realisierte, dass mein Gehirn sich diese nicht wunschdenkend dazu gedichtet hatte.

Jetzt war es so weit.
Mein Herz musste explodieren.
Eins.. zwei...drei...
Es passierte nichts, aber ich müsste mindestens einen Herzinfarkt erleiden, so schnelles Herzklopfen war nicht mehr normal.

Die Schmetterlinge in meinem Bauch platzten durch meine Haut, flogen frei herum, nahmen mich mich auf Wolke 7.

Ich musste irgendwo fern der Realität sein.

Er hat es gesagt.
Er hat es wirklich getan!

Es war mir egal.
Mich interessierte nicht, dass ich naiv klang, aber ich glaubte ihm jedes Wort.

Nate wusste so wenig über Liebe, dass er mich nicht anlügen würde, was das angeht.
Hoffentlich..

„Ich glaube, ich hab mich verliebt...", wiederholte Nate, der wahrscheinlich dachte, dass ich ihn nicht verstanden hätte, doch das hatte ich.
Ich hatte nur eine Zeit gebraucht, um von meiner Wolke wieder zurück auf den Boden, in sein Zimmer zu kommen.

Schmunzelnd hob ich meine linke Augenbraue.
Das musste ich jetzt einfach bringen.

„Ich weiß, ich kann zuhören.", zitierte ich seine Worte vom Moment, in dem ich ihm zum zweiten Mal an einem Tag meinen Namen gesagt hatte.

Der ernste, beinahe ängstliche Gesichtsausdruck des Briten wurde augenblicklich weicher, fast amüsiert.

„Du bist echt unausstehlich.
Das war ja so klar.
Ich sag dir sowas ernstes und du machst dich lustig.", kopfschüttelnd trat Nate wieder vor mich.

Er regte sich auf, aber ich konnte genau sehen, wie erleichtert er war, das zeigte sein Mini-Mini-Mini-Mini-Lächeln.

„Du würdest es nicht anders machen.", hauchte ich breit grinsend.
Nach all der Scheiße vom Tag, ach was sage ich? Von den letzten Wochen, tat es so gut, endlich wieder mit ihm zu reden.

Egal wie sehr Nate mich immer wieder verletzt hatte, gerade gab es nichts was mir so gut tat wie er.

Er machte mich glücklich, brachte mich zum Lächeln und er gab mir endlich das Gefühl sicher und verstanden zu sein.
War das nicht irre?!
Gerade er!

Es wurde wieder still zwischen uns.
Wie ich es hasste.
Mir brannte etwas auf den Lippen, doch ich musste schließlich wirklich all meinen Mut zusammenkratzen, um zu sprechen.

„Küsst du mich jetzt endlich oder willst du wieder abhauen..?"

Seufzend schüttelte der Brite seinen Kopf und schlängelte seinen rechten Arm irgendwie hinter mich, ehe er mich mit einem Ruck an sich zog.

„Du glaubst ich würde jemals freiwillig sowas wie dich küssen?
Oh bitte!", flüsterte er, nun wirklich breit grinsend, was mir ebenfalls ein taffes Schmunzeln ins Gesicht zauberte.

„Hmm stimmt, ich will ja kein Herpes.", konterte ich schmunzelnd, woraufhin Nate leise empört auflachte.

„Jetzt reicht's.", protestierte der Brite.

„Ja nee.
Ich finde wir können ruhig weiter darüber reden, wieso ich dich nicht küssen will.", lachte ich.
Ich lachte ehrlich und es ging mir ehrlich richtig gut, so gut wie seit langem nicht mehr.

„Ja komm, halt den Mund."

Endlich drückte Nathaniel seine weichen Lippen auf meine und beugte sich dabei ordentlich zu mir runter, sodass ich nicht alles strecken musste, um seinen Mund zu erreichen, so wie letztes Mal.

Wieder ging alles in mir hoch.
Mein Adrenalinpegel,  meine Gefühls-Achterbahn und mein Herzschlag.

Ob das eigentlich so gut war?
So viel unter Spannung sein an einem Tage war sicherlich nicht gesund.

Unser zweiter Kuss war deutlich selbstbewusster und intensiver als unser erster.
Wir bewegten unsere Lippen schneller aneinander und küssten uns um einiges länger.
Es war schön.. Gott, es war so schön, ich wollte, dass das niemals aufhörte.

Meine Fingerknochen strichen sanft über seine beinahe-rasierten Bart, ehe meine Hände an seinen Nacken glitten.

Wir küssten uns sicherlich eine Ewigkeit lang, doch es war mir nicht genug.

Ich erinnere mich nicht mehr daran, was danach passierte, aber irgendwann lagen wir in seinem Bett.
Ich starrte die hässliche Decke an, die direkt neben der gelben Lampe einen Fleck hatte.

Das Zimmer roch irgendwie etwas nach Zugkabine, die Bettdecke hatte sicherlich noch nie eine Waschmaschine von innen gesehen und das Kissen war unbequem.
Trotzdem wollte ich nirgendwo lieber sein als hier, nichtmal in Mexiko.

Ich war verliebt, ich war richtig böse doll verliebt und das leider in einen absoluten Vollpfosten.

Besagter Vollpfosten trug kein Shirt, aber wenigstens eine Jogginghose und lag nun ganz ruhig neben mir, hatte seine Arme hinterm Kopf verschränkt und sah ebenfalls zur ranzigen Decke.

„Findest du's schlimm?
Das Verliebtsein?", murmelte ich nach einer Weile nachdenklich und sah zu dem fast-schlafenden Briten hinauf.
Eigentlich dachte ich bloß laut.

„Ja!
Guck dich mal an.
Ich musste mich in nen bunten Kanarienvogel mit Sternchen-Kleidung verlieben.", flüsterte Nate schmunzelnd und schloss wieder seine Augen.

„Findest du das echt schlimm?", fragten meine Selbstzweifel, statt das ganze mit Humor zu nehmen.
Bei solchen Sachen hatte ich irgendwie keinen Humor, beziehungsweise verstand den Humor der anderen nicht.

„Nein. Du bist gut, wie du bist.
Das gehört zu dir, ohne das alles wärst du nicht du und ich wäre vielleicht nicht.. du weißt schon.", murmelte er beinahe gähnend und zog die eklige Bettdecke weiter über uns.

Seine Worte erhöhte mein Selbstbewusstsein von einer 2 auf eine 10000000.
Du bist gut, wie du bist, war das beste, was man jemandem sagen konnte und Nate gab sich ja nicht mal bewusst Mühe sich einzuschleimen.

„Du weißt schon?", hakte ich schmunzelnd nach.
Ich wusste, was er meinte, aber ich wollte es nochmal hören.

„Ja, tust du.
Du hast doch selbst gesagt, dass du zuhörst."

1 zu 0 für ihn.

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