37 | Selbstbewusstsein

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19.10.2019, Lilas Fantastisches Tagebuch

Sollte ich ihm jetzt einfach alles sagen?
Am Ende würde es sicher gut tun, mich mal richtig auszuleeren, alles von mir zu lassen, denn normalerweise fraß ich solche Gedanken eher in mich rein.

Die Fassade des lustigen, bunten Mädchens sollte ja aufrecht erhalten bleiben.

„Sag mir, dass das Freudentränen sind oder spuck aus, was dich bedrückt.
Und komm mir nicht mit ist egal, bei dir ist es das nicht.", warnte mich Nate streng und schnallte sich ab, ehe er sich komplett zu mir drehte.

Eigentlich wollte ich mich auch zu ihm drehen, aber ich entschied mich dagegen, denn wenn ich ihm alles sagen wollte, dann konnte ich ihm dabei nicht in die Augen sehen, das wäre mir sonst einfach zu peinlich gewesen.

Obwohl mir das nicht peinlich sein sollte, das sollte es keinem, aber es fiel mir einfach zu schwer mich zu öffnen.
Das machte Verrat und Schmerz mit einem.
Wir alle fühlen diesen seelischen Schmerz irgendwann und egal was passiert ist, wir versuchen uns in Zukunft davor zu schützen.

Ist ja auch gesund, ich meine, wenn wir in eine rohe Zwiebel beißen und unser Mund brennt, dann tun wir das nicht wieder und so ist das auch mit dem sich öffnen.
Wenn wir uns jemandem geöffnet haben und verraten und verletzt wurden, machen wir das nicht wieder.
Wir versuchen es zumindest, aber es hält nicht lange an.
Zum Glück, denn alles in sich rein zu fressen, war auf Dauer schlimmer als dieser seelische Schmerz vom Anfang.

Aber das musste ich erst noch erfahren.

Ich wusste nicht, wie ich anfangen sollte, Nate erwartete sowas nicht von mir.
Ich wirkte ja auch nicht wie jemand, der mit sowas wie ... wie soll ich das sagen, traurigen Phasen zu kämpfen hatte und ein ziemlich angeknackstes Selbstbewusstsein besaß.
Und das alles nur wegen Mason.

Ich dachte, ich wäre mit diesem Typ durch, aber er hinterließ seine Spuren.

„Lila.", erinnerte mich Nathan an seine Anwesenheit, woraufhin ich leicht aufzuckte.
Seine Stimme schien mir auf einmal so laut und ernst.

„Denk an mal an Stacy, oder an Jenna.", murmelte ich brüchig und hielt ein paar Tränchen gekonnt zurück.

„Was ist mit den beiden?", fragte der Brite mit gerunzelter Stirn, was ich ganz gut in der Spieglung der Frontscheibe sehen konnte.

„Weißt du, als ich hier ankam und noch dachte, dass du und Jenna zusammen wärt, da dachte ich,
Ihr zwei wärt das perfekte Paar.
Beide hübsch und beliebt, erwachsen.", erklärte ich und hoffte dabei, dass Nate den Wink verstand, sodass ich nicht weiterreden musste.

Doch leider war dies nicht der Fall, weshalb ich doch wohl oder übel fortfahren musste.

„Nate.
Du und ich, das passt einfach nicht!
Ich sehe uns zusammen in irgendnem Spiegel und denk mir nur: Hä? Was ist das denn!
Du.. du bist ein WOW! Und ich.. ich bin höchstens ein O."
Geknickt starrte ich nun auf den Fußraum vor mir und zählte die Rillen der Gummiabdeckung.

Auf meine doch ziemlich klare Erklärung, sagte Nate eine Weile lang tatsächlich nichts, bis er einmal den Kopf schüttelte und sich der misstrauische Gesichtsausdruck in einen verwirrten verwandelte.

„Lila, was laberst du da?
Was für WOW?"

„Guck dich doch mal an, Nate!
Und dann guck mich an, du wirst sowieso bald merken, wie komisch ich neben Dir aussehe.
Als würde ein Adler ein Rotkelchen daten.
Und dann wirst du dir auch ein neues Mädchen suchen.. so wie-"

„So wie Mason?", unterbrach mich der Brite.

Oh, jetzt gibt's Stress.

„Kommst du wegen ihm auf diesen ganzen Mist?
Du fühlst dich nicht gut genug und denkst, er hätte dich deshalb betrogen?"

Und Nate traf mal wieder den Nagel auf den Kopf, direkt ins Schwarze.

Bestätigend nickte ich.

„Lila!
Erstens bin ich verdammt nochmal nicht Mason!
Und ich werde auch nie wie Mason sein, klar?
Zweitens hat dieser Wichser dich betrogen, weil er sich geil fühlen will und sich selbst beweisen will, wieviele Mädchen er gleichzeitig haben und auch behalten kann und drittens...
Drittens..."

„Wenn man keine drei Gründe hat, hat man keine!", flüsterte ich nun wieder leicht schmunzelnd.
Er hatte Recht.., schon wieder.. wie meistens.

Schmunzelnd verdrehte der Brite die Augen und stupste mich mit dem Fingerknöchel kurz an.

„Jetzt hör auf, solche blöden Sachen zu denken.
Ich mag dich so wie du bist.
Selbst wenn wir optisch vielleicht auf den ersten Blick komisch zusammen aussehen, wen juckt das?
Du bist doch immer die, die darauf beharrt dass innere Werte mehr bedeuten, als äußerliche.
Halt dich mal an deine Prinzipien, junge Dame!
Spaß beiseite, ich find dich toll, selbst wenn ich das vielleicht nicht oft sage, aber ich hoffe du weißt es jetzt.", flüsterte Nate sanft zu mir hinüber und strich mit mit den Fingerknöcheln kurz über die Schulter.

Jetzt ging es mir wirklich wieder besser, um einiges besser sogar, sodass ich mich nun wieder ganz zu ihm drehte, nur um mich minimal vorzubeugen und ihm einen Kuss auf die Lippen zu hauchen.

Wir küssten uns bis jetzt ja echt nicht oft, weshalb es jedesmal was total besonderes und immer noch ungewohntes war.

Nate brauchte nicht viel, nur ein paar Worte und sofort vertrieb er diese Selbstzweifel.
Diese zwar nicht komplett, aber fürs erste fühlte ich mich wieder relativ wohl in meiner Haut und begann weniger darüber nachzudenken, wie andere uns später sehen könnten.

Nach einem sehr intensiven, aber liebevollen Kuss, fuhr Nate wieder weiter, bis wir am Campus angekommen waren.

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