16 | Halt dich fern von Nathaniel |

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29.09.2019, Lilas fantastisches Tagebuch

Liebes Tagebuch,
Das ganze Wochenende blieb ich auf dem Zimmer.
Jenna versuchte mich zwar immer irgendwie überallhin mitzunehmen, doch ich blieb jedes Mal zuhause.

Ich telefonierte mit Blue, mit Claude und auch mit Marco, sah ein paar Serien, aber schrieb weder mit Nathan, noch hatte ich ihn wieder gesehen.

War auch irgendwie gut so.

Montag musste ich ihm aber wohl oder übel mal über den Weg laufen, weshalb mich ich noch schlecht gelaunter als an sonstigen Montagen zum Vorlesungssaal schleppte.

Innerlich betete ich vor mich hin, dass Nathaniel irgendwie krank war, oder keinen Bock auf die Vorlesung hatte, sodass ich ihn nicht sehen musste.

Ich wollte im Erdboden verschwinden.
Kennt ihr das, wenn ihr euch nach so gewissen Aktionen daran erinnert und euch das ganze so peinlich ist, dass ihr richtig Gänsehaut bekommt?
Ihr fragt euch tausend Mal "Wieso hab ich das getan?!" und wünscht euch nichts so sehr wie eine Zeitmaschine, um alles noch mal von vorne erleben zu können und um irgendwas ändern zu können.
Genauso war es bei mir gerade.

Alles kam mir auf einmal so peinlich vor.
So.. cringe, so kann man das glaube ich nennen.

Dieses dämliche Outfit, dieser Auftritt vor der versammelten Truppe, die Diskussion, der Kuss und vor allem das danach!
Diese unglaublich peinliche Unterhaltung!

Ich regte mich immer noch über diese ganzen Sachen auf, sogar als ich schon auf meinem Platz saß.

Ich war mit einigen wenigen die erste, die da war, weshalb ich schonmal meine Sachen herausholte und mich dann entspannte, als plötzlich Amara reinkam.

Nichts außergewöhnliches, ich weiß, aber sie kam alleine.

Ich wusste ja, dass Marco und sie zusammen wohnten, wieso sollten sie dann nicht zusammen hier auftauchen?

Die Brasilianerin sah immer schlechter aus, je näher sie kam und je besser ich sie dementsprechend sehen konnte.

Sie sah total fertig aus.
Ihre geschwollenen, roten Augen befanden sich über tiefen Augenringen, als hätte sie tagelang nicht geschlafen.

„Amara!", rief ich sofort besorgt und beinahe schon ängstlich, ehe ich die Größere sanft in den Arm nahm.

Ich sah es nicht, aber ich spürte genau, dass sie wieder weinte und generell total fertig war.

„Amara, was ist denn passiert?", fragte ich misstrauisch.
Ich machte mir langsam wirklich Sorgen.

„Streit mit Marco.", brachte sie nur leise heraus.

Verwundert sah ich sie an und setzte mich wieder, ehe die Brasilianerin neben mir Platz nahm.

Es war naiv und echt dumm im Nachhinein, aber ich dachte immer Marco und Amara waren so perfekt zusammen, dass sie nie stritten, aber sowas gab es nicht und eigentlich war das auch gut so.

Ich war so ein Mensch, ich glaubte daran, dass Streit in jeder erdenklichen Art von Beziehungen sehr sehr wichtig ist, damit man lernt, mit Problemen umzugehen.
Ok.
Ich rannte gelegentlich von meinen Problemen davon, aber man braucht ja immer ein schlechtes Beispiel, um zu zeigen, was man am besten nicht tat.

Gerade als Amara anfangen wollte zu erzählen, betrat ihr Freund und Nate das Zimmer.

Beide Jungs schwiegen sich an und liefen in einem komischen Abstand zueinander.

Als sie näher kamen, konnte ich deutlich sehen, dass Nate ein blaues Auge und Marco eine aufgeplatzte Lippe hatte.

Der Italiener sah sofort zu mir hoch.
Er sah eher zu seiner Freundin und starrte sie wirklich sehr besorgt an.
So unglücklich und besorgt hatte ich ihn noch nie gesehen und auch Amara schaute nicht anders.

Ihr Streit muss einen wirklich, wirklich schlimmen Grund gehabt haben.

Ich würde durch meine Neugier noch eingehen, weshalb ich aufstand und den Italiener an der Hand rauszog, vorbei an Nathaniel, den ich, mich selbst überraschend, nicht mal ansah.

„Was ist passiert?", fragte ich sobald ich im Flur stand.

Mein italienischer, mittlerweile beste Freund sah mich aus traurige, müden Augen erschöpft an und wartete eine Weile bis er antwortete.

„Es ist nichts von Bedeutung, Pequeña.
Mach dir keine Gedanken.", versuchte Marco vom Thema abzulenken, doch das würde bei mir nicht passieren.

Kopfschüttelnd blieb ich stur.
„Dir geht's es schlecht, Amara auch und Nate auch.
Ich will wissen, was los ist!"

„Lila..
Halt dich fern von Nathaniel.
Wirklich.
Ich bin dein Freund und ich würde nie etwas von dir verlangen, was nicht zu deinem eignen Wohlergehen wäre, ok?
Aber Nathaniel sollte absolut Luft für dich sein, bitte!", flüsterte mir Marco eindringlich zu und hatte mich dabei sanft an den Schultern festgehalten.

Ziemlich erschrocken blickte ich den Italiener an und schluckte zunächst.
Ich war so geschockt, von dem was er mir sagte oder eher, worum er mich bat, dass mir die Sprache wegblieb.

Wieso hatten alle auf einmal ein Problem damit, dass Nathan und ich uns kannten?!
Erst Dylan und jetzt auch noch Marco!

„Versprich es mir, Lila.
Bitte!
Keinen Kontakt.", bat Marco nun noch ernster und starrte mich dabei regelrecht an, woraufhin ich unsicher nickte doch dann schnell mit dem Kopf schüttelte und wieder zur Besinnung kam.

„Was...
Was?!
Was ist euer Problem?!
Wieso könnt ihr mir nicht einmal die Wahrheit sagen und sagen, was hier los ist?!
Dass Nate nicht ehrlich zu mir ist, das ist nichts Neues für mich aber du?!
Marco, ich dachte schon du würdest mir vertrauen!", rief ich enttäuscht und riss mich endlich aus dem Griff des Italieners, der mich nun ziemlich verzweifelt ansah.

„Und wenn du sowas ernsthaft von mir verlangst, dann solltest du mir wenigstens erklären wieso!", ergänzte ich noch und sah Marco nun doch etwas sauer an.

„Nathaniel hatte Recht, du bist wirklich so stur.", seufzte er nach einer Weile und stemmte die Hände nachdenklich in die Hüften, ehe er zu Boden sah.

„Ach ihr redet also über mich?
Sehr schön.
Marco, entweder du sagst mir jetzt was los ist oder du lässt mich mein Leben leben, so wie ich das will!", forderte ich und lief bereits zurück Richtung Klassenzimmer, als mir auf einmal die Person um die es die ganze Zeit ging entgegen kam.

„Nate.", rief ich überrascht, als dieser direkt vor mir stehenblieb und zu mir hinunter sah.

„Was habt ihr beredet?", fragte der Brite ziemlich emotionslos und blickte mir nicht mal wirklich in die Augen, ehe er zu Marco sah und dabei offensichtlich ziemlich wütend war.

„Du sollst sie endlich in Ruhe lassen.", rief Marco Nathan zu und zog mich mit sich Richtung Hauptflur.

„Sie kann selbst entscheiden was sie will.
Sie ist achtzehn Jahre alt, Marco!"

„Eigentlich bin ich sieb-", wollte ich den Briten gerade korrigieren, als dieser von Marco wieder angeschnauzt wurde.

„Du weißt genau, was passieren wird!
Ist es das,
was du willst?!"

Seufzend sah Nathaniel zu Boden und wollte gerade etwas sagen, als ich diesmal dazwischen funkte.

Ich hatte nun nämlich definitiv alle Faxen dicke!
Ich wollte nicht mehr, ich hatte keine Lust mehr auf diese dämlichem Geheimnisse.

„Es reicht mir, Jungs!", brüllte ich so laut, dass es durch den ganzen Flur hallte, der zum Glück aber leer war.

„Ich habe keine Lust mehr.
Weder auf deine Versuche mich vor irgendwas zu schützen, noch auf deine bescheuerten Geheimnisse und deine Spielchen!", rief ich und riss mich erneut von Marco los auf den ich zu erst gezeigt hatte.

Anschließend schnappte ich mir meine Tasche und verließ das Gebäude, um zurück aufs Zimmer zu gehen und anschließend mit meinen Rollschuhen irgendwo hinzufahren.

A heart's desiresWo Geschichten leben. Entdecke jetzt