60.

3.8K 140 2
                                    

60. Kapitel

Noah

Hinter mir nehme ich Kains Stimme wahr. „Was ist los? Warum ertönt das Horn?“ Völlig außer Atem und mit verstrubbeltem Haar steht er nun vor Nero. „Wir werden angegriffen.“ Neros Gesichtsausdruck ist völlig kalt. „Was? Aber das kann nicht sein. Das Lager hat einen Schutzzauber, damit wir unentdeckt bleiben.“ Im Gegensatz zu Nero wirkt Kain gerade so als wenn ihn die ganze Situation überfordert. „Anstatt hier rumzustehen und sich über sowas Gedanken zu machen, solltest du dir lieber deine Rüstung und dein Schwert anlegen. Tatsache ist, dass wir einen Verräter unter uns haben und Tatsache ist auch, dass du, mein kleiner Bruder, nicht auf meinen Rat gehört hast. Lege im Krieg niemals deine Rüstung und dein Schwert hab. Hier ist kein Platz für solche Zärtlichkeiten. Du magst zwar mein kleiner Bruder sein, aber ich kann nicht immer an deiner Seite sein und dir helfen. Nimm meine Worte ernst. Sollte dir jetzt etwas passieren, ist es deine eigene Schuld.“ Ohne Nero darauf zu antworten, rennt Kain wieder an mir vorbei in Richtung seines Zeltes.

Sekunden später landet ein Pfeil an der Stelle wo Kain gerade noch stand. Völlig unbeeindruckt dreht Noah sich in die Richtung, aus der der Pfeil kam. Ohne zu zögern läuft er los. Am Rande des Lagers stoßen andere zu ihm. Ein paar von ihnen kenne ich oder habe sie zumindest schon mal gesehen. Auch Marek ist unter ihnen. Zuletzt gesellt sich Kain zu der Gruppe und alle scheinen nur auf ein Wort von Nero zu warten.

Immer wieder fliegen Pfeile über uns hinweg. Und immer noch hat Nero kein Wort gesagt, er steht einfach nur da und starrt in den Wald. Ohne lange zu zögern rennen alle los, scheinbar ohne Angst vor dem Kampf. Fasziniert laufe ich durch die kämpfende Meute. Vor meinen Füßen landet ein Kopf. Überall um mich herum fließt Blut. Das Gebrüll der Männer ist ohrenbetäubend. Mein Blick fängt Nero auf, der gerade dabei ist jemanden den Todesstoß zu geben. Er kämpft anmutig, zeigt keine Angst und zögert keinen Augenblick seinen Feinden den Kopf abzuschlagen. Sein Körper ist besudelt von Blut. Ich habe das Gefühl je mehr er tötet, desto stärker und rücksichtsloser wird er.

Die Gegner scheinen kein Ende zu nehmen. Immer wieder kommen neue aus den Tiefen der Wälder nach. Die leblosen Körper fangen an sich zu stapeln, ein schwerer Eisengeruch erfüllt die Luft. Der Himmel wird von tiefschwarzen Wolken verziert, die nicht lange darauf warten ihre Pforten zu öffnen. Der gerade noch trockene Boden wird zu einer Mischung aus Blut und Schlamm.

Mein Blick huscht über das Schlachtfeld auf der Suche nach Kain. Endlich habe ich ihn gefunden. Er und Nikolai stehen sich gegenüber. Hinter Nikolai steht ein anderer Dämon, der seine Hand auf dessen Schulter hat. „Du warst es. Du hast sie zu uns geführt. Wie konntest du nur? All die Zeit hast du mich hintergangen. Jedes Liebesgeständnis war gelogen. Einfach alles!“ Kains Augen spiegeln Trauer und Wut. Der Dämon hinter Nikolai sagt etwas, was ich aber nicht verstehe. Einen Wimpernschlag später greift der Traumdämon Kain an. Panisch will ich zu ihm rennen.

Wie aus dem nichts steht Nero hinter Kain und zieht ihn zurück. Doch das Schwert verfehlt ihn nicht ganz, Nikolai hat ihn im Gesicht getroffen. Das werden die Narben, die ich heute Abend bei ihm gesehen habe. Die Narben einer vergangenen und verratenden Liebe. Nikolai weicht zurück, die Angst, vor dem was jetzt passieren wird, ist in seinen Augen geschrieben. Nero geht auf ihn zu, hebt sein Schwert und köpft den Dämon hinter ihm. Kaum liegt der Kopf am Boden sinkt auch Nikolai auf die Knie. „Ich…Es tut mir leid. Sie haben mich gezwungen.“

„Ich werde nicht über dich richten. Kain wird es sein, denn du fürchten musst.“ Ohne ein weiteres Wort verschwindet Nero wieder. „Kain, es tut mir so leid. Bitte verzeih mir. Ich habe nicht gelogen, als ich sagte ich liebe dich“, wimmert er. „Sei still. Ich will das nicht hören. Ich hätte dir alles gegeben. Alles was du haben willst und du verrätst mich.“ Langsam geht er auf ihn zu, hebt sein Gesicht so, dass er ihn ansehen muss. „Ich werde dich töten für deinen Verrat, für deine Lügen. Ich werde es aber nicht heute tun, sondern irgendwann und irgendwo. Vielleicht schon morgen oder in einem Monat, einem Jahr, einem Jahrhundert oder einem Jahrtausend. Aber sei dir Gewiss, irgendwann werde ich vor dir stehen, dich anlächeln und dir dein hübsches Köpfchen abschlagen. Du wirst ab jetzt mit der ständigen Angst leben müssen, dass ich komme, um dich zu holen. Es wird keinen Ort geben, an dem ich dich nicht finde. Ich schwöre es beim heiligen Schwur des Mythos.“



#thatsdeep

My Demons Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt