Die kühle Dunkelheit bedrückte Mitarendil noch immer während er die Gänge des Gebirges entlang schritt. Es mussten fast zwei Wochen her sein, seit er das letzte Mal im freien gestanden hatte, doch in dieser ewigen durch Feuerschein erhellten Nacht ließ es sich schwer sagen wann die Tage sich abwechselten. Ihm fehle der warme Kuss der Sonne auf seiner Haut, das Spiel des Windes in seinem Haar und die reine Luft in seinen Lungen.
Seit fast einem Jahr ließ sein Vater ihn nun hier versauern und den Botschafter spielen, während die Kämpfe vor ihrem Reich tobten.
Die breiten Zwergenwachen in den kunstvollen Rüstungen nickten ihm zu und öffneten die mit Gold beschlagenen, kunstvoll geschnitzten Torflügel.
Vor ihm erstreckte sich der Besprechungsaal, eine große Halle mit breitem Kreuzgewölbe. Prasselnde Feuer vertrieben die Kälte des Felsens und Spiegel lenkten das Licht der Öllampen durch den Raum und erhellten ihn. Fast als würde die Sonne selbst die Dunkelheit vertreiben, selbst hier bewiesen sich die Zwerge als unglaubliche Handwerker. Doch mit echtem Tageslicht würde man das nicht brauchen entschied der Elfenprinz stumm für sich, ohne die Freiheit der Oberfläche war es einfach nicht dasselbe. Zahlreiche Anführer aller Zwergenclans hatten sich nun mit ihren Beratern um den gewaltigen Tisch versammelt. Alle Clans waren vertreten. Während die Anführer wild grölend an der Tafel standen, saßen ihre Gefährten auf Tribünen hinter ihnen und brüllten ihre eigenen Ideen dazu. Er legte sich eine Hand an die Schläfe. Kaum einen Augenblick hier, schon dröhnte ihm wieder der Schädel. Die Zwerge waren das völlige Gegenteil zu seinem Volk, laut, grölend und schnell mit der Hand an der Axt. So etwas hatte er noch nie im Rat der Elfen erlebt, dort diskutierte man gesittet, während hier auch ab und zu mal fast eine Axt flog. Die Zwerge waren laut und ungestüm dazu noch impulsiv und ungebändigt. Gerade packten zwei von ihnen ihre Axtgriffe. Und keiner wirkte als könne er dem anderen nicht den Schädel spalten.
Ein Knall, ließ alle Köpfe herumfahren, Hendris der gewaltige Kriegshammer aller Zwergenkönige hatte eine hölzerne Tribüne in Stücke gerissen. „Benehmt euch nicht wie Kinder!" dröhnte die Stimme des Königs durch die Halle ein grollender Ton, der nicht weniger erschreckend war als das Krachen des Hammers. Mitarendil bewunderte den vom Alter gepackten König, trotz der Last dieser vielen Jahre strahlte er noch immer eine Macht aus. „Wir müssen Lergenbor aufgeben!" brüllte Halbarox Axthieb. Der Zwerg hatte einen kahl rasierten Schädel, bis auf den Hinterkopf, wo wuchs ein schwarzer geflochtener Zopf über seinen rücken hing. Den Backenbart hatte er einzeln verflochten, bevor er ihn kunstvoll unter den Rest seines Bartes gewoben hatte. Mit dem Anführer des zwölften Clans hatte er wenig zu tun gehabt, er war zu impulsiv und versuchte jeden Streit mit der Axt durchzusetzen, nur eines musste er ihm lassen, seine Axt wusste der Zwerg zu beherrschen.
Mitarendil schüttelte den Kopf während er seinen Platz neben Tarian einnahm und antwortete „Regnober ist so gut wie gefallen, verlieren wir Lergenbor steht ihnen die erste Sarteiebene offen."
Sein Blick fiel auf die Karte, die gewaltige Ebene im Gebirge war nur eine von wenigen der bergumschlossenen Täler, mit flachem und fruchtbarem Boden, sowie kleinen Wäldern und Tieren. Mehre Clans nutzten diese Flächen für kleine Siedlungen, Landwirtschaft und Viehzucht, die meisten waren jedoch abgesehen von Eigenbrötlern unbewohnt. In den größten von ihnen würde ein Reiter selbst im Galopp mehrere Tage bis auf die andere Seite brauchen.
„Ihr unterschätzt uns Elf" polterte ein muskelbepackter Zwerg mit blondem lockigen und zu zwei Zöpfen geflochtenem Haar „Ihr unterschätzt meinen Herren" jetzt erinnerte sich Mitarendil wieder wen er da vor sich hatte, Gunar Sternenschild, den Stellvertreter von Relor Eisenfaust, der in Regnober festsaß. „Regnober wird nicht fallen!" er pochte mit den breiten Knöcheln seiner Faust auf den Tisch. „Der menschliche Anführer ist unfähig, er entsendet seine Truppen und die schlagen sich die Schädel an der Mauer blutig." er trete sich zu den anderen „und diese Mauer wird halten, sie wurde von meinem Clan geschaffen, sie widersteht ihnen schon seit einem Jahr und wird auch noch weitere Jahre stehen" schwor er inbrünstig. „Der geheime Tunnel ist sicher, schon die ganze Zeit versorgen wir unsere Truppen mit Nahrund und ersetzten die Wachen durch frische Krieger! Es ist Langober die wir nicht halten können!" „Geben wir sie auf, stehen sie hinter Regnober" schaltete sich nun Tarian ein. „Wie wollt ihr sie dann noch über den Tunnel versorgen?" fragte er scharf. „Das ist doch gar nicht das Problem" knurrte Halbarox. „Wir geben einfach beide auf, wieso eine unbewohnte Sarteiebene verteidigen?"
Die buschigen Augenbrauen des Zwergenkönigs zogen sich zusammen, während er sich unbewusst mit der linken durch den langen Bart kämmte. „Er hat recht, davon haben wir genug!" grölte einer von hinten. Mitarendil unterdrückte ein Lächeln, manchmal waren Zwerge wahre Langsamdenker. „Die Elfenarmee wird sich in diesem Gebiet den Menschen stellen, wir können besser auf freiem Feld kämpfen, als im Gebirge." Er fuhr einen Engpass von Lergenbor nach, der in dieselbe Sarteiebene führte. „Fällt Lergenbor könnten sie uns von da aus in die Seite fallen." Manche der Zwerge nickten und verfielen direkt in die nächste Diskussion, während andere laut brüllend ihre Ablehnung verkündeten. „Außerdem dürfen wir ihnen nicht erlauben ihre Armeen zu vereinigen. Sie sind schwächer als die Zwerge und langsamer als unser Volk, aber es sind viele und sie sind gut ausgebildet." bemerkte Tarian der in Gedanken verloren die Karte studierte. „Wo bleibt denn diese tolle Elfenarmee, von der ihr immer redet" knurrte Afkar Wolfsschreck, der Anführer des vierten Clans, des Clans der Wolfsreiter. Mitarendil hatte bisher nur wenige der Namare gesehen, Wölfe die so groß waren wie Pferde und das Gebirge besiedelten. Er hatte Respekt für diese Zwerge, sich überhaupt an diese riesigen Raubtiere heran zu trauen, geschweige denn eines zu reiten.
Der Zwerg bemühte sich nicht seinen Hass auf die Elfen zu verbergen. Seinen Clan verband eine lange blutige Geschichte mit den Elfen und trotz des brüchigen Friedens hätte er wahrscheinlich lieber gegen sie gekämpft als sich von ihnen helfen zu lassen. Die wulstige Narben in seinem Gesicht funkelten silbrig im Licht als er sich zu seinen Männer umwandte, eine riesige Pranke, vermutlich die eines Namars war ihm durch das Gesicht gefallen und da wo das rechte Auge sitzen sollte, saß eine goldene Kugel, die buschige Augenbraue darüber bestand zwischen den Narben nur aus einzelnen Büscheln.
„Die Elfen nennen sich Freunde!" rief er den Clanmitgliedern hinter sich zu „Sie nennen sich Verbündete. Sie nennen sich sogar Waffengefährten." theatralisch drehte er sich im Kreis. „Doch wo sind ihre Reiter, wo sind ihre Schwerter wo sind ihre Krieger?" Er machte eine Handbewegung in Richtung der Elfen „Bis auf diesen kümmerlichen Haufen habe ich noch keine gesehen. Nein, unsere tapferen Zwerge kämpfen immer noch alleine, unsere Burgen stehen immer noch unter Belagerung und nur unsere treuen Krieger stellen sich den Menschen in den Weg!" „Wir Elfen haben kein stehendes Heer" es war Tarian der antwortete, leise und bedacht. „Der König muss nach seinen Soldaten rufen und sie müssen ihm folgen, aus dem ganzen Reich, es dauert lange, doch auch ihr habt nun über ein Jahr gebraucht eure Kräfte zu einen und nach all den Besprechungen hier werdet ihr noch mindestens ein weiteres Jahr benötigen bis eure Truppenstärke hoch genug ist, sich offensiv zu stellen." Er tippte auf die Karte „Wenn ihr bestehen wollt müssen wir die Zeit nutzen die uns bleibt. Ja es dauert bis unsere Armee steht, aber wenn sie steht werden wir die Männer des Königs beschäftigen. Außerdem führen wir bereits Schlachten gegen sie an der Grenze unseres Reiches. Eine Abteilung unserer Reiter wird bald hier eintreffen, die Hauptarmee wird selbst gegen die Menschen marschieren, wir werden niemals unsere Armeen einfach so vereinen, es ist besser wenn wir die Soldaten Relons auseinander ziehen als dass wir zusammen ins Feld ziehen." Mehre Zwerge wollten etwas sagen, da fuhr ihnen der Elf erbarmungslos über den Mund „Wir werden unseren Teil dazu beitragen, seid froh Zwerg, wenn wir nicht gegen euch stehen." Afkar knurrte und riss ein Wurfbeil aus seinem Gürtel. Blitzschnell schloss Tarian vor und fiel dem Zwerg in den Wurfarm. „Ich habe genügend von deinem Clan getötet um das Gebirge mit Blut zu tränken" hörte Mitarendil das eiskalte Flüstern seines Gefährten, leise genug damit die umher stehenden Zwerge ihn nicht hörten, doch vor seinen scharfen Ohren blieb es nicht verborgen. Der Zwerg knurrte, wand sich. Kraftvoll riss er Tarian zurück. Während Boromir und Biondil sich auf den hasserfüllt brüllenden Zwerg warfen und ihn unter Gewalt von den Elfen weg zwangen. Er wehrte sich und erst als noch zwei weitere Zwerge von den Tribünen herbei eilten und beisprangen ließ sich dessen ungezügelte Kraft zähmen. „Bist du völlig verrückt geworden" knurrte Mitarendil während er Tarian aus der Besprechungshalle zog. Die Tür war bereits aufgestoßen und die Wachen standen bereit in das Geschehen einzugreifen. Arviu und Morana ließen ihre ruhigen Blicke über die Zwerge schweifen und erfassten die Situation ohne Worte. Bevor Arviu den Lord packte und flüsterte er „Glätte die Wogen, ich bringe ihn hier weg!" dankbar nickte Mitarendil und atmete tief ein und schritt mit verkrampften Magen wieder auf den Zwergenkönig zu, dessen uralte Augen die Hilflosigkeit verrieten, bevor sie sich in der Mauer des Schmerzes verdunkelten und sich die knotigen Finger ein zweites Mal in dieser Besprechung um den Stiel Hendris' legten, es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die alten Spannungen aufkochten.
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DIe Chroniken Relons
FantasyEine Fantasywelt voll Elfen, Zwerge, Menschen, Magiern und anderen Wesen, zerissen vom Krieg eines gierigen Königs, voll Verrat, Kampf und neu erblühender Freundschaft.