Kapitel 10

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„Aufmachen!" schrie Vespasian und donnerte mit einer Faust gegen das Tor. Sie standen an einer Brückenfestung, vor ihnen erstreckte sich der Dena, ein Fluss, so breit, dass selbst ein geschossener Pfeil das andere Ufer nicht erreichen konnte. Sie standen vor einer der wenigen Brücken, die Reisenden den Weg auf die andere Seite ermöglichten. Doch an beiden Enden der Brücke befand sich ein steinernes Torhaus mit zwei schmalen runden Türmen links und rechts und einer Mauer die den Zugang zur Brücke abriegelte. Doch das Tor war verschlossen, dunkelbraune Holzbalken mit grauen Eisenbeschlägen versperrten ihnen den weg. Drakon sah über sich Mordlöcher, finstere Öffnungen die auf sie herabblickten und in Belagerungsfällen kochendes Wasser oder Öl auf die Feinde freigaben. Ein weiteres Mal donnerte Vespasian wütend mit der behandschuhten Faust gegen die Bohlen, die dumpf dröhnten. „Verdammte Scheiße kann man nicht einmal in der Nacht ungestört pennen?" brüllte von oben eine Stimme, kurz darauf erschien ein Helm der orange im Licht einer Fackel glitzerte. „WAS?!" blaffte er. „Öffnet das verdammte Tor." rief Vespasian ebenso missgelaunt zurück. „Das Tor ist Nachts geschlossen, morgen bei Sonnenaufgang!" kam die Antwort. Der Wächter spukte die Mauer hinab und der Kopf verschwand. „Verfluchter Sack!" donnernd trat Vespasian mit voller Kraft gegen das Holz. „Verdammte scheiße dich knüpfe ich am nächsten Baum auf!" schrie der Wächter von irgendwo hinter der Mauer. „Ich bin Vespasian Flatorn, ein verfluchter Botschafter des Königs und ich lasse dich alle Kanalisationen von hier bis Denor mit deinem Hemd schrubben!" lautete die gebrüllte Antwort." nun folgte hinter der Mauer ein panisches Rappeln und Rascheln. Vespasian grinste Drakon zu „Du wirst bald merken, dass es in der Armee anders zugeht als bei den blaublütigen Banketten deines Vaters." Polternd wurde ein Riegel hinter dem Tor zur Seite geschoben und die Torflügel aufgezogen. Vier Soldaten nahmen Aufstellung, alle als leichte Infanterie gerüstet, mit Arm- und Beinschienen, Kettenhemden und Helmen, bewaffnet mit Dolch, Schwert, Speer und Rundschild. Sie wirkten alle schlecht gelaunt und müde. Vespasian und Drakon standen in einem kleinen Innenhof. Hinter ihnen das Tor den Türmen, rechts und links die Mauer und vor ihnen erstreckte sich die Brücke über das jetzt schwarze Wasser. Fackeln beleuchtete mit ihrem orange gelben Licht den Hof und spiegelten sich auf den Rüstungen. „Herr" der wohl Dienstälteste trat vor und salutierte. „Wer zur Hölle wagt es mich aus meinem Bett zu schmeißen" knurrte eine rauchige Stimme „ich hoffe für euch, dass der Feind gerade die Mauern einreißt, sonst lasse ich euch in Rüstung durch den Fluss schwimmen." ein Mann schritt aus einer in die Seitenmauer eingelassenen Tür, dahinter lagen wohl die Mannschaftsquartiere. Der Mann war klein und stämmig, hatte einen grauen Vollbart der auf der Lippe von einer roten Narbe unterbrochen wurde, die sich über sein Gesicht und das Kinn hinab zog. Er trug lange Stoffhosen und einen Waffengurt mit Dolch und Schwert. Er hatte sich notdürftig einen Harnisch übergeworfen, der etwas schief saß und ihn in einem Kampf eher behindert als geschützt hätte. Man sah deutlich, dass er aus dem Schlaf gerissen worden war und darüber gar nicht glücklich war. „Baromir?" fragte plötzlich Vespasian völlig überrascht. „Bei allen vermaledeiten Monstern aus Ukreanos Arsch, Vespasian?" der stämmige Mann kam auf sie zumarschiert, während Drakon sich ein Grinsen bei dessen Ausdrucksweise verkneifen musste. Der Königsbote schwang sein Bein über das Pferd als er abstieg und dem Mann einen kräftigen Handschlag darbot in den er fest einschlug. „Was steht ihr hier noch rum?" blaffte der Mann nun als er das Interesse seiner Männer bemerkte. „Auf eure Plätze ihr Hunde!" Murrend verzogen sich die Männer und der Mann grinste wieder Vespasian an. „Was führt dich denn in diese Gegend?" „Ich bringe den Jungen vom Taurus nach Denor." Der Mann betrachtete Drakon kurz, tippte sich wie zum Salut an den Kopf und grummelte etwas von „Hab auf ihn angestoßen." in seinen Bart. „Du wurdest befördert?" fuhr Vespasian fort. „Pfff!" schnaubte der Mann in seinen Bart, den Abzeichen auf seiner Brustplatte nach ein Legat, ein Mann, der kein reguläres Amt im Militär innehatte, sondern dem eine kleinere Befestigung wie ein Lager oder eben so eine Brückenpforte unterstellt war, mit einer nicht festgelegten Einheitenanzahl aus einer in der Gegend stationierten Maxins. „Von einer Beförderung würde ich nicht sprechen." „Glücksspiel?" fragte Vespasian schmunzelnd. „Glückspiel" nickte der Mann „Ich hab einen Tribun bis auf die Seidenunterhosen ausgezogen." er grinste „Dann hat er mich in dieses Loch versetzen lassen und es Beförderung genannt." Vespasian lachte leise und nickte Drakon zu „Baromir hier hat als Obrist unter mir in der Wüste gekämpft. Abgesehen von seinem dreckigen Mundwerk ein wirklich guter Mann und ein noch viel besserer Glücksspieler." „Nur im Würfeln!" warf der Legat lächelnd ein. „Verdammt alter Junge, es ist lange her" sie führten ihre Pferde mit klackenden Hufen über die Brücke. Sie war so breit, dass zwei Ochsenwagen problemlos nebeneinander herfahren konnten und so hoch dass kleine Segelschiffe, die den Handel und Transport in dieser Gegend, darunter hin durchsegeln konnten. Dunkle Ketten glitzerten im Mondlicht über den Wellen, sie spannten sich links und rechts der Brücke über den breiten Fluss und verhinderten, dass Schiffe die Brücke passieren konnten. Über breite Rollen ließen sie sich auch wieder abwickeln, wie es wohl unter Tags normalerweise war, so versanken die Ketten dann im dunklen Wasser des Flusses und die Schiffe konnten mühelos darüber hinwegsegeln. „Oh ja, nachdem der König dich aus der Wüste geholt hatte ist viel passiert." Der Legat zog einen der Lederriemen an seiner Hüfte fest und lief neben ihnen her. „Damals hätte ich alles für eine hübsche Stelle am Wasser gemacht und jetzt hocke ich am Wasser und es geht mir tierisch auf die nerven. Dazu kommen Tag für Tag langweilige Durchsuchungen von Wägen" er schüttelte den Kopf „ich würde vieles dafür geben endlich wieder an der Front zu stehen, da sieht man seinen Gegner wenigstens." Vespasian nickte verstehend „ich werde meine Kontakte spielen lassen und deine Versetzung in den Norden beantragen." Baromir lachte „Nach Wüste und Wasser kommt jetzt das Gebirge, das hatte ich noch nicht." Vespasian berichtete, während sie so langsam dahinschritten, kurz von den wichtigsten Ereignissen und berichtete auch von dem Rebellenangriff. „Davon gab es mehrere." „Was?" Vespasian verstummte kurz, überrascht unterbrochen worden zu sein. „Rebellenangriffe, hier sind mehrere Boten entlang geritten und haben ein bisschen geplaudert." „Wo?" „Überall im Umkreis, die 15 Maxin ist in Denor stationiert, jeden Tag marschieren hier Kantonat für Kantonat über diese Brücke um die Dörfer mit Männern zu besetzen und die Wälder in der Gegend zu durchkämmen. Es häufen sich Schauergeschichten über übernatürlich starke Angreifer und getötete Reisende, die von Wölfen angegriffen worden waren. Gestern erst hat sich eine Kantonat leichte Reiterei auf die Jagd nach einem verdammten Rudel gemacht, dessen Spuren zwei Reitstunden südlich von hier entdeckt wurden." „Wie schätzt du die Lage ein?" es war eine ehrliche Frage an einen Mann, dessen Expertise er über viele brenzlige Situationen hinweg er zu schätzen gelernt hatte. „Schlechter als es der König gerne hätte, wir wissen nicht wie viel Rebellen es sind, aber sie werden mutiger und dringen in unser Gebiet vor. Die Schauergeschichten machen mir nicht wirklich Angst aber hinter jeder Gruselgeschichte steckt ein wahres Monster und bevor wird dieses nicht kennen gibt es eine weitere Bedrohung im Nacken, die uns genau diesen brechen konnte. Wenn der Statthalter Denors nicht völlig dumm ist wird er in den nächsten Tagen eine Reservemaxin anfordern, auch wenn die Rebellen wenige sind werden wir viele Männer brauchen um den ganzen Bereich abdecken zu können." Er schnaubte „Selbst hier wurde die Truppenstärke von einem Numero auf zwei erhöht. Stell dir das vor ich befehlige zwölf Männer. Früher hatte ich über fünfhundert." Sie kamen im anderen Hof an. „Legat!" ein Mann salutierte. „Leutnant." Antwortete Baromir und wedelte mit seiner Hand zum Zeichen das Tor zu öffnen, als sie sich nicht bewegten knurrte er „Bewegt eure faulen Ärsche und öffnet das verdammte Tor!" „Aye!" die Männer machten sich ans Werk. Auch hier hielten vier Wache. Die anderen fünf schliefen wahrscheinlich tief und fest und würden Tagsüber den Dienst übernehmen. „Vergiss nicht mich hier rauszuholen." erinnerte der Legat Vespasian an sein Versprechen und reichte ihm die Hand. „Viel Spaß in der größten Armee der Welt!" rief er Drakon grinsend zu, während sie davon ritten. Hinter ihnen erscholl noch ein „Los ihr faulen Hunde macht das scheiß Tor zu und wenn mich einer vor Sonnenaufgang weckt dem reiße ich persönlich die Zunge aus dem Maul." Leise lachend schüttelte Vespasian den Kopf, er hatte die ruppige Art des Mannes vermisst.

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