Elf

51 5 0
                                    

Lucien

Ann war gerade dabei, von ihren Fortschritten zu berichten, was die - wie auch immer geartete - Behandlung von Snow betrifft (ganz ehrlich, sie scheint die Einzige zu sein, die irgendeine Ahnung hat, was Snow durchmacht - und ich bin verzweifelt genug, jeden Versuch zu ergreifen, solange Snow mich nur irgendwann wieder mit ihren eisblauen Augen anblickt), als wir ein lautes Poltern hören, das eindeutig vom Stockwerk unter uns stammt, gefolgt von einem lauten Stöhnen und einem kehligen Lachen.

Durch die plötzliche Geräuschkulisse stockt Ann mitten im Satz und zieht überrascht die Augenbrauen hoch. Dem Funken des Erkennens in ihren Augen nach zu urteilen, handelt es sich bei dem weiblichen Part des Treibens dort unten um ein Mitglied der Schatteneinheit, die sowohl Ann als auch Fire anführen.

"Sieht so aus, als hätte sich ein neues Liebespaar zwischen unseren Einheiten herauskristallisiert", grinst Cheri und zwinkert mir zu - in Anspielung an meine vorangegangenen Worte, die Liebe sei der größte Vorteil, den unsere kleine Armee im Vergleich zu unseren Feinden besäße.

Ein weiteres Poltern ertönt von unten, gefolgt von einem leisen Fluch, auf den lautes Gelächter folgt.

Skeptisch hebe ich eine Augenbraue. "Es klingt, als würden sie das ganze Mobiliar in Stücke reißen. Ich hoffe um ihretwegen, das Chaos dort unten wird nicht zu schlimm sein - sonst können sie ihren morgigen Tag damit verbringen, alles wieder aufzuräumen."

"Du solltest ihnen eine Verwarnung erteilen", schüttelt Fire mit einer Grimasse den Kopf. "Bei diesem Krach kann sich doch kein Mensch konzentrieren."

Cheri lehnt sich amüsiert in ihrem Stuhl zurück und verschränkt die Arme. "Was denkst du, wie laut du und Ann erst seid, wenn wir die Vergnügten ein Stockwerk höher noch hören können - und euer Zimmer nur wenige Gänge entfernt liegt?", neckt sie meine kleine Schwester, die daraufhin entrüstet aufspringt und wie ein kleines Kind mit dem Fuß aufstampft, während sie auf die Provokation anspringt.

Und schon gibt es einen Streit, denke ich im Stillen und verdrehe die Augen, jedoch nicht ohne ein Grinsen unterdrücken zu können. Es ist etwas derart alltägliches und einfaches, dass es die ganzen Schrecken, denen wir uns Tag für Tag gegenüber sehen - den Uman, dem Krieg, Snows Zustand -, abmildert und sie, zumindest für den Moment, in den Hintergrund treten lässt.

Cheri und Fire liefern sich mittlerweile ein regelrechtes Wortgefecht, wobei Erstere nur grinsend auf ihrem Stuhl sitzt, während Letztere mit knallroten Wangen und blitzenden Augen tobt. Ann daneben sieht dabei so aus, als würde sie am liebsten in ihrem Stuhl versinken.

Es ist das erste Mal, das ich so etwas wie Scham in ihrem Gesicht sehe - ihre Wangen sind genauso rot wie Fires, was im Kontrast zu ihrer Porzellanhaut nur noch mehr auffällt, und sie presst die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, während sie möglichst versucht, niemandes Blick zu kreuzen.

Wie hätte Snow reagiert, wenn sie an ihrer Stelle dort gesessen hätte, und Cheri mich mit der Lautstärke nächtlicher Taten aufgezogen hätte? Sofort muss ich grinsen. Snow hätte mir die Hölle heiß gemacht und wir hätten uns bis zum umfallen geneckt.

Der Gedanke an sie lässt mich erneut einen Stich verspüren, und ich reibe mir geistesabwesend über die Brust, während ich aufstehe und ans Fenster trete. Mittlerweile ist die Nacht hereingebrochen und der fallende Schnee sieht aus, als würden die Sterne vom Himmel stürzen.

Leise schnaube ich über meinen eigenen Gedanken und verschränke die Arme vor der Brust. Seit wann bin ich so lyrisch unterwegs? Das muss wohl eine der Folgen sein, wenn man sich verliebt - und innerlich das Gefühl hat, in Sehnsucht zu ertrinken. Stirnrunzelnd schüttele ich über mich selbst den Kopf.

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt