Dreiunddreißig

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Linus

Ein Rütteln weckt mich auf, noch bevor die Sonne am Horizont erschienen ist.

Lia steht neben mir, und sobald sie erkannt hat, dass ich wach bin, fängt sie hastig an ihre Haare wieder zu einem Zopf zu flechten. "Komm. Ich habe gestern in Erfahrung bringen können, dass die Schiffe mittlerweile verrottet und undicht geworden sind. Damit würden wir kentern, noch bevor wir außer Sicht wären. Und damit wir nicht umsonst hier sind, können wir uns auch gleich alles unter den Nagel reißen, was wir finden können - wir müssen aber weg sein, bevor die anderen aufwachen", erklärt sie.

Schnell stehe ich auf, richte meine Kleidung und strecke mich, während Lia all die Waffen wieder einsteckt, die sie - zumindest größtenteils - zum Schlafen abgelegt hat. Als sie mir einen ihrer Dolche reicht, sehe ich sie nur fragend an. "Sollte irgendetwas schief laufen, wäre es vermutlich klüger, wenn du auch eine Waffe besitzen würdest. Nur für alle Fälle. Kannst du damit umgehen?" Auf mein Nicken hin lächelt sie leicht. "Das will ich hoffen." 

Wenige Sekunden später huschen wir lautlos aus dem Zimmer und beginnen, das alte, halb verfallene Hotel zu erkunden. Die meisten Räume sind leer, unbrauchbar, zugewuchert oder liegen in Trümmern. Wir finden verfaulte Lebensmittel, verschimmelte Kleidung und sonstig widerliches Zeug, aber nichts wirklich brauchbares. Nun, nichts außer einer Landkarte , auf die sich Lia regelrecht stürzt.

"So langsam geht die Sonne auf, und wir haben noch kaum etwas gefunden", murmele ich leise zu Lia, die daraufhin gedämpft flucht, als ihr ebenfalls bewusst wird, wie viel Zeit wir bereits vertrödelt haben.

Dann kommt mir ein Einfall und ich halte Lia am Ärmel fest, die bereits in den nächsten Raum gehen wollte. "Was wäre denn, wenn sich etwas anderes wertvolles in den Höhlen befinden würde, in denen ursprünglich die Schiffe anlegten? Was, wenn sie dich angelogen haben, und doch noch welche intakt sind?"

Lia runzelt die Stirn. "In dem Zustand, in dem die sich gestern befunden haben, glaube ich nicht, dass sie noch genug Gehirnzellen gehabt hätten, um sich so etwas einfallen zu lassen."

"Aber du hast doch ebenfalls äußerst überzeugend die Betrunkene gespielt. Was, wenn sie dasselbe getan haben?", beharre ich.

Leise seufzt sie. "Einen Versuch ist es wert. Es wäre zumindest definitiv eine bessere Fährte als weiter in diesen Ruinen zu buddeln", gibt sie schließlich nach.

Es dauert nicht lange bis wir die versteckte, halb verfallene Treppe finden, die in den Keller führt - genauer gesagt in besagte Höhlen, die ursprünglich ein unterirdischer Hafen gewesen sind.

Während wir hinabsteigen dreht sich Lia andauernd unsicher um und wirft einen Blick über die Schulter. Auf meine Frage hin, warum genau sie denn so nervös ist, antwortete sie, dass sie das Gefühl nicht loswird, beobachtet zu werden. Obwohl sie es kurze Zeit später als ihre bloße Paranoia abtut, entgeht mir nicht, wie angespannt sie deswegen ist.

Als wir endlich unten angekommen sind, ist das erste, das ich wahrnehme, der widerliche Gestank von verrottetem Holz und das leise Plätschern von Gewässern.

Schiffe aller Art reihen sich dort aneinander, große wie kleine, monströse wie winzige, bunt angemalte wie welche aus purem Holz, einige mit Piratenflaggen, andere mit dem Emblem von Luna, einige aus Sol und einige mit Flaggen, die ich noch nie gesehen habe.

Je tiefer wir in die Höhlen vordringen, desto schlimmer wird der Gestank, denn die Schiffe sehen tatsächlich alle morsch, verschimmelt oder halb zerfallen aus - und alle sind nebeneinander befestigt, damit sie nicht forttreiben. Die Höhlen verlaufen recht gerade, weswegen ein breiter Weg unsere einzige Option ist - bis wir plötzlich auf eine Abzweigung stoßen.

Lia und ich beschließen uns temporär aufzuteilen, um beide Wege in derselben Zeit zu erforschen, und zueinander zurückzukehren, sobald wir das Ende eines der Wege erreicht haben. Außerdem weist sie mich an, eine Hand an der Wand zu meiner rechten zu behalten, egal wie der Weg auch verlaufen möge, damit ich mich nicht verlaufen würde.

Und es dauert gar nicht so lange, bis ich tatsächlich etwas finde...

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt