Neunundfünfzig

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Snow

Schweigend spazieren Lucien und ich durch die leeren Straßen.

Überall liegen Trümmer herum, die verkohlten Überreste der verbrannten Gebäude rauchen noch, der Himmel ist grau und dunkel und der Boden ist von einer Schicht aus Matsch und Blut bedeckt.

Die Leichen wurden eingesammelt und in elnem halbwegs stabil aussehenden Gebäude untergebracht - vorerst. Sobald Zeit dafür vorhanden ist werden sie alle einzeln begraben.

Wir würden ja auch die Uman begraben - schließlich waren sie auch mal Menschen - aber die Sorge ist zu groß, sie könnten wieder auferstehen und erneut für Chaos und Zerstörung sorgen. Bei den mysteriösen Mächten meines Vaters wäre das gar nicht mal so abwegig, finde ich.

Jedenfalls wurden die Überreste der Uman restlos verbrannt, um ihnen zumindest ein klein wenig Würde im Tod zu hinterlassen. Besser als auf einen Haufen geworfen zu werden und Wind, Wetter und Getier ausgesetzt zu werden.

Doch dieser Uman-Trupp wird sicherlich nicht der letzte gewesen sein, gegen den wir kämpfen - und ich kann nicht garantieren, dass wir allen dieselbe Ehre zuteilwerden lassen können. Das würde unsere Kräfte auslaugen und unsere Ressourcen mindern.

Und dann wäre da außerdem noch das Problem mit unseren dezimierten Zahlen. Es steht schlecht um unsere Armee, wenn man sie denn als solche bezeichnen kann. Wir sind einfach zu wenige um es mit Vaters Armee aus Soldaten und Schreckenskreaturen aufnehmen zu können - wir wären tot noch bevor wir überhaupt in seine Nähe kämen.

Luciens Griff um meine Hand verstärkt sich leicht und er haucht einen Kuss an meine Schläfe. "Wenn du nicht gleich mit dem Nachdenken aufhörst, explodiert noch dein Kopf", lacht er leise an meinem Ohr und reißt mich somit zurück in die Realität.

Schmunzelnd strecke ich ihm die Zunge heraus. "Wir führen einen Krieg und befinden uns in einer sehr prekären Situation. Wenn du so scharf darauf bist darfst du gerne den Part mit dem Nachdenken übernehmen", gebe ich zurück.

Das entlockt ihm ein Lachen. "Danke, aber nein danke, ich passe. Das ist einer der Gründe warum ich die Krone immer gehasst habe", grinst er.

"Wirklich? Ich hatte immer eher den Eindruck, du würdest es genießen", gestehe ich ehrlich überrascht.

Spöttisch hebt er eine Augenbraue. "Machst du Witze? Das ist doch der Sinn der Sache - man muss so tun als würde einem das Regieren leicht von der Hand gehen, damit das Volk Vertrauen in die Krone setzen kann." Er schneidet eine Grimasse. "Zu viel nachdenken also."

Jetzt bin ich an der Reihe, leise zu lachen, aber ich weiß nicht was ich dazu sagen soll, oder es gibt in diesem Fall auch einfach nichts das ich sagen könnte - ich bin mir unsicher.

Für eine Weile schlendern wir stumm neben einander her - es ist ein inoffizieller Wettstreit, wer zuerst die Bombe hochgehen lässt und das heikle Thema anspricht, das zwischen uns in der Luft hängt.

Lucien bricht das Schweigen als erster. "Im wievielten Monat bist du?", fragt er mit belegter Stimme.

"Im dritten", antworte ich und atme tief durch. Jetzt gehts los.

Doch statt mich mit Fragen zu bestürmen, bleibt Lucien ganz ruhig. Offenbar bin ich nicht die einzige, die durch die Schlacht einen klaren Kopf bekommen hat. "Wie ist das möglich? Ich meine, wir haben doch erst seit kaum mehr als einem Monat--"

" 'Wenn du eines mittlerweile gelernt haben solltest, dann dass nichts an dir normal oder gewöhnlich ist' ", falle ich ihm ins Wort. "Cheris Worte, nicht meine. Sie hat es als erste bemerkt und ich habe beiläufig erwähnt wie übel mir in letzter Zeit andauernd ist und wie... pulsierend meine Macht sich in letzter Zeit anfühlt. Sie ist einige Tests mit mir durchgegangen, und frag mich nicht wie aber - ich bin im dritten Monat."

Ich schlucke schwer und überlege wie ich das Fokgende in Worte packen soll, und Lucien schweigt, gibt mir den Raum und die Zeit um mich zu fassen.

Schließlich beschließe ich auf die ganzen Überlegungen zu scheißen, und bleibe stehen. Fest blicke ich ihm in die Augen, während ich hektisch die Tränen wegblinzle.

"Sie weiß nicht wie sie mir helfen kann, Lucien. Niemand weiß es. Die Schwangerschaft bei Elementgeborenen ist laut Cheri beschleunigt, und da meine... Entwicklungsstufe über der eines Elementgeborenen liegt, schreitet sie wohl noch schneller voran.
Ich darf meine Magie nicht benutzen, sonst könnte ich das Kind unabsichtlich verletzen wenn sich mein Eis nochmals gegen mich wenden sollte, und es ist unsicher ob ich die Schwangerschaft überleben könnte und wie viel Zeit mir noch bleibt", erkläre ich mit zitternder Stimme und bei jedem Wort scheinen Luciens Augen größer zu werden.

Ich ergreife mit beiden Händen seine, brauche diesen Kontakt. "Aber... ich würde es gerne behalten, Lucien", flüstere ich und jetzt fließen mir die Tränen doch über die Wangen. Mein Herz zittert und zetert vor Furcht, er könnte mich verstoßen. Ablehnen.

Stumm drückt er meine Hände, lehnt sich vor und küsst mich sanft. Als er sich wieder von mir löst erbebt mein Körper vor Angst, er könnte einfach gehen. Aber er entfernt sich nicht, er lehnt sich nur so weit zurück dass er mir in die Augen sehen kann.

"Liebend gerne", murmelt er lächelnd und ich habe das Gefühl eine Lawine in mir würde einstürzen. Vor lauter Erleichterung ziehe ich ihn noch einmal zu meinem Gesicht hinab und küsse ihn - leidenschaftlicher als vorhin.

"Wir werden Eltern", flüstert er mit einem kurzen Blick in die Leere, mehr zu sich selbst als zu mir, wie eine Art Bestätigung. "Und dabei habe ich nicht die geringste Ahnung wie man sich als Vater verhalten soll", schneidet er eine Grimasse und ich muss lachen. Schnell blickt er mir wieder in die Augen, in seinem Blick funkeln Sorge und noch etwas. "Wer weiß noch davon?"

"Sehe ich da etwa den ersten Anflug von väterlicher Fürsorge?"; schmunzle ich und werde dann wieder schnell ernst. "Nur Cheri, du und ich. Wieso?"

Er seufzt. "Der Zeitpunkt ist alles andere als gut gewählt - Versteh mich nicht falsch, das ist kein Vorwurf, du hast das ja nicht ausgesucht oderso, aber... Wir haben so viele Feinde. Wir - Du - bist auch so schon eine Zielscheibe in diesem Konflikt. Würde dein... Zustand an die Öffentlichkeit gelangen, würdest du - würdet ihr - in noch größerer Gefahr schweben, vorallem mit diesem Magie-Verbot."

Seufzend legt Lucien eine Hand an meine Wange und ich schmiege mich in die warme Berührung. "Wäre es... sehr egoistisch darum zu bitten, dass wir das für uns behalten? Zumindest vorerst, bis das alles... geklärt ist?"

"Nein, wäre es nicht", lächle ich. "Es ist unser Kind - ob wir es im Geheimen aufziehen oder es in die Welt hinausposaunen werden, es ist in jedem Fall unsere Entscheidung."

Grinsend beugt sich Lucien noch einmal vor und küsst mich. "Komm. Der Kriegskram kann warten - wir brauchen beide dringend ein Bad und ein wenig Entspannung", zwinkert er mir mit einem verschmitzten Lächeln zu und meine Wangen werden heiß.

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt