Zweiundachtzig

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Snow

Etwas stimmt nicht.

Allein schon deswegen, weil der Doktor freudig vor sich hin summt, während er an irgendetwas herumwerkelt. Gut möglich, dass es gar nichts mit mir persönlich zu tun hat - er kommt öfters her und arbeitet an seinen Experimenten, vermutlich einfach nur um mich schamlos anzuglotzen, wie er es oft tut.

Noch immer stelle ich mich schlafend, egal wie schwer es mir mittlerweile fällt. Alles tut weh, ausnahmslos alles. Ich ertappe mich selbst immer wieder, wie ich mittlerweile aus schmalen Schlitzen meine Umgebung und den Arzt ausspähe, um mich nicht mehr mit dem einfachen Zuhören begnügen zu müssen. So leicht es auch klingen mag, die Augen geschlossen zu halten und sich auf sein Gehör zu verlassen, trotz vollkommen intakter Sinne - es ist weit schwerer als es wirken mag. Es kann einen an den Rand des Wahnsinns treiben.

Im ganzen Schloss herrscht eisiges Schweigen - noch etwas Ungewöhnliches. Normalerweise hört man regelmäßig zumindest das Flügelschlagen der Uman, doch nun ist nicht das leiseste Geräusch von innen zu hören. Dafür existiert ein Tosen von draußen, das sich nicht näher benennen lässt - das mich aber definitiv neugierig macht.

Schritte nähern sich mir, und hastig kontrolliere ich mich selbst, dass mein gesamter Körper entspannt und locker da liegt. Absolut wehrlos.

Ich höre das Geräusch von raschelnder Kleidung und spüre, wie sich jemand neben mir hinsetzt, und sofort melden sich meine Alarmglocken. Kurz hege ich noch die verzweifelte Hoffnung, es könne sich endlich um meinen Prinzen oder Mutter handeln, aber das ist absurd. Ich habe niemanden außer dem Doktor hereinkommen gehört.

"So schön", haucht eine mir mittlerweile leider nur allzu bekannte Stimme, und mein Magen wird bleischwer. Es ist der Doktor.

Ich wusste, Mutters Warnung würde ihn nicht ewig einschüchtern können, aber das ändert nichts daran, dass ich nicht darauf vorbereitet bin, dass dieser Tag heute sein könnte.

Ich spüre seine ekelhaft warmen Wurstfinger an meinem Gesicht, wie sie mir von der Stirn aus über die Wange bis zum Kinn streichen, und zwinge mich trotzdem ruhig zu bleiben. Vielleicht verliert er gleich wieder das Interesse, erinnert sich an Mutters Worte - oder findet etwas Besseres zu tun, als mich zu betatschen.

Er lacht heiser. "Sie alle riskieren ihr Leben für dich da draußen, ohne zu wissen, dass ihre Königin Snow Silverwolf nicht mehr existiert. Wenn sie dich so sehen könnten... Oh, was würde ich dafür geben, ihr Gesicht sehen zu können wenn sie realisieren, was von ihrer ach so mächtigen Heilsbringerin übrig geblieben ist!" Seine Finger streichen mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht, huschen über meine geschlossenen Augenlider, über meinen Nasenrücken, über meine Lippen.

Ich unterdrücke einen angewiderten Schauer. Nur ruhig bleiben. Mutter hat mir befohlen, mich schlafend zu stellen, bis mein Prinz kommt - und klingt es nicht genau so, als sei er auf dem Weg zu mir?

Ich kann nur hoffen, dass er sich beeilt.

"Oh, aber keine Sorge, du bist noch immer schön", meint er und sein stinkender, fauliger Atem lässt die Galle in meinem Hals aufsteigen. "Viel zu schön für diesen Bastard von Feuerprinz", knurrt er und ich meine fast zu spüren, wie sein Blick zu meinem Bauch huscht - zu meinem ungeborenen Kind.

Wenn er es wagen sollte, ihm irgendetwas anzutun...! Mir wäre es egal, was Mutter gesagt hätte, mir wäre egal, was alle Welt gewollt hätte - ich würde den Doktor umbringen, ihm den Hals umdrehen, ihn enthaupten und erwürgen und zerfetzen, auch ohne Magie. Ich würde dieses kleine, strahlende Lichtlein in meinem Inneren um nichts in der Welt wieder hergeben, ich würde nicht zulassen, dass man es aus meinem Leben radiert.

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt