Lucien x Snow
Es ist tiefste Nacht und die Sterne scheinen hell am Himmel. Cynthia schlendert draußen alleine durch die dunklen Gärten und genießt die Zeit alleine, die sie für sich gefunden hat.
Eine Stimme aus dem nichts lässt sie zusammenzucken. Der Prinz tritt aus dem Schatten und lächelt sie traurig an. Er entschuldigt sich für seine Hilflosigkeit während des vergangenen Gefechts und bittet sie um Erlaubnis, sie auf ihrem Nachtspaziergang zu begleiten.
Während sie nun gemeinsam durch die Gärten schlendern, spricht der Prinz ein ernstes, unerwartetes Thema an. "Du als Eisgeborene konntest dich nützlich machen und helfen. Das finde ich unglaublich von dir", schmunzelt er, aber seine Augen funkeln traurig. "Ich als Mischling habe leider lediglich die weißen Haare meiner Eltern geerbt", gesteht er leise.
Cynthia starrt ihn überrascht an. "Aber lediglich der lunische König besitzt doch Eismächte? Die Königin ist doch eine normale Frau." Man merkt regelrecht wie die Erkenntnis Cynthia trifft, kaum, dass sie die Worte ausgesprochen hat. "Ihr - Ihr seid ein uneheliches Kind eures Vaters?"
Der Prinz nickt bedrückt. "Aber bitte behaltet dies für Euch. Niemand darf es erfahren - und niemand außer meinen offiziellen Eltern und mir weiß davon."
"Wie genau konnte es denn dazu kommen?", hakt Cynthia nach. Luna mit seinen strengen Traditionen und Gesetzen ist ein Land, in dem Bastarde bereits im Kindesalter hingerichtet werden - gemeinsam mit den Ehebrechern.
"Ich bin mir nicht ganz sicher. Mein Vater lernte einfach irgendwann eine hübsche Frau kennen, die beiden hatten kurzzeitig etwas miteinander, ehe sie ihn sitzen ließ - kaum dass sie erfahren hatte, dass er Teil der Königsfamilie war, und kaum dass ich geboren worden war - und seitdem lebe ich mit dieser konstanten Lüge. Da ich äußerlich weitestgehend nach meinem Vater komme, ist bisher niemandem der Unterschied aufgefallen", erklärt er mit gedämpfter Stimme.
Das Bild löst sich auf, zersplittert, setzt sich neu zusammen.
Cynthia steht in einem Gang des lunischen Schlosses und lauscht an einer Tür.
"Und es gibt nicht den geringsten Zweifel an ihrer Herkunft?", fragt jemand - der damalige König Lunas - nach.
"Natürlich nicht. Sie ist Ihrem Sohn vollkommen verfallen - und damit untersteht ihre Macht widerstandslos Euch", antwortet Cynthias Onkel aalglatt.
Wieder zersplittert die Szenerie, doch diesmal folgt nicht ein fließendes Bild, sondern eine eingefrorene Bilderreihe:
Cynthia wie sie sich mit Lynn, dem Hauptmann der solischen, königlichen Leibgarde heimlich nachts an einem See trifft, wie sie für ihn singt, wie die beiden lachen, flirten, sich necken. Cynthias Augen leuchten auf jedem Bild viel heller und strahlender als sie es jemals in Gesellschaft des lunischen Prinzen getan haben. Wie Lynn Cynthia mit Blumen überrascht, ihr einen Dolch schenkt, ihr zeigt wie sie sich damit zu verteidigen hat und wie sie ihn inmitten ihrer Kleidung verstecken kann, sodass er niemandem auffällt. Wie die beiden ihre Mächte gemeinsam trainieren, wie sie herumalbern, wie sie in dem See schwimmen gehen, wie sie sich küssen und es am Seeufer miteinander treiben. Wie sie gemeinsam davon träumen, zusammen wegzurennen und ein friedvolles Leben auf dem Lande zu führen, als Mann und Frau.
Und wie die schönen Bilder plötzlich abreißen, als die lunischen Soldaten Cynthia auf ihrem Weg zu dem geheimen Treffpunkt abfangen, sie gefangen nehmen, während Lynn gezwungen ist, gemeinsam mit dem solischen Adelshof nach Sol zurückzukehren.
Cynthia wird vor den damaligen, lunischen König geschleift, der sie als Hure und Miststück beschimpft, ehe er sie in ihrem Zimmer gefangen hält. Sie wird mehrfach verhört, rund um die Uhr bewacht, ihre Mahlzeiten werden ihr unregelmäßig gebracht. Man kann Cynthia ansehen, wie sie langsam aber sicher ihren Verstand verliert. Sie wirft mit ihrer Macht um sich, versucht sich damit einen Weg zu bahnen, aber gemeinsam mit ihrem Verstand schwindet auch die Kraft des strahlend weißen, glasartigen Eises.
Sie stirbt innerlich - bis keinerlei Widerstand mehr in ihr verblieben ist, bis sie gelernt hat Lynn zu hassen, der sie durch seine Liebe zum träumen gebracht hat, und wegen dem die Schmerzen der Einsamkeit, der Sehnsucht und der Verzweiflung um ein Vielfaches schlimmer geworden sind. Ihr einst reines Eis verfärbt sich schwarz, ihr einst heiteres, aufsässiges Wesen weicht dem einer stummen Marionette, die einzig und allein von Rachegelüsten getrieben wird, ihr früher gesunder Körper wird schwach und kränklich.
Cynthia heiratet widerstandslos den Prinzen - Snows Vater -, erfüllt ihre Pflicht als zukünftige Königin ohne zu Klagen, das damalige Königspaar segnet das Zeitliche, und dennoch zeigt Cynthia nicht die leisesten Anzeichen, fliehen zu wollen.
Sie wird schwanger, und es steht von Anfang an fest, dass sie es nicht überleben wird - aber sie brauchen eheliche Nachkommen, das besagt das Gesetz.
Snows Vater, blind vor Liebe und Verzweiflung, beginnt sich mit verbotenen Praktiken zu beschäftigen. Er und Cynthia diskutieren unterschiedliche Möglichkeiten, er beginnt abartige Experimente durchzuführen, bis er eines Tages Erfolg hat.
Diese erfolgreiche Prozedur führt er daraufhin auch an Cynthia durch - und das Ergebnis sind zwei Babys, Zwillinge, in die jeweils eine Hälfte von Cynthias Macht und Seele eingebettet sind. Ice und Snow.
Die Bilder zersplittern, die Sicht verändert sich. Statt die Erinnerungen Cynthias zu sehen, werden die Erinnerungen Lynns sichtbar.
Wie er in Sol vor den König zitiert wird, da die Spione in Luna von den Experimenten an Cynthia Wind bekommen haben. Wie der König ihm von seiner festen Überzeugung berichtet, dass die beiden lunischen Babys zu unaufhaltsamen Killermaschinen erzogen werden werden, um sich an Sol und damit auch an Lynn zu rächen, weil Cynthia diesen mehr geliebt hat als Snows Vater.
Wie man, um diese Katastrophe zu verhindern, Lynns Seele in den Enkel des damaligen solischen Königs eingepflanzt hat, dessen Ergebnis ein mächtiger Feuergeborener geworden ist. Lucien.
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Freezing Fire
Fantasy↬Wenn Wahrheit und Lüge sich leidenschaftlich umschlingen...↫ ...Ich sehe ihn. Klar und deutlich sehe ich ihn, sehe sie beide, sehe ihr Feuer, ihre Glut. Ich kenne mein Ziel. Ich weiß, wohin ich muss. Jedes Quäntchen ihres Lichts schreit mir ihre Ge...