Fünfundsechzig

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Linus

Eine Hand rüttelt an meiner Schulter und holt mich zurück in die Wirklichkeit. Kaum habe ich die Augen aufgeschlagen, sehe ich zwei dunkle Ozeane, die mich wachsam und ernst anstarren - Lia.

"Hoch mit dir", raunt sie kaum hörbar, "wir müssen los, wenn unser Plan funktionieren soll."

"Welcher Plan?", lalle ich und zucke beim Klang meiner eigenen Stimme zusammen. Aus irgendeinem Grund kommen die Worte nicht so aus meinem Mund wie beabsichtigt - meine Stimme klingt rau und wechselt andauernd zwischen hoch und tief.

Lia zischt etwas über ihre Schulter zu jemanden, den ich nicht erkennen kann, und als sie sich wieder zu mir umdreht sehe ich die Panik in ihrem Blick. "Okay, was auch immer die mit dir angestellt haben - wir müssen schleunigst von hier weg", runzelt sie die Stirn und legt sich meinen Arm über ihre Schultern. "Na komm."

Sie wartet keine Reaktion oder Antwort ab, sondern steht einfach auf und zerrt mich mit sich hoch. Meine Beine zittern und kribbeln wie verrückt, und sie fühlen sich so schwach an, dass ich mich mehr auf Lia stützen muss, als selbst gehen zu können, aber immerhin.

Zu keinem Zeitpunkt habe ich mich gewundert warum Lia so erholt aussieht oder wo unsere Fesseln abgeblieben sind, denn kaum dass sich der Rahmen des Gedankens aufgebaut hat, wurde er auch schon wieder von diesem eigenartigen Nebel in meinem Kopf verdrängt.

Wir schlüpfen aus der Zelle, die sperrangelweit offen steht, und ehe ichs mich versehe stehen wir an einer Kreuzung. Zwei andere Personen hocken bereits dort und spähen in den Gang, und sobald wir sie erreicht haben pressen Lia und ich uns flach an die Wand.

"Warum hat das so lange gedauert?", zischt die eine Person, die ich als Rothaar identifizieren kann.

Lia antwortet nicht, sondern blickt betont kritisch in meine Richtung, und Rothaar reißt schockiert die Augen auf.

"Sehe ich so schlimm aus?", murmele ich lallend und schließe kurz die Augen.

Zumindest fühlt es sich für mich wie ein kurzer Moment an, aber...

Als ich sie wieder öffne hocke ich zusammengesunken auf einem Stuhl, und neben mir steht Lia, eine Hand auf meine Schulter gelegt - um mich zu stützen damit ich nicht vom Stuhl falle, fällt mir schnell auf, denn meine Arme und Beine sind taub und halten mich nicht mehr.

"Wir können sie nicht zurücklassen", zischt Rothaar gerade. "Snow braucht vernünftigen Truppennachschub. Aus meiner Gruppe sind gerade mal eine Handvoll übrig - und ob die noch bereit sind zu kämpfen ist auch zweifelhaft. Wenn wir die anderen aus diesem Institut retten würden, würde das nicht nur unsere Kampfkraft steigern, sondern zeitgleich die unserer Feinde mindern...", argumentiert sie mit verschränkten Armen.

"Ich werde nicht unsere Sicherheit dafür aufs Spiel setzen, um möglicherweise einen Haufen Kinder hier raus zu bugsieren", entgegnet Lia scharf. "Es wird nicht mehr lange dauern, bis man herausfindet, dass wir nicht mehr in unseren Zellen sind, und dann haben wir gar keine Chance mehr zu entkommen!"

Wieder dämmere ich weg, und im nächsten Moment, den ich wahrnehme, trägt Lia mich leise ächzend auf ihrem Rücken. Wir schleichen wieder durch die Gänge, und mittlerweile ist mein ganzer Körper taub. Ich kann mich nicht mehr bewegen, und selbst die Fragmente, die ich am Rande meines Bewusstseins aufschnappe, sind verschwomme und unklar.

Ich bin sogar zu müde zum Denken.

Doch die nächste Szene dringt scharf und klar in mein Bewusstsein ein: Lias markerschütternder Schrei, ein harter Schlag an meinem Kopf, und eine amüsierte, grausame Stimme: "Wo willst du denn mit meinem liebsten Spielzeug hin, kleine Ratte?"

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt