Fünfundachtzig

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Lucien

"Rückzug zu den Hallen!", brülle ich und köpfe das nächste Monster in meiner Nähe. Seine leuchtend grünen Augen zucken und erlöschen, als sein Kopf auf dem Boden aufprallt und sein Körper mit den unnatürlich langen Gliedmaßen und den giftgetränkten Klauen in sich zusammenbricht.

Leuchtend grünes Blut spritzt heraus und bedeckt meinen Körper. Sofort spüre ich, wie mein Körper schwerer wird und die Magie zurückgedrängt wird. Das grüne Leuchten erhellt den stockdunklen Gang und taucht alles in ein surreales Licht.

Eigentlich wollte ich mein Feuer so gut es geht für den finalen Kampf aufbewahren, doch...

Was nützt uns das, wenn wir davor sterben?

"Zurück! Rückzug!", brülle ich den anderen noch einmal zu.

Ann schlitzt die Kreaturen hinter sich mit ihrem Eis auf und arbeitet sich stetig an meine Seite zurück. Sie sehe ich in dem Gewirr an schwarzen, haarigen Bestien nur, weil ihre Eisstalagmiten und -stalaktiten so weit nach oben schießen, wenn sie die Wesen aufspießen, zermalmen oder erfrieren.

Cheris Tochter Scarlet befindet sich bereits hinter mir, Rücken an Rücken stehen wir und decken uns gegenseitig.

Sukzessive ziehen wir uns langsam zurück.

Der Schrank von Mann steht hinter uns allen direkt vor der Tür, durch die wir in den Gang dahinter müssen, und versucht uns den Weg freizumachen, ohne sich selbst allzu weit nach vorne zu drängen. Es nützt uns immerhin nichts, wenn er wie wir anderen eingekesselt wird.

Ich fange an, die Gegner einzuäschern, die ich nicht mehr rechtzeitig mit meinem Schwert erwischen würde. Es ist alles andere als einfach - das Blut der Wesen ist in das selbe Gift getränkt wie ihre Klauen, es hemmt die Magie und macht sie glitschig, drängt sie zurück und schwächt sie.

Sonst hätte ich längst den gesamten Gang geleert.

Wir haben einen Fehler gemacht, als wir die Verteidigung des Feinds unterschätzt haben - und nun müssen wir ihn ausbügeln. Diesen Kampf hier können wir nicht gewinnen, es sind einfach zu viele. Wir müssen raus und zurück, wenn wir überleben wollen. Ich kann nur hoffen, dass das kleine Mädchen Snow endlich gerettet hat und sie zum vereinbarten Ort bringt. Allzu viel länger können wir diesen Gang nicht mehr halten, um für Ablenkung zu sorgen.

Plötzlich schreit Ann auf. Sie ist nicht mehr weit von mir entfernt, ich kann ihre zierliche Gestalt sehen, doch ihr Blick ist nicht auf mich oder auf sich gerichtet - nein, sie blickt weiter vorne in den Gang.

Über das Kreischen und Klirren und Schreien der Kreaturen kann ich zuerst nicht hören, was sie sagt, doch dann sehe ich, wie sie sich wieder von uns entfernt. Erst da kristallisieren sich ihre Worte in meinem Kopf: Freedom.

Innerlich fluche ich. Ich habe die kleine Lady schon lange nicht mehr gesehen und durch den harten Kampf völlig vergessen.

Ich äschere das nächste Wesen ein, um mir ein paar Sekunden zu erkaufen. Nirgends sehe ich Freedom, und auch Ann wird langsam immer schwerer erkennbar, denn ihr Eis wird immer schwächer.

Sie erlahmt. In diesem Zustand eine Rettungsmission zu starten...

Ich habe das Gefühl, mein Herz setzt aus.

"Ann! Nein! Komm zurück!", schreie ich ihr zu, doch entweder sie hört mich nicht, oder sie ignoriert mich. Auch nur eine von beiden zu verlieren wäre ein harter Schlag. Aber wenn beide sterben würden...

Nicht nur Fire und Snow würden mir dafür den Hals umdrehen - ich selbst auch.

"Was ist los?", fragt Scarlet hinter mir. Ihrer Stimme ist anzuhören, wie beunruhigt sie ist. Ich vergesse andauernd, dass sie blind ist.

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt