Siebenunddreißig

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Lia

Mein Atem geht flach, aber ich schirme ihn zur Sicherheit trotzdem noch mit der Hand ab. Sie dürfen mich auf keinen Fall entdecken, sonst wird diese Mission fehlschlagen. Ich unterdrücke ein Schaudern, während ich den Gesprächen ihrer schaurigen Stimmen zuhöre und meine Augen weiterhin zukneife.

"Und dann", zischt eines der Wesen, "Hat sie geschrien wie am Spieß als ich ihr meine Kiefer um das Gesicht ihres Ehemannes geschlossen habe und es zerfetzt habe!" Die anderen Wesen lachen, ein zischendes, widerwärtiges Geräusch, das aus Schatten und altem Geflüster zu bestehen scheint.

Um mich herum ist es pechschwarz, ich kann nichts sehen - das habe ich aber auch nicht anders erwartet. Immerhin befinde ich mich inmitten des Za'dou.

Ich atme tief durch - so tief es eben geht, ohne einen Mucks zu machen - und sammle meine Kräfte. Trotz der Hölle auf Erden, die meine Ausbildung gewesen ist, habe ich sehr viele nützliche Dinge gelernt. Dinge, die mir jetzt behilflich sein werden.

Ich habe mir den genauen Weg hinaus gemerkt, jeden einzelnen Schritt gezählt, dabei jede einzelne Unebenheit im Boden untersucht, mir den Aufenthaltsort jedes noch so kleinen Steinchens eingeprägt und mir einen genauen Überblick über die Formation der Wesen beschafft - alles für diese. Eine. Mission. Ich darf jetzt auf gar keinen Fall scheitern. Tausende verlassen sich auf mich - und wenn ich einen Fehler machen sollte, werden sie alle sterben.

Panik wallt in mir auf, die altbekannte Angst von jenem Tag, ich meine noch immer ihr Blut an meinen Händen und Armen zu spüren, mein damaliger Schrei gellt mir noch immer in den Ohren - aber ich schlucke alles hinunter, zwänge diese Furcht in die Abgründe meiner Seele. Eine kühle Ruhe erfasst mich, als ich mich der vielen Waffen vergewissere, die ich an meinen Körper geschnallt habe - versteckt wie sichtbar.

Mein Hals schmerzt, als ich in ihrer Sprache spreche, es brennt und kratzt und ich habe das Gefühl an den Worten zu ersticken, als ich die Wesen in ihrem eigenen Akzent verhöhne und verspotte und sie somit auf mich aufmerksam mache.

Flügelscharren, schrilles Kreischen - und schon spüre ich den Wind, den sie verursachen, als sie sich auf mich stürzen wollen.

Ich drücke mich von der Stelle ab, an der ich gekauert habe, und renne so schnell ich kann. Der Wind pfeift mir in den Ohren, aber ich höre trotzdem überdeutlich ihr Kreischen und ihre Kampfansage - die Schreie der Uman.

Ich hetze im Zickzack los, fliege nahezu, meine Füße berühren den Boden kaum, während ich den Uman ausweiche und aus dem Za'dou hinausstürme, zurück an die Mittagssonne. Meine Kehle brennt vor Eiseskälte, denn ich atme die eiskalte Luft gehetzt ein, ohne mich darum zu scheren, mich noch länger unauffällig zu verhalten.

Linus Gesicht schleicht sich in meine Gedanken, sein ungläubiger Blick, als ich ihm erzählt habe, dass ich die Sprache der Uman verstehen und sprechen kann. Sein breites Grinsen, das Funkeln seiner Augen daraufhin, als er begreift, welche Möglichkeiten sich uns dadurch ergeben...

Trotz der tödlichen Gefahr, die hinter mir herflattert, mich aus dem Za'dou begleitet, mir trotz des Lichts folgt - ich habe mir konkret die Uman ausgesucht, die mit den schwarzen Ketten ausgerüstet sind, die sie immun gegen ihre Schwäche des Lichts machen -, muss ich lächeln, als ich an Linus denke und die Uman auf den vielbesuchten Marktplatz der solischen Hauptstadt locke.

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt