Zweiundvierzig

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Linus

Mit flach gehaltenem Atem hocke ich, gemeinsam mit dem rothaarigen Mädchen, das die Anführerin der Kinderschar zu sein scheint, hinter einem riesigen Stapel Kisten - Frachtgut, das die wenigen, verbliebenen und teils neu erbauten Schiffe hierher transportiert haben.

Nachdem Lucien und Snow bei ihrer Flucht aus Sol sämtliche Schiffe zerstört haben, sind diese ein wertvolles Gut geworden. Man hat vom Adel und von fernen Kontinenten einige Schiffe zur Verfügung gestellt bekommen - und die wenigen Schiffe, die zu dem Zeitpunkt der Zerstörung ohnehin nicht in Sol waren, haben es auch zurück geschafft.

Angesichts dessen ist der einst so florierende Sklavenhandel eingedämmt worden - es gibt nicht länger genug Schiffe, um die Verkauften und die Vorräte zu transportieren. Trotzdem wird er weitergeführt und die Sklavenhändler erhalten durch die Mangelware mehr Reichtum denn je.

Sie sind nicht die einzigen ihrer Truppe, hat mir das rothaarige Mädchen erklärt. Ihre Gruppe ist in zwei Hälften aufgeteilt worden: Während die einen direkt zum Hauptmarktplatz gebracht wurden, um als Sklaven verkauft zu werden, wurde die andere Hälfte zu den Piraten verschleppt, da diese die Gruppe offenbar aufgegabelt haben und ihren Anteil verlangt haben - um sie dann selbst zu verschachern. Der einzige Unterschied, der durch diesen Umweg gemacht wird, ist, dass die Piraten ihren Sold direkt erhalten, ohne dass auf wundersame Weise ein Bruchteil verschwinden kann.

Ihr Plan ist es gewesen, zu warten, bis sie auf ein Schiff des Sklavenhandels gebracht wurden, um die dortige Besatzung zu überwältigen und nach Luna aufzubrechen - gemeinsam mit den auf diese Weise erbeuteten Sklaven. Sie haben ihnen die Wahl lassen wollen, ob sie sich der Gruppe anschließen wollten, oder ob sie lieber von Luna aus versuchen wollten, ihrer eigenen Wege zu gehen. Die andere Hälfte, die die bereits verschachert hätte werden sollen, hätte sich zum Zeitpunkt der Auktion losgerissen, um ebenfalls auf ein Schiff zu entfliehen - und auch hier so viele Sklaven wie möglich zum Mitgehen zu überreden.

Das Rothaar hat mir nicht allzu viel über ihre Pläne erklärt, warum sie nach Luna will, aber es ist offensichtlich, dass sie sich Snows Armee anschließen will. Das Kapern der Sklavenschiffe und das Sammeln der Freiwilligen wäre mehr gewesen als ein bloßes Hilfsangebot - es wäre zeitgleich eine Botschaft gewesen.

Immerhin hat auch Snow auf einem dieser Schiffe festgesessen und dem System des Landes getrotzt, indem sie sich mit einer weiteren Sklavin angefreundet, sich am Tag der Auktion von selbst losgerissen und sich aus dem Stand einer Sklavin plötzlich wieder in den Stand des Adels - als Luciens Verlobte - hochgearbeitet hat.

Der Gedanke an sie und ihn löst ein Ziehen in meiner Brust aus, aber längst nicht mehr den stechend scharfen Schmerz von einst. Vielleicht kann ich diese ganze Sache endlich hinter mir lassen. Ich hoffe es.

Ich werfe einen Seitenblick auf das rothaarige, blinde Mädchen neben mir. Trotz ihres fehlenden Augenlichts kommt sie erstaunlich gut alleine klar - und hat ihre Truppe erstaunlich gut im Griff.

Nachdem ihr eigentlicher Plan hinfällig geworden ist, da wir die Piraten getötet haben und sie somit nicht auf ein Sklavenschiff gelangen konnten, haben wir gemeinsam einen neuen ausgearbeitet.

Lia kann mit den Uman sprechen. Diese Enthüllung schockiert mich immer noch ein wenig - aber die Neugierde ist viel stärker als die Angst vor dieser Gabe.

Das Rothaar versteift sich und reißt mich damit aus den Gedanken. Tagträumen kann ich später noch - jetzt muss ich mich konzentrieren. Die Auktion auf dem Marktplatz ist im Beginn begriffen, der Sklavenhändler hält gerade eine schmierige Eröffnungsrede.

Zumindest, bis die Schreie lautwerden. Verwunderung, Überraschung und Furcht - diese Emotionen schwappen durch die gesamte versammelte Menschenmasse, als sich eine undurchdringliche Dunkelheit vom Horizont her ausbreitet und alles auf ihrem Weg zu verschlucken scheint. Und direkt davor - eine zierliche Gestalt, die um ihr Leben rennt. Diese Wesen direkt hierher führt. Hinter ihr kann man ein ein halbes Dutzend dieser Schreckenswesen erkennen, ausgerüstet mit den schwarzen Ketten, die es ihnen ermöglichen außerhalb des Za'dou ihre Beute zu jagen - welches die restlichen Bestien hinter ihnen verströmen, um ebenfalls hinter Lia her zu hetzen.

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt