Dreiundachtzig

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Snow

Stöhnend kommt der Doktor wieder zu sich, seine Augenlider flattern, seine Hände zucken. Mit benommenem Blick sieht er zuerst auf seinen an das Bettgestell gefesselten Körper, dann klart sein Blick schlagartig auf und man erkennt die Panik darin. Seine Augen fliegen hoch und begegnen erschrocken meiner kühlen Belustigung, meiner schnurrenden Mordlust und meiner köstlichen Befriedigung diesen Mann leiden zu sehen, der für so viel Unheil verantwortlich ist.

"Doktor, ihr seid ja endlich wieder bei Bewusstsein", schnurre ich mit kehliger Stimme und blicke auf ihn hinab. "Man hat mir während Eurer Abwesenheit viele interessante Dinge über Euch erzählt, und so erhaltet ihr nun Euren längst überfälligen Richtprozess."

Sein Blick huscht hinter mich, wo sich das Mädchen grinsend zurückhält, ganz wie besprochen.

"Sagt, Doktor", ziehe ich seine Aufmerksamkeit zurück zu mir und meine Stimme gewinnt mit jedem Wort an Schärfe. "Stimmt es, dass Ihr und Euer Vater den König Lunas hintergangen und manipuliert habt, um sein Interesse an der Forschung und Züchtung künstlicher Schreckensgestalten der alten Mythen anzufachen?"

Ich sehe den Schock in seinem Blick, die Angst, als er den scharfen Dolch in meiner Hand erblickt, die Furcht, die er wie einen üblen Gestank in die Luft absondert.

"Sprecht!", befehle ich.

Er schweigt.

Ich schnaube. "So sei es. Das Urteil lautet schuldig." Ohne Vorwarnung mache ich einen Satz vorwärts und stoße ihm den Dolch in die Seite. Nicht tief, er soll schließlich noch nicht sterben - nur so, dass es eine Wunde erzeugt und er den Schmerz zu spüren bekommt, den er gleichermaßen verursacht hat. Sein Aufschrei lässt mich lächeln.

Ebenso schwungvoll ziehe ich den Dolch heraus, trete zurück und blicke wieder auf ihn hinab. In einem anderem Leben, in einer anderen Zeit, hätte ich wohl Mitleid mit ihm gehabt. Doch nun, da ich von all den schmutzigen Details weiß...

"Sagt, Doktor", fahre ich unbeeindruckt fort. "Stimmt es, dass Ihr den Vorschlag unterbreitet, den Plan gefeilt und umgesetzt habt, all die fremdländischen Boten zu foltern, zu quälen und gegen ihren Willen in Uman zu verwandeln, nachdem ihr Geist gebrochen war? Ebenso wie die Bürger Sols und Lunas, die sich Euch und dem König widersetzten?"

Er wimmert nur leise.

"Schuldig", spreche ich und versetze ihm eine weitere Wunde, diesmal in das Bein. Wieder ein Schrei als Metall auf Blut trifft, wieder ein kühles Lächeln meinerseits.

"Sagt, Doktor", beginne ich ein drittes Mal, diesmal deutlich knurrender. "Stimmt es, dass ihr sämtliche Frauen, bevor sie zu Uman und sonstigen Schreckenskreaturen transformiert wurden - besonders die jungen und wehrlosen - vergewaltigt, betatscht und eigenhändig gequält habt?"

Er beißt die Zähne zusammen, in seinen Augen leichtet die Gier allein schon aufgrund der Erinnerung. Das ist mir Beweis genug.

"Schuldig", zische ich und stoße vorwärts. Diesmal in seine beiden Hände und das rote Blut sammelt sich mittlerweile in einer Lache um ihn herum. Einer Lache, so wie ich gezwungen war, wochenlang in meinem eigenen Urin zu liegen.

"Sagt, Doktor", setze ich ein letztes Mal an, meine Stimme grollt vor Hass, Abscheu und Rachlust. "Stimmt es, dass Ihr meiner älteren Schwester Iane Lügen einflüstertet, um sie für Eure Sache zu gewinnen? Stimmt es, dass Ihr an ihr Experimente durchgeführt habt - ohne ihr Bewusstsein oder gar ihre Einwilligung - und auf die Weise die Liebe zu ihrer geliebten Schwester Ann zu brechen?

Stimmt es, dass Ihr insgeheim alles in die Wege leitetet, damit Ice", meine Stimme zittert kurz leicht als ich seinen Namen ausspreche, "seinen Tod auf dem Scheiterhaufen fand?" Ich speie das Wort regelrecht aus, es hinterlässt einen fahlen Nachgeschmack.

"Stimmt es, dass Ihr bei Fire das Gift Eurer leeren Versprechungen und verräterischen Worte verspritztet, um mich und die Meinen zu entzweien?"

Hass und Wahnsinn lodern in seinen Augen, in seinem bereits vor Schmerz und Blutverlust trübem Blick. Dennoch bringt er noch genug Kraft auf, um mur vor die Füße zu spucken.

Ich stoße ihm ein letztes Mal den Dolch in den Bauch und drehe ihn langsam in der Wunde, nachdem sich seine ersten Schreie gelegt haben. "Schuldig", hauche ich ihm zuckersüß ins Ohr und atme geräuschvoll den Geruch seines Bluts ein.

Die Waffe, glitschig vor Blut und was sonst, lasse ich stecken als ich mich aufrichte und abwende. "Du bist frei zu tun was auch immer du ausprobieren wolltest", wende ich mich an das Mädchen und winke halbherzig über die Schulter zu dem stöhnenden und keuchenden Doktor, der bereits an der Schwelle des Todes steht.

"Vergiss nur nicht unseren Zeitplan", füge ich nachdrücklich hinzu und schlendere betont gelassen in den Geheimgang.

Das Mädchen knickst noch einmal grinsend, die katzenhafte Mordlust in ihrem kindlichen Gesicht ist verstörend. "Mit Vergnügen, meine Königin", schnurrt sie mit gesenktem Kopf und schlendert zu dem Doktor.

Königin. Das Wort löst Widerwillen in mir aus. Ich will niemandes Königin sein. Trotzdem schüttele ich es einfach ab, anstatt sie zu korrigieren. Dafür ist später noch Zeit.

Kaum habe ich den unbekannten Geheimgang betreten und mein altes Schlafzimmer samt all seiner Erinnerungen hinter mir gelassen, stütze ich mich gegen die Wand und kotze mir die Seele aus dem Leib.

Ich hasse es, zu töten.
Ich hasse es, zu morden.
Ich hasse es, zu foltern.
Ich hasse es, diese Maske dabei zu tragen.
Ich hasse es, so zu tun als ob.
Aber für den Rest des Krieges muss ich noch durchhalten. Danach... Danach kann ich das alles hinter mir lassen.

Seufzend lehne ich meine Stirn gegen die kühle Wand. Wie in weiter Ferne höre ich den Doktor schreien und schreien, bis seine Stimme bricht.

Geheimgänge. So viel Ice und ich damals auch erkundet haben mögen - Geheimgänge sind uns dabei nie aufgefallen. Verflucht. Sie hätten so viel erleichtern können.

Meine schwarzen Haare fallen mir ins Auge. Was meine Verbündeten wohl davon halten werden? Ob sie mich überhaupt erkennen werden? Was, wenn sich abgesehen von meiner Haarfarbe noch so viel mehr an mir verändert hat, sodass mich mein Feuerprinz gar nicht mehr will? Was, wenn er mich in dieser Form abstoßend findet?

Wenn die anderen mich ohne meine Magie nicht mehr als ihre Königin anerkennen, dann soll es eben so sein. Das ist mir ziemlich egal - es würde mich sogar erleichtern.

Aber wenn sich mein Geliebter von mir abwenden würde...? Komme was wolle, wir werden uns auf ewig lieben und anders könnte es auch gar nicht sein. Das haben wir uns geschworen. Doch hiermit haben wir ja wohl beide nicht rechnen können! Ich könnte es nicht ertragen, sollte er sich von mir trennen.

Ich schnaube leise. Wie unsinnig von mir, mir über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen, während wir uns inmitten des finalen Gefechts befinden, des letzten Kampfes, der Entscheidungsschlacht. Wir haben gerade ganz andere Sorgen - wie zum Beispiel, ob wir es überhaupt schaffen werden, ein Danach zu erleben, oder ob wir davor nicht alle sterben werden.

Trotzdem komme ich nicht umhin zu bemerken, dass es im Falle einer Trennung kein "wir" mehr für mich geben würde...

Was auch immer das Mädchen da drin mit dem Doktor treibt - ich höre seine Schmerzenslaute für eine ganze Weile nicht enden.

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt