Sechsundsechzig

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Linus

Mit hämmerndem Kopf wache ich auf. Ich sehe den Saal, in dem ich mich befinde zum ersten Mal - es handelt sich um eine Art überdachte Arena.

Es erinnert mich stark an meine erste Begegnung mit Iane - nur bin ich diesmal nicht gefesselt und hocke auch nicht auf dem Boden, sondern sitze steif und mit tauben Gliedern auf einem Stuhl mit hoher Rückenlehne neben dem eigentlichen Thron.

Iane sitzt neben mir, eine Hand besitzergreifend auf mein Knie gelegt, und wenn Blicke töten könnten, dann wäre ihr wohl die Hand noch am Arm abgestorben. Auf ihrem Gesicht ist ein übermütiges Grinsen zu sehen, doch ihr Blick ist nicht auf mich, sondern auf die Szenerie vor ihr gerichtet.

Auf Lia. Sie hockt auf dem sandigen Boden, und ihre dunklen Haare fallen wie eine Art Vorhang vor ihr Gesicht, sodass ich ihre Mimik nicht lesen kann. Um ihren Fuß ist eine Stahlkette gewickelt, die sie an den Pfal in der Mitte der Arena bindet wie ein Tier.

Am liebsten wäre ich aufgesprungen und zu ihr gerannt. Und hätte diese Kette zerteilt. Und Lia geküsst. Und Iane erdrosselt.

Aber leider ist es egal, was ich am liebsten wollen würde, denn mein Körper gehorcht mir noch immer nicht. Ich kann nicht einmal einen einzigen Muskel regen, aber immerhin ist mein Kopf mittlerweile wieder klar.

Um uns herum höre ich Kreischen und Flügelschlagen, doch als ich mich umblicke sehe ich nur eine schwarze Wand um uns herum. Za'dou - die Finsternis der Uman. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie dahinter auf einer Art Tribühne hocken und begierig darauf warten, dass das Spektakel losgeht - wie auch immer dieses aussehen mag.

In jedem Fall kann es nichts Gutes für uns sein, wenn Iane ihre Finger im Spiel hat.

Von Rothaar, Tray oder Rose keine Spur - aber ich habe auch nicht großartig erwartet, dass einer von ihnen hier frei herumstolzieren würde.

"Lasst die Abendunterhaltung beginnen", schmunzelt Lia und muss nicht einmal die Stimme erheben - man hört auch so auf jedes ihrer Worte.

Lautes Knirschen und Knarren erfüllt den Saal, und ich sehe am Rande meines Sichtfelds wie ein großes, eisernes Tor durchsetzt mit eigenartigen Steinen hochgezogenen wird. Nicht einmal den Kopf kann ich drehen.

Irgendwo werden Trommeln angeschlagen, ein anfangs langsamer Rythmus, der dann immer schneller und lauter wird - und dann schießt ein Wesen einer mir unbekannten Art hinter dem Tor hervor und fliegt zu Demonstrationszwecken ein paar Runden in der Arena.

Durch das schwache Licht der Fackeln kann ich nicht viel erkennen, sehr wohl jedoch die albtraumhaft langen Stoßzähne, die klauenbewehrten Hände, die eine Lanze umklammern, die leuchtend roten Augen, die großen Schwingen und den stachelbewehrten Schwanz.

Das Ding sieht aus als wäre es geradewegs aus einem Bilderbuch gesprungen - und das Kreischen und Flattern und die Trommeln klingen wie Freudengeschrei und Anfeuerungsrufe.

Ianes Augen glänzen ein wenig feucht und in ihren Augen leuchtet der Stolz. Allein der Gedanke lässt mich innerlich schaudern.

Lia hat sich noch immer nicht geregt. Ihre Haare sind undurchdringlich und ich kann nicht erkennen, ob sie wach ist oder noch ohnmächtig. Oder... nein, ich weigere mich weiterzudenken. Wir wären alle nicht hier, wenn es so wäre.

Das Bilderbuch-Monstrum - wie ich es im Stillen getauft habe - fliegt noch eine Runde und hält dann vor Iane inne. Erst jetzt werde ich mir bewusst, dass unsere Sitzplätze ein klein wenig erhöht sind und ein kleines Podest zu uns führt.

Das Wesen gleitet elegant in einen tiefen Knicks und hält die Hände so, als würde es einen unsichtbaren Rocksaum hochhalten - ist es also weiblich? Kennt es überhaupt Geschlechter?

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt