Einundsechzig

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Linus

Müde reiße ich den Kopf hoch - irgendwo hat etwas geknallt. Mein Körper reagiert sofort mit einem steifen Gefühl und einem dumpfen, brennenden Schmerz - ich habe jegliches Zeitgefühl hier drin verloren, aber meine Wunde am Rücken ist immer schlimmer geworden, und dazu hat sich mein mentaler Zustand gesellt.

Mein Kopf hämmert wie wild, und von Zeit zu Zeit verschwimmt meine Sicht. Allgemein kommt mir alles wie eine Art surrealer Fiebertraum vor, aber ich weiß, dass das alles echt ist.

Ich weiß es, weil Lia bei mir ist, weil sie mir das mehrfach versichert, weil sie sich an mich lehnt und weil sie regelmäßig provisorisch meine Wunde behandelt. Wir nutzen das was wir haben - viele aus dem Trupp des rothaarigen Mädchens sind ihren Verletzungen erlegen und ohnehin tot. Deswegen schämen wir uns nicht, deren ohnehin bereits zerrissene Kleidung als provisorischen Verband zu nutzen, aber ich sehe die Blicke zwischen Lia und Rothaar, wenn beide denken, ich würde nicht hinsehen - es steht schlimm um mich.

Zwar befinden sich Rothaar und ihr Trupp in einer Zelle uns gegenüber, aber das hindert uns noch lange nicht daran, den Stoff einander einfach zuzuwerfen.

Flügelschlagen nähert sich, unsere Zellentür öffnet sich quietschend - davor flattert ein Uman.

Sie patrouillieren regelmäßig - entweder die Uman, oder eines dieser geschuppten Abwandlung, wie Rose und Tray - und so ist das konstante Flügelschlagen keine Überraschung. Es verschlimmert meine Kopfschmerzen nur.

Sowohl von Rose als auch von Tray haben wir übrigens nichts mehr gehört. Haben wir anfangs noch zu hoffen gewagt, sie könnten kommen um  uns zu retten, glauben wir mittlerweile nicht mehr daran. Vielleicht wurden sie erwischt, vielleicht wollen sie auch einfach nichts weiter mit uns zu tun haben. Wer weiß das schon - in jedem Fall rechnen wir nicht mehr damit, die beiden je wieder zu sehen.

Dass Zellen geöffnet werden ist auch keine Überraschung - immer wieder werden Gefangene verschleppt. Einige kehren wieder, schwerverletzt und wimmernd, einige haben wir wohl zum letzten Mal gesehen.

Auch Rothaar wurde mehrfach verschleppt. Bisher ist sie jedes Mal wiedergekommen - erschöpft, ausgelaugt, nicht ansprechbar. Aber in ihren Augen lodert noch immer derselbe Hass. Egal, was Iane mit ihr anstellt - bisher hat sie den Kampfgeist des Kindes nicht brechen können.

Dass unsere Zelle geöffnet wird ist jedoch neu. Bisher wurden wir immerzu ignoriert.

Warnend stoße ich Lia leicht mit dem Ellbogen in die Seite, damit sie aufwacht. Sie hat auf meiner Schulter geschlafen und schreckt schon bei der kleinsten Berührung und dem leisesten Geräusch hoch, jederzeit auf der Hut. Das sollte ich wohl auch sein, aber ich bin zu erschöpft.

Sofort heften sich ihre Augen auf den Uman, und sie springt kampfbereit in die Hocke. Dieser dagegen beachtet sie nicht und flattert auf uns zu - oder eher auf mich, denn er packt mich an den Ketten meiner Handgelenke. Ich versuche mich zu wehren, aber es bleibt beim halbherzigen Versuch, denn ich bin zu schwach - Lia dagegen protestiert knurrend und verpasst dem Uman einen Tritt, der daraufhin taumelnd zurückweicht.

Er hat mich bereits ein klein wenig hochgehoben gehabt, und durch das plötzliche Loslassen reißt meine Wunde wieder auf, ein Schrei löst sich aus meiner Kehle und vor meinen Augen tanzen schwarze Punkte. Die Ränder meines Sichtfelds verschwimmen und ich nehme nur noch wie unter Wasser wahr, dass Lia mit allem was sie hat - trotz ihrer gefesselten Hände - gegen den Uman ankämpft, um ihn von mir abzubringen.

Ich blinzle, und plötzlich sind es drei Uman - einer der eine fauchende und strampelnde Lia festhält, einer der bereitsteht und auf sie hinabblickt und einer, der mich packt und fortschleift.

Dann verliere ich das Bewusstsein.




Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt