Sechsundachtzig

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Snow

Das kleine Mädchen und ich, wir gehen leise miteinander flüsternd den Gang entlang. Sie erzählt mir davon wie alt die Geheimgänge sind, wo sie verlaufen, wozu sie erbaut wurden, welche Wege es in das Schloss hinein und wieder hinaus gibt, wo sich vermutlich Fallen und Feinde befinden werden, wo man aufgrund des Baualters vorsichtig sein muss, welche Gänge verschüttet sind und nur noch mit sehr viel Mühe wiederaufzubauen wären.

Als ich anfange persönliche Fragen zu stellen, wie etwa nach ihrem Namen, ihrem Alter, ihren Gaben oder Fähigkeiten, ihrem Hintergrund und der Frage, warum sie uns beigetreten ist, lächelt sie nur stumm vor sich hin, bis ich aufgebe. Einzig und allein, dass ihre Magie sich wohl irgendwie in Licht zu äußern scheint, kann ich anhand der Lichtkugel in ihrer Hand - die uns den Weg erleuchtet - in Erfahrung bringen.

Sie erzählt mir auch von den Ereignissen, nachdem ich entführt wurde, wie herausgekommen ist, dass Fire uns verraten hat, wo sie ist, wie es ihr geht, was mein Feuerprinz - Lucien war sein Name! - bisher für Entschlüsse gefällt hat, welchen Eindruck er auf die anderen gemacht hat, und dergleichen.

Unwillkürlich verspüre ich Mitleid mit ihm. Es muss hart gewesen sein herauszufinden, dass dein letztes Familienmitglied dich hintergangen und die ganze Zeit über an der Nase herumgeführt hat. Es klingt zudem ganz so, als sei ich Schuld an all dem seelischen Schmerz, den Fire verspürt hat - und folglich auch daran, was sie von ihren Emotionen getrieben getan hat. Man kann es drehen und wenden, egal wie man es betrachtet, ein Großteil unseres Heeres besteht immer noch aus Kindern. Sie mögen zu Teilen reifer, mächtiger und erwachsener sein als andere in ihrem Alter - aber sie sind und bleiben immer noch Kinder.

Das Mädchen erklärt, dass Freedom mittlerweile ein ordentlich verzweigtes Netz an Kontakten geknüpft hat, sowohl in der Ober- als auch in der Unterschicht, dass sie kleine - und etwas größere - Gefallen für ihre Kontakte erledigt hat, um im Gegenzug dafür Unterstützung in diesem Krieg und dem Leben danach zu gewinnen.

Ich bin wirklich stolz auf das kleine Mädchen, das ich einst zitternd auf einem Sklavenschiff, angekettet an das Deck bei Sturm, mühselig mit meinem Eisschild beschützt und durch das Teilen unserer Hintergrundgeschichte am Leben erhalten habe. Sie hat mittlerweile kaum mehr etwas gemein mit dem bebenden Kind, das zusammengekauert und widerstrebend zugehört hat, als ich ihr erklärt habe, dass ich und Ice den Tod ihrer Mutter haben verhindern wollen, doch daran gescheitert sind.

Mittlerweile vergesse ich andauernd, dass sie eigentlich das Kind einer illegalen Hure aus den Gossen Lunas ist. Nicht, dass ich mich je daran gestört hätte - aber der Schock in den Gesichtern ihrer Kontaktpersonen wäre vermutlich äußerst amüsant mit anzusehen. Schließlich hat sie sich mittlerweile selbst so etwas wie ein kleines Königreich aufgebaut - ein Königreich des Handels, des Tausches und der Gefälligkeiten.

Auch verrät mir das Mädchen viel über die Zusammenarbeit zwischen Hugo, Lia und Scarlet, die gemeinsam zu einer Art Vorstand für unsere Armee geworden sind und sich offenbar äußerst gut miteinander verstehen. Durch den Einfluss Freedoms hat auch Hugo kaum mehr etwas mit dem frechen Mini-Boss zu tun, der sie einst hat entführen lassen um Informationen über uns zu erhalten.

Sie erzählt mir von der fragwürdigen Liebesgeschichte zwischen dem Schrank von Mann und Cheri, die sich zwar offenbar eindeutig zueinander hingezogen fühlen, sich jedoch dennoch tunlichst aus dem Weg gehen und sich zanken bis die Fetzen fliegen, sollten sie doch einander über den Weg laufen.

Zudem spricht sie über die Spannungen zwischen dem Uman-Anteil unserer Armee und dem Menschen-Anteil, und darüber, wie Linus zu einer Art Streitschlichter beider Parteien geworden ist. Es heißt sogar, er habe gelernt die Sprache der Uman zu sprechen und würde auf die Weise beide Seiten bei Laune halten.

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt