Siebenundzwanzig

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Lucien

"Da haben wir ja auch schon einen Freiwilligen", grinst Hugo und lächelt Cheri wölfisch an.

Diese verschränkt die Arme und wendet stur kopfschüttelnd den Blick ab.

"Bin ich die Einzige, die das Gefühl hat, etwas verpasst zu haben?", meldet sich Fire.

"Definitiv nicht", pflichten ihr Ann und ich bei.

"Einen Freiwilligen wofür?", hakt der Schrank von einem Mann nach, der im Türrahmen steht.

Hugos Grinsen wird breiter. "Um eine Frau in Nöten zu beschützen, natürlich."

"Gott verschone mich", stöhnt Cheri und verdreht die Augen, während sie aus dem Fenster in die Dämmerung starrt.

"Eine Frau in- was?" Das Mitglied aus Hugos Wolfseinheit steht nun vollkommen verwirrt in der Tür.

Cheri schnalzt mit der Zunge, schlägt die Beine übereinander und lehnt sich zurück.

Ich habe das Gefühl, mein Kopf explodiert bald. "Okay, warum genau bist du in erster Linie hierhergekommen? Ich nehme doch an, du hast einen Grund?", ergreife ich das Wort und massiere mir weiterhin die Schläfen.

"Natürlich", nickt der Schrank von Mann eifrig, offenbar erleichtert, dass er sich endlich auf etwas verständliches fokussieren kann, und blickt Hugo an. "Du wirst unten gebraucht. Die Verletzten sind aufgewacht." Er runzelt die Stirn.

"Was ist los?", hakt Hugo nach, dem der finstere Ausdruck seines Mitglieds aufgefallen ist.

"Es... Du solltest dir das selbst ansehen", schüttelt er den Kopf, und seine Wangen nehmen einen rosa Farbton an.

Hugo erhebt sich. "Ah", ist alles, was er dazu zu sagen hat. Er geht zur Tür und dreht sich noch einmal zu Cheri um. "Wenn du tatsächlich die Erkundungsmission annehmen willst", er klopft seinem augenscheinlichen Freund auf die Schulter, "wirst du ihn wohl oder übel mitnehmen müssen." Und damit ist Hugo weg.

Cheri blickt mich bittend an. Ich bin schon drauf und dran ihr diesen Gefallen zu tun, als ich die leichte Röte auf ihrem Gesicht erkenne. Ah. "Tut mir leid", zucke ich mit den Achseln. "Jemand anderen können wir dafür nicht abstellen."

Eine glatte Lüge, und das wissen wir auch alle, aber was solls. Wenn Cheri sich vor Scham davor drücken will, von diesem Schrank beschützt zu werden, dann kann sie das vergessen. Das ist meine kleine Rache dafür, dass sie sich immer so auf Kosten der Beziehung zwischen Snow und mir amüsiert. Ein wenig muss ich sie doch auch necken dürfen - und es ist ja nicht so, als würde sie sich wegen ihm ein Bein ausreißen müssen, nur, weil er sie beschützen soll.

Sie presst die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und funkelt mich wütend an. Oh oh, das wird wohl ein Nachspiel haben, schmunzle ich innerlich.

Ergeben hebe ich die Hände. "Du kannst immer noch ablehnen - dann übertrage ich die Mission jemand anderem", wende ich schmunzelnd ein.

Cheri schnaubt laut, springt auf und verdreht die Augen. "Das werde ich nicht vergessen", droht sie mir mit dem Finger. Sie stürmt zur Tür, wo sie den Mann am Arm packt und hinter sich her zerrt.

"Was ist denn los?", hört man ihn fragen.

"Genau das werde ich dir gleich erklären", zischt Cheri aufgebracht.

Man hört darauf folgend nur noch Gemurmel - sie haben sich zu weit entfernt, als dass man noch ein Wort entziffern könnte.

Immer noch ein wenig verwirrt sitze ich plötzlich nur noch mit Fire und Ann im Raum.

Letztere hebt fragend die Augenbrauen, um an ihre Worte von zuvor zu erinnern. Sie wollte mir einen Weg zeigen, auf dem Snow und ich zeitgleich diese sogenannte Wahrheit erfahren könnten, die laut Fire so weltbewegend zu sein scheint - zumindest im Hinblick auf den Krieg.

Betont werfe ich einen Blick auf die beiden noch immer offenen, halb ausgeschütteten Säcke von Metall-Überresten. Zeitgleich sehen sowohl Ann als auch ich Fire an.

Nachdem sie unseren Blick bemerkt hat, hebt sie fragend eine Augenbraue. "Was?"

"Könntest du... Ich meine, eventuell...", setze ich an ohne wirklich zu wissen, wie ich die Bitte formulieren sollte. Verdammt, die eigenartigen Situationen der letzten Minuten haben mich wirklich durcheinander gebracht. Sonst musste ich nie um Worte ringen.

Sie verdreht die Augen. "Schon verstanden." Wir stehen alle auf, und Ann und ich begeben uns zur Tür, die noch immer sperrangelweit offen steht, seitdem Cheris neu ernannter Leibwächter in die Versammlung geplatzt ist.

Bevor wir jedoch in den Flur hinaustreten, hält mich Fire noch einmal kurz am Ärmel fest.

"Ich nehme an, du willst die Metall Reste noch genauer untersuchen lassen, oder?", runzelt sie die Stirn. "Willst du das selber machen oder soll ich sie an meine Einheit weiterleiten?"

Nachdenklich beiße ich mir auf die Lippen und überlege fieberhaft, wie ich die Frage formulieren soll, die mir auf der Zunge liegt. "Ich, äh - ginge beides?"

Fires Blicke drücken Skepsis und Argwohn aus. "Willst du damit zufällig andeuten, dass du meiner Einheit nicht traust?", hakt sie mit zu schmalen Schlitzen zusammengekniffenen Augen nach.

"Ich bin nur neugierig, ob wir auf dieselben Ergebnisse kommen würden", hebe ich abwehrend die Hände und versuche mich aus der Sache herauszureden. Dann fällt mir wieder ein, dass ich hier als inoffizieller Stellvertreter von Snow gelte. Diese Angelegenheit betrifft den Krieg, nicht die persönliche, intime Seite unserer Platineinheit - dementsprechend sollte ich mich auch verhalten.

Ich räuspere mich. "Bitte überreich ihnen von beiden Säcken die Hälfte des Inhalts, die andere Hälfte werde ich selbst prüfen. Vielleicht entdeckt einer von uns etwas, das dem anderen entgangen ist - vier Augen sehen mehr als zwei. Oder... je mehr desto besser?"

Fire hebt perplex die Augenbrauen, ihre vorherige Wut wie weggeblasen. Stattdessen steht ihr nur noch Verwirrung ins Gesicht geschrieben. "Irgendwie bist du gerade sehr eigenartig, Lu."

Seufzend fahre ich mir mit den Händen über das Gesicht. Meine Kopfschmerzen kehren mit voller Wucht zurück und ich schneide eine Grimasse. "Ich weiß auch nicht. Vielleicht bin ich einfach nur nervös. Du weißt schon, die ganze Wahrheit-Herausfinden-Sache?"

Meine kleine Schwester sieht nicht sonderlich überzeugt aus, wendet sich jedoch endlich ab um aufzuräumen.

Als ich mich umdrehe, fällt mir Anns wachsamer Blick auf. Sie starrt mich für einige Sekunden stumm und geistesabwesend an, ehe sie hektisch blinzelt und wieder in der Realität angekommen zu sein scheint.

"Alles in Ordnung?", frage ich immer noch verwirrt nach und massiere meine Schläfen. Das Pochen meiner Kopfschmerzen hallt wie Glockenschläge in meinem Kopf nach.

"Sollte ich nicht eher dir diese Frage stellen?", entgegnet Ann skeptisch. Verflucht, da könnte sie recht haben. Statt zu antworten sehe ich sie nur stumm an.

Eigentlich fühle ich mich abgesehen von der Verwirrung und den Kopfschmerzen gar nicht anders als sonst.

Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmt.

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt