Fünfundzwanzig

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Lucien

["Und", fügt Fire hinzu, nachdem ich ihr einen verwirrten Blick zugeworfen habe, warum sie das Ganze dann andauernd so weltbewegend klingen lässt, "es macht diesen gesamten Krieg viel komplizierter für dich und Snow."]

Kurzzeitig herrscht wieder bedrückende Stille.

"Gut", klatscht Cheri in die Hände, "Nun, da dieses Thema vom Tisch ist, können wir fortfahren." Sie zieht einen Sack unter ihrem Stuhl hervor, den sie in die Mitte des Stuhlkreises wirft. Bei der Bewegung öffnet er sich und kippt klirrend zur Seite, woraufhin sich eine wahre Pfütze aus durchlöcherten Überresten ergießt, die wohl früher einmal Waffen gewesen sind.

"Heilige Scheiße!", ruft Fire aus und Ann flucht derbe vor sich hin.

Hugo starrt nur finster auf die Waffen und verschränkt die Arme. Offenbar wusste er davon. Was rede ich da - natürlich wusste er davon! Er ist schließlich für seine Wolfseinheit zuständig, die er teils verwaltet, so wie die Silbereinheit. Das schließt die Vorräte von Waffen und Rüstung mit ein.

Ich lehne mich nach vorne und wollte bereits ein Teil aufheben und genauer betrachten, als mir ein Gedanke kommt. "Darf ich?", frage ich nach, bevor ich den durchlöcherten Stahl berühre. Nicht, dass er noch vergiftet oder sonst irgendwie verändert ist, sodass eine Berührung gefährlich werden könnte. Hugo nickt, was ich als Einladung verstehe, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Neugierig hebe ich ein Schwert auf, oder genauer gesagt das, was einmal ein Schwert gewesen sein muss. Der Griff scheint noch intakt, doch die Klinge... Sie ist von unzähligen, Fingerkuppen großen Löchern übersät, die schwarze Ränder aufweisen, als sei der Stahl irgendwie zielgerichtet geschmolzen. Dasselbe schwarze Zeug lässt sich an den eigentlich scharfen Rändern der Klinge finden - nur, dass die Klinge stumpf aussieht. "Habt ihr eine Erklärung dafür?", wende ich mich an Cheri und Hugo ohne den Blick zu heben.

"Die haben wir allerdings", murrt Hugo und zieht dem Geräusch nach zu urteilen einen zweiten Sack hervor. Sofort schnellt mein Kopf hoch. Im zweiten Sack befinden sich Rüstungsteile, die von schwarzen Steinen durchsetzt und mit kleinen schwarzen Ketten geschmückt zu sein scheinen.

"Was ist das?", fasst Fire laut die Gedanken zusammen, die einem jeden von uns durch den Kopf gehen müssen.

Bei dem Anblick blitzt ganz kurz ein Bild vor meinem inneren Auge auf: Ein Stück Papier, auf dem genau diese Rüstungsteile skizziert worden sind, in Verbindung mit... "Diese Rüstungsteile sind für die Uman, nicht wahr?", lüfte ich mit leiser Stimme das Geheimnis. Mein Kopf pocht schmerzhaft und ich lege die durchlöcherte Klinge wieder ab, um mir meine Schläfen zu massieren.

Ann beobachtet mich mit wachsamem Blick, aber auf die stumme Frage in ihren Augen hin schüttele ich den Kopf. Ich komme schon zurecht - auch ohne die mysteriöse, mentale Hilfe von Ann, wie gestern, als ich die Uman gehört habe.

"Verdammt richtig", knurrt Hugo. Mit seinen verschränkten Armen und dem verkniffenen Mund sieht er aus wie ein beleidigter, schmollender, kleiner Junge.

Da er offenbar nicht viel mehr dazu zu sagen hat, ergreift Cheri an seiner Stelle das Wort. "Es scheint so, dass einige der Uman eine Art Rüstung getragen haben, die sie vor deinem Licht beschützt, Lucien, und dieses dann zu einem späteren Zeitpunkt wieder freisetzt, um selbst anzugreifen."

"Der Uman, der es in Snows Zimmer geschafft hat, hatte ebenfalls eine Rüstung an", fügt Ann hinzu, "Und er hatte ein Pulver bei sich, das irgendwie die Macht der Elementgeborenen zu hemmen scheint."

Hugo springt plötzlich auf. "Das sagst du erst jetzt?", ruft er ungläubig aus und tigert auf und ab. "Wir haben in diesem Gefecht drei gute Kämpfer verloren", tobt er schnaubend, "Und du kommst erst jetzt auf die Idee, uns von so einer Geheimwaffe zu erzählen?"

Drohend steht Fire auf, aber Ann hält sie an der Hand zurück und drückt sie wieder auf ihren Stuhl. Fire sieht ganz so aus, als wolle sie etwas sagen, aber Ann kommt ihr zuvor, bevor Fire die Situation noch mehr eskalieren lässt.

"Es hätte keinen Unterschied gemacht, ob ich es euch jetzt oder direkt nach dem Gefecht gesagt hätte", rechtfertigt sich Ann mit Nachdruck in der Stimme, ohne laut zu werden. "Das Gefecht ist vorbei. Die Verluste sind unumkehrbar. Selbst wenn ich es dir direkt nach dem Kampf gesagt hätte - was hätte es gebracht? Die Toten würden davon auch nicht wieder lebendig - und wir sind dort alle an unsere Grenzen gestoßen, unser aller Nerven lagen blank. Hätte ich es früher zur Sprache gebracht, wären die Reaktionen nur noch explosiver ausgefallen."

"Sie hat recht", pflichtet Cheri mit ruhiger Stimme Ann bei.

Hugo schnaubt lautstark und lässt sich wieder auf seinen Stuhl fallen. Er lehnt sich zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. Offenbar ist das seine Art, sich geschlagen zu geben. "Wo ist dieses Pulver jetzt? Ich hoffe doch sehr, du hast zumindest daran gedacht, es an dich zu nehmen", murrt er.

Fire öffnet wieder den Mund um etwas zu sagen, und ihre Blicke speien geradezu Gift, aber wieder kommt ihr Ann zuvor. "Natürlich. Wobei wir uns dafür, um genau zu sein, bei Snow bedanken müssen", antwortet sie. "Sie hat es dem Uman abgeknöpft und ich habe ein Mitglied meiner Einheit gebeten, es zu untersuchen." Ann macht eine kleine Pause, vermutlich, um telepathischen Kontakt aufzunehmen. "Er arbeitet noch daran", fügt sie schließlich hinzu.

Nachdem Hugo nichts mehr sagt, greift Cheri den eigentlichen Faden wieder auf. "Mehr als die Hälfte unserer Ausrüstung ist so beschädigt wie diese Überreste hier", nickt sie in Richtung der verschütteten, durchlöcherten Waffen. "Wir haben nicht mehr genug, um alle auszustatten - wir brauchen Nachschub."

"Vielleicht könnte Freya...", beginnt Fire, die sich wohl wieder mehr oder weniger beruhigt hat, aber Cheri schüttelt den Kopf.

"Freya besorgt bereits Nahrungsvorräte. Sie kann sich nicht auch noch darum kümmern - zumal wir nicht annähernd genug Gold hätten, um die Kosten zu tragen. In all unserer Zeit hier in der Festung haben wir sie jedoch noch kein einziges Mal vollkommen durchforscht", führt sie endlich auf ihren eigentlichen Punkt hin. "Mir sind vor einiger Zeit verschlossene Türen im Erdgeschoss aufgefallen, die zu einem Treppenhaus führen, das sich abwärts schlängelt." Sie fängt meinen Blick auf. "Ich glaube, dass es dort unten noch nützliche Dinge geben könnte, aus denen wir vielleicht neue Ausrüstung herstellen könnten. Wir haben ja schließlich unseren eigenen Schmied", schmunzelt sie und zwinkert mir zu.

Nachdenklich stütze ich das Kinn in meine Hand. Es ist tatsächlich möglich, dass sich dort unten noch Ressourcen befinden. Es ist zumindest einen Versuch wert. "Das Erkunden könnte allerdings eine Weile beanspruchen", wende ich ein. "Wir wissen nicht, wie tief der Keller hinabreicht, oder wie groß er ist. Der- oder Diejenige, die diese Aufgabe übernimmt, müsste für eine Weile die vorherige Arbeit ruhen lassen."

Cheri richtet sich in ihrem Stuhl auf. "Ich kann derzeit nicht wirklich etwas nützliches beitragen, solange unserer Vorräte erschöpft sind", erklärt sie sich bereit.

Irgendetwas in mir sträubt sich dagegen, Cheri alleine diese Mission übernehmen zu lassen. "Wir wissen nicht, was sich dort unten befindet", räume ich ein. "Was, wenn du in Gefahr gerätst?" Es würde Snow das Herz brechen, wenn Cheri dabei umkommen sollte.

"Ich lasse sie von einem Mitglied meiner Einheit begleiten", schlägt Hugo vor, der ebenfalls wieder ein wenig ruhiger scheint.

Cheri wirft ihm einen Blick aus schmalen Schlitzen zu. "Ich brauche keinen Beschützer", murmelt sie wütend.

"Wofür denn einen Beschützer?", meldet sich eine Stimme von der Tür.

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt