Neunundzwanzig

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Lucien

Ann erzählte mir auf dem Weg aus dem Saal hinaus, dass sie, Ice und Snow früher einst alle jeweils einen eigenen, besonderen Ring besessen hatten, eine Art Zeichen, dass sie zusammengehörten.

Es hatte sich um ein einfaches, breites, filigran verziertes Silberband mit einem eisblauen, kristallartigen, winzigen Stein gehandelt, in den ihre Namen eingraviert gewesen waren.

Aber nicht nur war es ein Zeichen des Trotzes gegenüber des lunischen Königs - ihres Vaters - gewesen, der versucht hatte, sie alle voneinander getrennt zu halten, sondern der Stein hatte auch eine besondere Funktion: Durch ihn waren die drei in der Lage gewesen, die Tiefen ihrer Seelen in Einklang zu bringen.

Aufgrund der Folter, die Snow und Ice allerdings beide über sich ergehen hatten lassen müssen, hatten sie den Ring nur dann getragen, wenn alle Welt dachte, sie würden schlafen.

Und in der Nacht, in der Snow klammheimlich in die Sklaverei verkauft worden war, hatte sie eben diesen Ring auf der Türschwelle ihres Zimmers abgestriffen und zu Boden fallen lassen - eine stumme Nachricht an Ice und Ann, was geschehen war. Ebendieser Ring von Snow befand sich deswegen nun in Anns Obhut.

Ob die Vierte im Bunde - Lilliane, oder kurz Iane - ebenfalls einen Ring besessen hatte, wusste ich nicht. Ann erwähnte sie mit keinem Wort und ich nahm das als Zeichen, nicht danach zu fragen. Ich hatte einst gehört, dass sie nicht gut mit den Zwillingen Snow und Ice auskam - nur mit Ann schien sie früher einmal ein inniges Verhältnis gehabt zu haben. Umso verdächtiger, dass diese ihre Schwester totschwieg.

Ann bot jedenfalls an, dass ich ihren Ring nutzen könne, um mit Snow in Kontakt zu treten und um mit ihr gemeinsam die Tiefen ihrer Seele zu erforschen - oder irgendetwas in der Richtung - und auf diese Weise die Hintergründe zu erfahren, die uns beide wohl irgendwie verknüpfen - und um den Aufweckungsprozess von Snow erheblich zu beschleunigen.

Allerdings würde es mindestens einen Tag dauern, bis Ann mir das gesamte Prozedere erklärt hätte, da sie nicht in diese stumme Unterhaltung eingreifen könne.

Dass die Möglichkeit überhaupt besteht, dass ich mit den Ringen kompatibel sein könnte, hat sich Ann und Fire erst offenbart, als ich die Vision der Uman gesehen hatte. Was genau es damit auf sich hatte, habe ich bisher noch nicht in Erfahrung bringen können.

Doch ihre Erklärung rief mir etwas anderes in Erinnerung - und das ist der Grund, warum wir uns nun in meinem - ehemaligen - Arbeitszimmer befinden. Nicht nur habe ich vor, meine Utensilien und den Papierkram in das - zukünftig - gemeinsame Zimmer von Snow und mir zu schaffen, sondern ich habe mich auch an den Grund erinnert, warum ich mich überhaupt in erster Linie zu dieser Festung - und Snows Mannschaft - begeben habe.

"Du meintest es würde eine Weile dauern, alles vorzubereiten, da wir nur zwei Ringe zur Verfügung hätten, nicht wahr?", grinse ich Ann übermütig an, den gesuchten weißen Koffer in meinen Händen haltend.

Ein skeptischer Blick ist die einzige Antwort, die ich von ihr erhalte.

Mit einem Ruck breche ich den Koffer auf und zeige ihr den Inhalt. "Also sollte es doch sofort möglich sein, wenn wir drei Ringe zur Verfügung haben!"

Ann betrachtet den Ring nur mit großen Augen, ehe sie ihn langsam und vorsichtig herausnimmt.

Es handelt sich um den Ring von Ice, den ich in einer Stadt in der Nähe bei einem spontanen Auftrag als Meisterschmied Leo erworben habe - indem ich die zwielichtigen Finder, die damit Geld verdienen wollten, aus dem Weg geräumt habe.

Lächelnd sieht sie mich an. "Damit können wir sofort anfangen", strahlt sie.

Freezing FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt